Champions League:Ronaldo bedankt sich für Bayerns Einladung

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  • Der FC Bayern verliert 1:2 gegen Real Madrid und hat nun schlechte Chancen auf das Halbfinale der Champions League.
  • Robert Lewandowski fehlt dem Team merklich. Arturo Vidal vergibt einen Elfmeter, Cristiano Ronaldo macht beide Tore für Madrid.
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Aus dem Stadion von Christof Kneer, München

FC Bayern gegen Real Madrid: Das klingt wie ein großes Fest. Als solches stand dieses Spiel auch in allen Programmheften, und beinahe nirgendwo fehlte der Zusatz: "vorweggenommenes Finale". Aber angesichts der Ereignisse des Vorabends konnte sich die Stimmung vor dem Spiel noch nicht so recht entscheiden, ob sie denn nun wirklich festlich sein wollte. Der Club Nr. 12 sagte eine geplante Choreografie anderthalb Stunden vor dem Spiel ab, aus "brandschutztechnischen Gründen", wie es hieß, und der Stadionsprecher erklärte den Zuschauern noch mal, wie wichtig es doch sei, sich von einem Anschlag nicht seine normalen Lebensgewohnheiten nehmen zu lassen.

Die Bayern gaben sich vom Anpfiff weg aber große Mühe, bei den Zuschauern das erhoffte Champions-League-Gefühl hervorzurufen, und es dauerte tatsächlich nur 43 Sekunden bis zum ersten Eckball für die Münchner. Nach 2:13 Minuten folgte schon der zweite Eckball, nach 4:03 Minuten gab's den dritten. Verständlicherweise gelang es den Bayern nicht, diesen hohen Rhythmus aufrechtzuerhalten, dennoch konnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand ahnen, was für ein unglückliches Spiel den Münchnern nach diesem guten Beginn bevorstand: Einer ordnungsgemäßen Führung folgten ein verschossener Elfmeter durch Vidal (45.+1.), eine gelb-rote Karte für Martínez (61.) - und am Ende eine 1:2-Niederlage durch zwei Ronaldo-Tore, die noch höher hätte ausfallen können, wenn Manuel Neuer nicht noch ein paar Mal exzellent pariert hätte und Sergio Ramos' Kopfballtreffer nicht wegen Abseits (zurecht)

annulliert worden wäre. "In der ersten Halbzeit hatten wir das Spiel unter Kontrolle, es hat aber etwas an Effizienz gefehlt", sagte Trainer Carlo Ancelotti: "Die Unterzahl machte es natürlich schwerer, trotzdem haben wir es noch ganz gut gemacht. Wir leben noch." Etwas nachdenklicher klang Thomas Müller, als er monierte: "Wir waren nach vorne nicht so geil wie sonst. Der Respekt war zu groß." Es wird eine extreme Aufgabe für die Bayern, diesen Rückstand in Madrid noch aufzuholen, auch wenn Reals Trainer Zinedine Zidane anmerkte, es sei nicht ausgeschlossen, dass seine Mannschaft im Rückspiel "noch leiden" könne. Als Erkenntnis dieses Hinspiels muss auch gelten, dass die Bayern für diese Herausforderung unbedingt den an der Schulter verletzten Robert Lewandowski brauchen werden, dessen ballsichere und geschmeidige Spielweise sie da vorne drin nicht ersetzen können.

Ob sie auch ohne Lewandowski Fußball spielen können, wissen die Bayern im Grunde ja gar nicht, sie haben es aufgrund der stählernen Natur des polnischen Mittelstürmers bisher kaum üben müssen. Für Lewandowski rückte erwartungsgemäß der rechtzeitig genesene Thomas Müller in die Sturmspitze, ebenso rechtzeitig war auch Torwart Manuel Neuer von den Verletzten auferstanden.

Abwehrspieler Mats Hummels fehlte den Bayern, Real musste gleich auf zwei Innenverteidiger verzichten, auf Pepe und Varane. Trotz der Ausfälle sahen die Gäste aber überhaupt keinen Grund, demütig zu sein, sie wussten aus sicherer Quelle: Wir sind Real Madrid. Mit dieser königlichen Haltung gelang es den Spaniern, sich von Bayerns stürmischer Anfangsphase nicht irritieren zu lassen. Nach einer Viertelstunde waren die Bayern zwar immer noch die dominantere Elf, aber die Gäste gewannen zunehmend die Kontrolle übers eigene Defensivspiel, und auf der anderen Spielfeldseite dämmerte es sowohl den Münchner Zuschauern als auch den Bayern-Spielern, dass es sich bei diesem Gegner nicht um den HSV oder den FC Augsburg handelte.

