Champions League:Guardiola versöhnt sich mit dem Schicksal

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"Finally" im Finale: ManCity-Trainer Pep Guardiola umarmt seinen Spieler Phil Foden. (Foto: Phil Noble/Reuters)

Pep Guardiola steht erstmals mit Manchester City im Finale der Champions League - weil sein Team aufs schöne Spiel pfeift. Statt dessen wird gekämpft wie unter den Verteidigungstrainern Mourinho oder Simeone.

Von Sven Haist, London

Pep Guardiola schaute in den Himmel und fing an, die Sterne zu deuten. Mit der rechten Hand schien der Trainer des Manchester City Football Club in der Luft nach dem Schicksal zu suchen, als könnte er es greifen. Er hat in seiner Karriere der Fügung bis dahin eher wenig abgewinnen können. Seine Fußballphilosophie wirkte stets darauf hin, den Zufall aus dem Spiel zu nehmen. Der Zufall wiederum, so hatte es den Anschein, hat ihm bei jeder Gelegenheit dafür eins ausgewischt. Denn wann immer es für Guardiola zuletzt um den Einzug ins Finale der Champions League ging, war das von ihm so verteufelte Spielglück nie mit ihm gewesen.

Wohl auch aus der Verzweiflung heraus, diesen Fluch endlich zu besiegen, beugte er sich am Dienstagabend vor laufender Fernsehkamera dem Schicksal. Er erläuterte gestenreich, dass "die Sterne" selbstverständlich immer in die Frage involviert seien, ob ein Klub die Königsklasse gewinne. Guardiolas späte Einsicht, sein Los nicht zwingen zu können, hat dieses verdammte Schicksal nun offenbar gütig gestimmt.

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Denn als Fakt festzuhalten bleibt: Nach zehn Jahren, einer Ewigkeit für Guardiola, hat der Trainer wieder das Endspiel des prestigeträchtigsten europäischen Klubwettbewerbs erreicht. Zum ersten Mal mit Manchester City, das in den vorangegangenen neun Anläufen noch nie bis Finale vorgedrungen war. Guardiola hatte zweimal mit dem FC Barcelona triumphiert, 2009 und 2011; seitdem scheiterte er mit dem FC Bayern dreimal im Halbfinale (2014 bis 2016), mit City kam für ihn in drei Spielzeiten (2018 bis 2020) jeweils das Aus im Viertelfinale, zuvor bereits einmal im Achtelfinale (2017).

"Wir stehen im Endspiel der Champions League", frohlockte Guardiola nun. Das seien "schöne Worte", die auszusprechen ihm lange verwehrt geblieben seien. Er sprach von einem geschichtsträchtigen Abend und erinnerte an alle Spieler, die City "groß gemacht" hätten, etwa Colin Bell und Mike Summerbee, die zu den Klublegenden gehören, und "viele, viele" mehr. Den einzigen internationalen Titel gewannen die Citizens im Europapokal der Pokalsieger im Jahre 1970, als sie im Finale in Wien den polnischen Klub Górnik Zabrze 2:1 besiegten. 51 Jahre liegen zwischen den Finalteilnahmen - womit City die bestehende Rekordlücke von Sporting Lissabon überboten hat, das 41 Jahre warten musste zwischen den beiden Europapokalsiegen 1964 und 2005.

Guardiola lässt Konterkunst aufführen

"Finally!", endlich also, schrieb das Massenblatt Sun in fetten Buchstaben, hätten es "die teuersten ungebetenen Gäste zur schicksten Party im Vereinsfußball" geschafft. Damit wurde auf die Auseinandersetzungen Citys mit der europäischen Fußball-Union Uefa angespielt, die dem Klub im Vorjahr das Startrecht für die Champions League wegen mutmaßlicher Finanztricksereien entziehen wollte.

