Halbfinal-Hinspiel der Champions League:Versenkt in 133 Sekunden

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Macht als guter Kapitän die Fans glücklich: Jordan Henderson feiert das 1:0 des FC Liverpool gegen Villarreal. (Foto: Phil Noble/Reuters)

Liverpool löst die Geduldsprobe gegen Villarreal mit Volle-Kraft-voraus-Fußball samt zwei Treffern. Das Tor zum dritten Champions-League-Finale in vier Jahren steht weit offen.

Von Sven Haist, Liverpool

In seiner Begeisterung über den Führungstreffer für den FC Liverpool stürmte Jordan Henderson los - und war, wie sein Team mitsamt den Fans, nicht mehr einzufangen. Innerhalb von 133 Sekunden erledigte Liverpool in Person von Henderson (53. - gewertet als Eigentor von Villarreals Pervis Estupiñán) und Sadio Mané (55.) den FC Villarreal. Im Lärm an der Anfield Road gingen die Spanier in Anlehnung an ihren Rufnamen "Yellow Submarine", das gelbe U-Boot, regelrecht unter. Diese Beschreibung passte zur Titelseite im LFC-Programmheft - bekannt für seine originellen Zeichnungen an Europapokal-Abenden -, auf der am Spieltag ein Unterwasserbild abgedruckt war. Zu sehen: die Reds um Trainer Jürgen Klopp als auch Villarreal, als Tauchfahrzeuge.

Am Meeresboden versteckt lag in der Grafik der Henkelpokal, der für Liverpool am Mittwochabend allerdings noch nicht aufzufinden war. Das Finale steigt erst am 28. Mai in Paris, aber zumindest die Teilnahme daran dürfte sich der Klub bereits mit einiger Wahrscheinlichkeit geangelt haben - angesichts eines erdrückend dominanten 2:0 (0:0) über Villarreal im Halbfinal-Hinspiel der Königsklasse. Sollte Liverpool den Vorsprung am Dienstag in Villarreal über die Zeit bringen, wäre es das dritte Endspiel für die Reds in fünf Champions-League-Runden unter Klopp.

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Als hätten die Fans in Anfield bereits vorab gewusst, wie das Spiel enden würde, rollten sie mit Anpfiff ein Banner aus mit der Aufschrift, wonach heute "mal wieder so ein Tag ..." sei fürs Klubalbum. Schon die Hinführung zum Spiel war wieder ein Schauspiel für sich. Wie sich das eine Stunde vor Spielbeginn fast leere Stadion stetig füllte, bis die Fans die ehrwürdige Spielstätte dann unmittelbar vor dem Start in ihrer roten Pracht erscheinen ließen. Die Inbrunst, mit der jeweils "You'll never walk alone" gesungen wird, gibt an, welchen Stellenwert die Partie hat - diesmal wurde es so laut wie selten zuvor in dieser Saison. Daran fand auch der langjährige Klopp-Freund Campino, Frontsänger der Toten Hosen, seinen Gefallen, der die Hymne neben Klopps Frau Ulla lautstark mitsang.

Villarreal wirkt so, als wolle es die Angelegenheit in Anfield aussitzen

Schon zuvor rief das Liverpool Echo, lokales Hausblatt des Klubs, dem Team den Slogan für die Begegnung in Form einer Schlagzeile zu: "Up and at (th)em" - Auf und auf sie drauf! Die Parole setzte der für Volle-Kraft-voraus-Fußball dauerempfängliche Klopp in seiner Startelf direkt um, er wählte die offensivstärkste Formation. Das Mittelfeld mit dem Stabilisator Fabinho, dem Ballkontrolleur Thiago und Kapitän Henderson, der für Aggressivität und Leidenschaft sorgt - und vorne natürlich: der furchteinflößende Angriffsdreizack, bestehend aus Salah, Mané und Díaz.

Auf dem Platz sah das dann so aus, dass Liverpool in einem Geduldsspiel gegen eine fein abgestimmte Defensive der Spanier sukzessive die Umdrehungen erhöhte. Bis zur ersten Torchance von Format dauerte es zwölf Minuten, als Mané freistehend aus kurzer Distanz vorbeiköpfelte. Kurz darauf revanchierte sich der Mittelstürmer für Salahs präzise Flanke, indem er ihm dessen Kunstschuss auflegte. Auch der verpasste jedoch knapp das Tor.

Insgesamt kamen die Reds auf zwölf Torschüsse im ersten Durchgang - so viele wie keine andere Elf in einem Königsklassen-Halbfinale, ohne dabei einen Treffer zu erzielen. Die Gäste versuchten sich gar nicht erst an eigenen Vorstößen. Der für seine schlauen Defensivtüfteleien bekannte Villarreal-Trainer Unai Emery ordnete seine Elf mit zwei dichten Viererreihen vor dem Strafraum an. Das passive Spielverhalten wirkte, als wolle der Tabellensiebte der spanischen Liga die Angelegenheit in Anfield aussitzen. Die Idee dahinter war wohl, im Rückspiel mit der Unterstützung des eigenen Publikums die Sensation zu erwirken und nach Juventus Turin und dem FC Bayern den dritten Hochkaräter aus dem Wettbewerb zu nehmen.

Doch diese Hoffnung reduzierte sich im Verlauf der zweiten Halbzeit zunehmend, als Liverpool das Tempo verschärfte, bis der Widerstand gebrochen war. Dafür musste Henderson beim Führungstreffer jedoch noch auf die Hilfe von Villarreals Linksverteidiger Pervis Estupiñán zurückgreifen, der eine Flanke unhaltbar ins Tor abfälschte. Obwohl Emery sofort mit beruhigender Gestik auf sein Team einzuwirken probierte, kombinierte sich Liverpool direkt darauf durch die gegnerische Abwehrreihe. Letztlich konnte Mané kaum anders, als gleich das 2:0 zu erzielen. Mit diesem beruhigenden Polster geht es für Liverpool jetzt nach Spanien.

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