FC Bayern in der Einzelkritik
:Vidal drischt den Elfmeter Richtung A9

Der Chilene sollte sich auf Kopfbälle konzentrieren. Martínez lässt Ronaldo zu viel Platz, sogar Thiago wirkt überfordert. Die Bayern in der Einzelkritik.

Aus dem Stadion von Christopher Gerards

Real beteiligte sich nun auch an diesem Fußballspiel, und es störte die Spanier nicht mal, dass Cristiano Ronaldo zum großen Ergötzen der Zuschauer einen seiner Drama-queen-artig zelebrierten Freistöße in den Fanblock donnerte. Für Hohn und Spott gab es aber keinen Grund, denn zwei Minuten später mussten die Bayern schon die außerirdischen Fähigkeiten ihres grünen Männchens im Tor bemühen, um nicht in Rückstand zu geraten: Benzemas Kopfball endete an der Latte, aber auf dem Weg dahin hatte er Kontakt mit Neuers Fingerspitzen.

Es war definitiv ein anderer FC Bayern als jener, den Pep Guardiola an den Start gebracht hatte; die Münchner legten keinen radikalen Wert auf die B-Note, sie nervten den Gegner auch nicht mit Ballbesitzquoten zwischen 100 und 1000 Prozent, aber sie waren zunächst kompakt und präsent; und sie wagten etwas, was Guardiola nicht besonders schätzte: Sie schlugen richtige Eckbälle, so mit Wucht und Kraft und so, und sie verzichteten darauf, mittels Kurzecke sofort in den Ballbesitz zu kommen. Der Wiederentdeckung dieser guten, alten Tugend verdankten die Münchner das Führungstor: Nach Thiagos Ecke behauptete sich Arturo Vidal gegen Ersatzverteidiger Nacho und wuchtete zum 1:0 ein (25.).

Das Spiel schien sich vorübergehend nun doch in jene Richtung zu bewegen, in der die Münchner es haben wollten. Die zusammen 66-jährigen Philipp Lahm und Arjen Robben versuchten immer wieder Durchbrüche über die rechte Seite, aber skandalöserweise kannten die Madrilenen schon Robbens brandneuen Trick (nach innen ziehen, schießen) und verstellten ihm den Weg. Dennoch hätten die Bayern mit einem zu diesem Zeitpunkt durchaus verdienten 2:0 in die Pause gehen können/müssen: Erst setzte der aufgedrehte Vidal einen Flugkopfball übers Tor (40.), kurz darauf knallte er im Übermut einen Hand-Elfmeter in Uli Hoeneß' 1976er-Höhe übers Tor - eine sehr, sehr freundliche Elfmeter-Entscheidung war das allerdings, denn Carvajal hatte den Ball dahin bekommen, wo es Lewandowski im Moment weh tut: ans Schultereckgelenk.

Lewandowski übrigens ist der Mann, der bei Bayern normalerweise die Elfmeter schießt. Nicht nur in diesem Moment wurde er dramatisch vermisst. War dies der Moment, der das Spiel kippen ließ? Ohne dass diese Analogie offiziell an die Anzeigentafel geworfen wurde, erinnerten sich die Zuschauer nun ans Halbfinale der vergangenen Saison, als die Bayern nach einer 1:0-Führung gegen Atlético Madrid einen Elfmeter verschossen - und ausschieden. Übrigens: Damals kassierten sie kurz nach der Pause den Ausgleich - eine Dramaturgie, die sich nun erneut wiederholte: Nach 47 Minuten flankte Carvajal in die Mitte, wo sich Ronaldo sich geschickt von Martínez und Boateng absetzte und den Ausgleich erzielte. 1:1 - ein Ergebnis, das wie eine Ernüchterung wirkte und von den Bayern am Ende doch gerne genommen worden wäre. Martínez leistete sich zwei überflüssige Fouls, wofür er mit der gelb-roten Karte belohnt wurde. Das war eine Einladung für Real, das durch Ronaldo noch jenes Tor nachlegte, das den Bayern das Rückspiel enorm erschwert - zumal dann auch noch der gesperrte Martinez fehlen wird.

© SZ vom 13.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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