Auch Riyad Mahrez, Citys Matchwinner, hauchte noch ein "Ah, finally" ins Mikrofon, als das Interview schon beendet war. Beim 2:0 über Paris Saint-Germain erzielte der algerische Außenbahnspieler die beiden Kontertore (11./63.); schon im Hinspiel vor einer Woche hatte er den Siegtreffer zum 2:1 in Paris beigesteuert. Ein "konterstarkes Meisterstück" sah der Guardian zu Recht, eine taktische Variante, die man mit Guardiolas Namen nicht unbedingt in Verbindung bringen würde. In Erinnerung ist nach wie vor Barcelonas legendäres 3:1 in der Champions League 2011, als Sir Alex Ferguson, Trainer von Manchester United, im Nachgang des Endspiels in Wembley zugab, dieses Guardiola'sche Team sei "unbespielbar" gewesen.

Dieses nahezu perfekte Spiel schien Guardiola danach fast manisch anzutreiben. Erkennbar war dies im steten Versuch, mit seinem auf totale Feldüberlegenheit getrimmten Ansatz dem "perfekten" Spiel noch näher zu kommen. Doch trotz souverän-überlegener Alleingänge seiner Teams in den nationalen Meisterschaften (wie auch in dieser Saison) setzte es im Europapokal bittere Niederlagen - bis das Streben nach spielerischer Vollkommenheit offenbar selbst Guardiola zu viel geworden ist. Eine kolossale 2:5-Niederlage gegen Leicester City zu Saisonbeginn leitete das Umdenken ein. In der Weihnachtszeit setzte er seinen Spielstil dann gewissermaßen zurück auf Los: Von nun an stellte er jenen Pragmatismus in den Vordergrund, mit dem ihm andere Trainer in der Champions League jährlich die Grenzen aufgezeigt hatten. Die Sun fand in den englischen Witterungskapriolen am Dienstagabend dazu die passende Wetteranalogie: Guardiola habe sich gegen PSG "durch den Hagel, den Schnee und den strömenden Regen" gekämpft, schrieb das Blatt - und genauso gezeichnet und durchnässt wie seine Spieler sah Guardiola in seiner triefenden Abendgarderobe hinterher auch aus.

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Um den Vorsprung zu wahren, pfiff City diesmal aufs schöne Spiel. Das Team verteidigte wie eine Mannschaft, für die es ums Überleben im Tabellenkeller geht. Klassisch im 4-4-2, tief in der eigenen Hälfte stehend, teilweise mit allen Mann am Strafraum erwehrte sich City der gegnerischen Angriffe. Mit sechs mittig angeordneten Offensivspielern gewann PSG-Trainer Mauricio Pochettino das Zentrum für seine Mannschaft - nur blockten die City-Spieler in letzter Instanz aufopferungsvoll die Torschüsse ab, als wären sie nicht von Pep Guardiola, sondern von Diego Simeone, Carlo Ancelotti oder José Mourinho gedrillt worden, den Abwehrstrategen unter den Trainern. Der Erfolg über Paris, da waren sich die Kommentatoren auf der Insel einig, sei vor allem Citys "defensiver Qualität" zuzuschreiben.

Spontan organisierten die Spieler und Betreuer eine Sause im Stadion, die in ihrer Ausgelassenheit schon an eine Titelfeier erinnerte. Der Internethit "It's Friday then, then Saturday, Sunday, what?" des US-Amerikaners Mufasa alias Jeff Obeng klang aus der Mannschaftskabinentür.

Nach dem Triumph im League Cup könnte City am Wochenende die Meisterschaft in der Premier League formal eintüten - 13 Punkte Vorsprung auf Manchester United sollten reichen. Dann steht in dreieinhalb Wochen das Endspiel der Königsklasse in Istanbul an, in gewisser Weise auf halber Strecke zwischen Manchester und Abu Dhabi. In Manchester sitzt noch immer der Verein, in Abu Dhabi hingegen dessen Lenker, Scheich Mansour, Mitglied der dortigen Herrscherfamilie, der sich für seine auf zwei Milliarden Euro taxierten Geldgaben seit Jahren nichts mehr wünscht als den silbernen Henkelpokal der Champions League.

Ob es dazu kommt oder nicht, werden am 29. Mai die Sterne entscheiden.

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