Probleme beim FC Liverpool:Respekt vor Robert

Lesezeit: 3 min

Jürgen Klopp: "Kein Scheißergebnis", aber halt auch "kein Traumresultat". (Foto: AFP)
  • Weil er die Stärken des Bayern-Stürmers Lewandowski fürchtet, setzt Liverpool-Trainer Jürgen Klopp im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League auf einen unkonventionellen Defensivplan.
  • Doch damit opfert Liverpool auch seinen gewöhnlichen Offensivplan.
  • Mittelfeldspieler James Milner darf nicht von Anfang an mitkicken - was sich im Spiel bemerkbar macht.

Von Sven Haist, Liverpool

Das Gespräch, das Jürgen Klopp und Robert Lewandowski in einem Nebengang des Presseraums führten, ließ sich für Außenstehende nicht verstehen. Ob die beiden über das vorausgegangene Spiel redeten, sich an ihre gemeinsame Zeit bei Borussia Dortmund erinnerten oder ob es gar nicht um Fußball ging, war aber auch unerheblich.

Dass sich Klopp - trotz der Hektik durchgetakteter medialer Verpflichtungen - die Zeit nahm für eine minutenlange Unterhaltung mit seinem früheren Spieler, war bemerkenswert genug. Fast unbeobachtet diskutierten Klopp und Lewandowski miteinander, und alleine die Art der Gesprächsführung veranschaulichte den Respekt, den beide jeweils vor dem anderen haben.

Hummels und Martínez
:Der Abend der zwei Türme

Mats Hummels und Javi Martínez haben in dieser Saison nicht viele gute Spiele für den FC Bayern gemacht. Beim 0:0 in Liverpool sind die beiden 30-Jährigen essentiell für die Münchner Taktik.

Von Martin Schneider

Im Sommer 2010 holte Klopp den damals 21 Jahre alten, völlig unbekannten polnischen Angreifer nach Dortmund. Auf Anhieb schnappten die beiden dem FC Bayern zwei Meisterschaften und einen Pokalsieg weg. Den Erfolgen lag die Konterstrategie zugrunde, dass Lewandowski nach Dortmunder Ballgewinnen, meist in der gegnerischen Spielhälfte, direkt dorthin sprintete, wo sich der größte Freiraum befand. Die Mitspieler beförderten den Ball entsprechend auf Verdacht in diese Zonen. Der Strategie, die ihn einst groß machte im deutschen Fußball, wollte Klopp am Dienstagabend als Trainer des FC Liverpool keinesfalls selbst auf den Leim gehen. Er fürchtete Lewandowski, der inzwischen ja ein Münchner Stürmer ist.

Klopp verursachte den Stillstand auf dem Platz

Auch Klopps enzyklopädisches Wissen über den FC Bayern, mit dem er sich bisher 30 Mal duellierte, sorgte beim Achtelfinal-Hinspiel der Champions League in Liverpool dafür, dass der deutsche Rekordmeister - erstmals seit vier Jahren in diesem Wettbewerb - keinen Schuss aufs Tor zustande brachte. Entgegen der Gewohnheit wahrten Liverpools Außenverteidiger diesmal meist ihre Position in der Viererkette; zur Absicherung der Spielfläche dahinter und als Hilfestellung für die neuformierte Innenverteidigung, die sich dadurch ganz mit Lewandowski beschäftigen konnte. Mit 34 Ballkontakten wies der Solostürmer der Bayern die geringste Spielbeteiligung auf, im Strafraum berührte er bloß dreimal den Ball.

Nur: Zur Umsetzung des unkonventionellen Defensivplans opferte Liverpool auch seinen gewöhnlichen Offensivplan. Statt die Spieler sich die Lunge aus dem Leib rennen zu lassen, damit sich die Zuschauer die Kehle aus dem Hals schreien, verursachte Klopp mit seinem Vorgehen einen Stillstand auf dem Platz, der gleichzeitig die Fans auf den Tribünen aus dem Spiel nahm. Als hätten die Leute in Anfield ihren Trainer und ihr Team nicht mehr erkannt, pegelte sich die Lautstärke auf einem Level ein, das im Vergleich zum üblichen Irrsinn in Anfield auf einen Allerweltskick hindeutete. Dem Telegraph mangelte es an Schärfe und Feindseligkeit im Stadion, der Mirror bilanzierte, dass Klopps Heavy-Metal-Fußball verstummt sei. Und am Ende stand dann ein 0:0.

"Das war keine Champions-League-Nacht, sondern ein bisschen wie das Hornberger Schießen. Viel ist nicht passiert, was wir uns merken werden", sagte Klopp. Der Spielausgang sei für Liverpool "kein Scheißergebnis", aber halt auch "kein Traumresultat". Das Unentschieden hat zur Folge, dass Liverpool beim Rückspiel in drei Wochen in München ein Unentschieden reichen würde, sofern Tore fallen - während Bayern gewinnen muss für den Einzug ins Viertelfinale. "Ich bin sicher, dass sich die Bayern heute besser fühlen als wir. Mit jedem Tag allerdings werden wir das Ergebnis als besser empfinden und die Bayern als schlechter", sagte Klopp.

Die Aufstellung der Reds hatte den Spielverlauf gewissermaßen vorweggenommen. Zum ersten Mal in einem Ausscheidungsspiel im Europapokal verzichtete Klopp in der Startelf freiwillig auf James Milner, der bis dahin nur eine Europa-League-Partie gegen Manchester United vor drei Jahren verpasst hatte, wegen einer Grippe. Der knochenharte Vizekapitän gilt als der emotionale Leader der Mannschaft - und als Einpeitscher für die Fans.

Mit seiner Zweikampfstärke kurbelt er das Spiel an. In der Vorsaison stellte Milner mit neun Torvorlagen einen Rekord im aktuellen Spielformat der Champions League auf, vor Wayne Rooney und Neymar, die jeweils um einen Assist zurückliegen. Auch im Gruppenendspiel gegen Neapel im Dezember leitete er den Siegtreffer ein.

Der ehemalige Leipziger Naby Keita, der zunächst für Milner ins Team rückte, sollte die Leichtfüßigkeit im Mittelfeld erhöhen, weil Klopp richtigerweise annahm, dass sich die Bayern an den eigenen Strafraum zurückziehen würden. Allerdings waren es auch weiterhin die Balleroberungen im Zentrum, die Liverpool die besten Chancen des Spiels durch Sadio Mané und Mohamed Salah einbrachten. Für die Aufgabe, den ballgewandten Thiago bei Bayern in Bedrängnis zu bringen, hätte Milner eigentlich erfunden werden müssen, wenn es ihn nicht schon gäbe.

Nach seiner Einwechslung setzte sich Milner am Seitenrand gleich mal erfolgreich gegen Joshua Kimmich zur Wehr. Dass der Rechtsverteidiger der Bayern im Rückspiel gesperrt fehlt, ist für Liverpool keine schlechte Nachricht. Denn in München möchte Jürgen Klopp den FC Bayern so besiegen wie immer: über Konter. Und vermutlich wieder mit Milner.

© SZ vom 21.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Joshua Kimmich
:Wie ein Schnupfen am Hochzeitstag

Genau ein Bayern-Profi hätte gegen Liverpool keine Gelbe sehen dürfen - doch nun fehlt Außenverteidiger Joshua Kimmich im Rückspiel. Die Sperre dürfte den Münchnern wehtun.

Von Martin Schneider

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: