Champions League:Rätsel um Bayerns Schwächen

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Hat "ein, zwei Schwächen" im Spiel der Bayern erkannt: Verteidiger Mats Hummels. (Foto: Getty Images)
  • Trotz der makellosen Leistung gegen Dortmund spricht Mats Hummels anschließend von "ein, zwei Schwächen" der Münchner, verrät aber nicht, wo diese liegen.
  • In der Bundesliga kann niemand die vermeintlichen Schwächen ausnutzen. Kann es der FC Sevilla im Viertelfinale der Champions League?
  • Am Samstag brachte Sevilla in der Liga den ungeschlagenen FC Barcelona in arge Bedrängnis.

Von Thomas Hummel

Mats Hummels versuchte, sich mit seinen alten Kollegen aus Dortmund zu solidarisieren. 0:6 hatten die gerade verloren, aber sie sollten sich deshalb nicht zu sehr grämen. Denn: "Wir haben alle sowas schon mal erlebt", sagte Hummels und erzählte: "Ich hatte einmal in der U17 mit Bayern ein ganz fieses 0:5 beim Karlsruher SC." Aber danach sei es Gott sei Dank auch wieder aufwärts gegangen.

Ob diese Erinnerung von Mats Hummels den Dortmundern Trost spendete, sei dahingestellt. Sie sagte eher etwas über die Karriere des inzwischen 29 Jahre alten Verteidigers aus. Es kam nicht häufig vor, dass er eine Pleite in vergleichbarer Höhe verkraften musste, da bleibt dann eben ein sportlicher Unfall in der Jugendzeit hängen. Und wenn nicht alles täuscht, muss Hummels auch in naher Zukunft keine deftige Niederlage fürchten. Was zum einen an der Mannschaft liegt, in der er gerade spielt. Und zum anderen an ihm selbst.

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Der FC Bayern hat am Samstagabend gegen den einst größten Rivalen aus Dortmund binnen 45 Minuten klargestellt, wie riesengroß der Unterschied zwischen ihm und dem Rest der Bundesliga heute ist. Klar, die Borussia ist so schwach wie seit Jahren nicht. Doch den Klassenunterschied allein mit den Mängeln der Gegner zu erklären, wäre nur die halbe Wahrheit. Die andere Hälfte besagt, dass sich die Münchner zu Beginn der Saison-Zielgeraden in toller Form befinden.

Die Abwehr stand felsenfest mit einem bärenstarken Hummels, der wie in besten Dortmunder Zeiten nicht nur Zweikämpfe gewann, sondern sogleich den Hochgeschwindigkeits-Konter einleitete. Im Mittelfeld stimmte die Balance zwischen eisigem Verteidigen (Javi Martínez) und gewandtem Ballverteilen (James Rodríguez). Über die Außen stürmten die Paare links (Alaba/Ribéry) und rechts (Rafinha/Robben) mit Wucht und Tempo. Und vorne lassen die Angreifer Robert Lewandowski und Thomas Müller kaum mehr eine Gelegenheit zum Torerfolg aus. Trainer Jupp Heynckes sah eine "Gala-Vorstellung" seiner Elf. Er konnte es sich sogar leisten, in der Halbzeit der Mannschaft anzuweisen, das Tempo ein wenig rauszunehmen. Schließlich steht am Dienstag das Hinspiel in der Champions League beim FC Sevilla an.

Keine Bundesliga-Mannschaft kann Bayerns vermeintliche Schwächen aufdecken

Da verwunderte es, als Hummels danach erklärte: "Wir sind nicht perfekt, bei weitem nicht." Wie bitte? "Wir haben ein, zwei Schwächen, die wir kennen. An denen arbeiten wir." Wo genau die liegen, hat er nicht verraten. Für die Öffentlichkeit sind sie in der Bundesliga jedenfalls kaum bis gar nicht zu erkennen, was schlichtweg daran liegt, dass weit und breit kein Gegner diese vermeintlichen Schwächen aufdecken und nutzen kann. Womit die Münchner beim einzigen echten Fragezeichen angelangt sind: Sie wissen nicht, wie die Mannschaft reagiert, wenn ein Gegner tatsächlich ernsthafte Gegenwehr leistet. Wenn er aufgrund seines Könnens den Spielern anspruchsvolle Aufgaben stellt.

Kann der FC Sevilla so ein Gegner sein? Die Münchner Spieler überholten sich fast gegenseitig, um vor den Spaniern zu warnen. "Meine Mannschaft weiß, dass wir eine überdurchschnittliche Leistung brauchen", erklärte Trainer Heynckes. Arjen Robben kündigte "ein heißes Spiel" an. Und Hummels weissagte: "Mit allem unter einer verdammt starken Leistung werden wir verlieren."

Befeuert wurden die Warnrufe der Bayern am Samstagabend durch den Auftritt des FC Sevilla in der spanischen Liga gegen den FC Barcelona. 2:0 führte Sevilla gegen den bis dato ungeschlagenen Tabellenführer bis zur 88. Minute, erst dann glich Barcelona mit einem Doppelschlag binnen 47 Sekunden durch Luis Suarez und Lionel Messi zum 2:2 aus. Trainer Vincenzo Montello berichtete: "Die Mannschaft ist sehr verärgert in der Kabine. Wir hatten so viele Chancen, das Spiel zu entscheiden. Aber wir haben es nicht gemacht."

Sevilla zeigte lange all seine Stärken: Sicheres Passspiel, alle Spieler können mit dem Ball umgehen. Die Mannschaft beherrscht verschiedene Taktiken: Sie presste Barcelona bis zu Torwart Marc-André ter Stegen und provozierte schnelle Ballgewinne. Dann zog sie sich zurück bis zum eigenen Strafraum, um weiträumige, schnelle Konter zu starten. Mit Éver Banega und Steven N'Zonzi liegt das Kraftfeld der Elf im zentralen Mittelfeld.

Schwächen zeigte die Elf aber auch. Zum Beispiel im Torabschluss, sie benötigte viele Chancen für ihre Tore. Außerdem kam Barcelona häufig über die Seiten durch, wo die Außenverteidiger Escudero und Mercado alleingelassen wurden. Gegen Bayern deutet sich hier ein Problem an, denn unter Heynckes haben die Münchner ihr Flügelspiel reaktiviert. Und als der zunächst geschonte Lionel Messi nach einer Stunde aufs Feld kam und alleine dafür sorgte, dass Barcelona das Tempo erhöhte, geriet die Abwehr des FC Sevilla in erhebliche Turbulenzen. Sevilla steht nach dem Remis in der Primera Division auf Rang sechs, die Qualifikation zur kommenden Champions-League-Saison wird nicht mehr gelingen. Nach den Eindrücken von Samstagabend liegt die Vermutung allerdings nahe, dass die Mannschaft in der Bundesliga derzeit klarer Zweiter wäre.

Ob das reicht, um die Bayern aus dem Konzept zu bringen? Mats Hummels drückte es so aus: "Wir wissen, dass wir nur mit einer gewissen fußballerischen, aber auch mentalen Art und Weise eine Chance haben, die Champions League zu gewinnen." Die U17 des Karlsruher SC soll noch länger einen ganz besonderen Platz in seiner Erinnerung behalten.

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