Bundesliga:Leipzig nimmt die Ausfahrt Champions League

Lesezeit: 3 min

Julian Nagelsmann: Hofft auf einen fitten Werner gegen Tottenham. (Foto: dpa)
  • Nach vier verlorenen Punkten in den jüngsten beiden Spielen braucht niemand mehr von einem Meisterduell mit München zu reden, findet Julian Nagelsmann.
  • Stattdessen hoffen die Leipziger auf einen Erfolg in der Champions League: Am Dienstag steht das Rückspiel gegen Tottenham Hotspur an.
  • Tottenhams aktuelle Lage in der Premier League ist weitaus schlechter als die der Leipziger in der Bundesliga - und die Engländer brauchen mindestens ein Tor.

Von Jörg Marwedel, Wolfsburg

Julian Nagelsmann, der Trainer von RB Leipzig, wird in seinen Analysen gerne mal grundsätzlich. Nach dem 0:0 beim VfL Wolfsburg stellte er fest, dass seinem Team, das bisher Tabellenzweiter war, "gegen tief stehende, gut verteidigende Mannschaften manchmal noch fußballerische Momente fehlen". Wie man solche Gegner ausspiele, "macht uns der FC Bayern jede Woche vor", betonte Nagelsmann den feinen Unterschied. Deshalb brauche man auch nicht von einem Leipziger Meisterduell mit den Münchnern zu reden - nach vier verlorenen Punkten in den jüngsten beiden Spielen. Nach dem 0:2 in Frankfurt im Januar hatte der Coach in einer Brandrede noch ehrgeizig betont, seine RB-Profis sollten sich grundsätzlich überlegen, ob sie kurz vor dem Gipfel ganz nach oben zum Gipfelkreuz klettern wollen oder vorher lieber in die Alm abbiegen, um gemütlich zu essen und zu trinken.

Die Rolle des Bad Guys, den kritischen Part in der öffentlichen Analyse der 90 Minuten, überließ Nagelsmann diesmal seinem Sportdirektor Markus Krösche. Der ließ kein gutes Haar am Auftritt der Leipziger, die an diesem Dienstag daheim gegen Tottenham Hotspur (Hinspiel 1:0) erstmals das Viertelfinale der Champions League erreichen können - es wäre der bislang größte Erfolg in der kurzen Ära des Klubs. In Wolfsburg listete Krösche einen Mängelkatalog auf, der wie ein Zeugnis zur Nicht-Versetzung in die Oberstufe wirkte. Eine kleine Auswahl seines Minus-Registers: Man habe "ohne Dynamik und Tempowechsel" gespielt, das Passspiel sei "ungenau" gewesen, "Konzentration" und die nötige "Grundaktivität" hätten gefehlt. Zudem habe RB "zu statisch" agiert.

Ob dies allein daran lag, dass Leipzig den zuletzt über muskuläre Oberschenkelbeschwerden klagenden Torjäger Timo Werner 60 Minuten lang schonte? Zumindest wies dessen Stellvertreter im Sturm, der Däne Yussuf Poulsen, nicht nur wegen diverser schlechter Abschlüsse nach, dass er bei der Weiterentwicklung der Mannschaft unter Nagelsmanns Regie bisher nicht so richtig mitgekommen ist. Als Werner für Poulsen hereinkam, habe "uns das gut getan", bilanzierte später der Trainer. Weder Nagelsmann noch Krösche warfen dem Team allerdings vor, was Kapitän Marcel Sabitzer den Kollegen noch nach dem jüngsten 1:1 gegen Leverkusen vorgehalten hatte: fehlende "Einstellung und Mentalität". Das war in Wolfsburg aber nicht das Problem, es war auch kein ganz schlechtes Auswärtsspiel von RB.

Die Wolfsburger jedoch verbauten sehr gut jene Räume, in die Leipzig spielen wollte - besonders stark dabei: die VfL-Sechser Maximilian Arnold und Yannick Gerhardt. Die hohe Gegenwehr hatte wohl auch damit zu tun, dass Wolfsburg im Oktober im Pokal daheim 1:6 gegen Leipzig untergegangen war. Trainer Oliver Glasner hatte zwar vor dem Spiel keine Videos dieses Desasters vorgeführt, ("man zeigt ja auch nicht vor der nächsten Klassenarbeit noch mal die letzte Fünf"). Daraus gelernt haben seine Spieler, die seit acht Spielen ungeschlagen sind, aber offenbar auch so.

Arnold lobt Leipzigs "Ochsen" in der Abwehr

Wäre es aus Leipziger Sicht ganz dumm gelaufen, hätte Wolfsburgs Xaver Schlager in der 89. Minute sogar per Lucky Punch das Siegtor erzielt. Doch der im Strafraum freigespielte Österreicher verzog seinen Schuss nach links, obwohl er Zeit zum Zielen hatte. Leipzig tut derzeit jedenfalls gut daran, bescheiden zu bleiben, wie auch Torwart Peter Gulacsi feststellte: "Es ist in dieser Saison extrem schwer, unter die ersten Vier zu kommen. Mit Bayern, Dortmund, Leverkusen und Gladbach haben wir sehr starke Konkurrenten."

Für das Highlight-Spiel gegen Tottenham (vor vollen statt leeren Rängen, wie die Stadt Leipzig am Montag entschied) hoffen die Leipziger, dass der Gegner "etwas offener spielt", so Gulacsi - die Engländer benötigen ja mindestens ein Tor. Zudem ist Tottenhams aktuelle Lage in der Premier League weitaus schlechter als die der Leipziger in der Bundesliga. Seit der Hinspiel-Niederlage haben die Spurs ein Stadtderby gegen Chelsea und ein FA-Cup-Spiel gegen den Ligaletzten Norwich verloren. In der Tabelle steht Tottenham, das seine verletzten Torjäger Kane und Son seit Wochen arg vermisst, nach einem mageren 1;1 am Samstag in Burnley nicht mal mehr auf einem Europa-League-Platz.

Die Chancen auf den größten Erfolg der Klubgeschichte stehen für RB also trotzdem gut. Auch wenn in Wolfsburg Inspiration und spielerische Lösungen fehlten, lobte VfL-Profi Maximilian Arnold: "Die haben schöne Ochsen in der Mannschaft mit hohem Tempo." Und wenn gegen Tottenham Timo Werner wieder von Beginn an dabei ist, könnte Leipzig zumindest in der Champions League dem Gipfelkreuz etwas näher kommen.

© SZ vom 09.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

BVB siegt 2:1
:Dortmund kann jetzt auch Kampf

Beim Sieg im Spitzenspiel sieht sogar der sonst so brave BVB fünf gelbe Karten. Gladbach leistet lange Widerstand - und beschwert sich bitter über den Schiedsrichter.

Von Ulrich Hartmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: