Champions League: FC Bayern:Thomas Müller - in Drachenblut gebadet

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Mit einem phantastischen Tor erlöst Thomas Müller den FC Bayern. Beim 2:0 in der Champions League gegen den AS Rom nähern sich die Münchner wieder dem idealen Van-Gaal-Fußball an.

Sebastian Gierke

Es klang nach Durchhalteparole. "Aiso Leid, rückts zam. Wenn wir alle aufeinander aufpassen, dann schaffen wir das." Der U-Bahn-Fahrer hatte gut reden. Die Roten standen bereits extrem kompakt in den Waggons, die sie zum Champions-League-Spiel des FC Bayern gegen den AS Rom bringen sollten. Aufgrund eines Streiks waren in München nicht so viele Züge wie sonst im Einsatz. Doch die Menschen in ihren roten Trikots, sie rückten noch einmal zusammen.

Unerschrocken, erfolgreich: Nach seinem Kunstschuss mit dem Außenrist bejubelt Thomas Müller sein 1:0 gegen den AS Rom. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Die Mannschaft in den roten Trikots rückte nach zuletzt schwachen Spielen auch noch einmal zusammen, passte auf ihre schwächeren Mitglieder gut auf und gewann gegen harmlose Römer den Auftakt in der Königsklasse am Ende sicher und verdient mit 2:0.

Dabei war vor allem in der quälend ereignislosen ersten Hälfte Müdigkeit und Verunsicherung bei den Spielern des FC Bayern noch deutlich zu spüren. Die Mannschaft agierte kompakt, der Gegner kompakter. Die hatten allerdings einen Francesco Totti in der Spitze, im Vergleich zu dem Günter Netzer noch in seinen schlechtesten Spielen als Laufwunder hätte beschrieben werden müssen.

Gegen einen Gegner, der sich nur gelegentlich zu Kontern aufraffen konnte und wie Thomas Müller später anmerkte "gar nicht gewinnen wollte", tat sich die Mannschaft dennoch lange Zeit extrem schwer. Der gesperrte Franck Ribéry fehlte als anarchischer Abwehrzerstörer. Und Lahm, Schweinsteiger, van Bommel oder Olić unterliefen Fehler, wie sie am Ende der vergangenen Saison kaum vorstellbar waren. Nein, auch nach dem geglückten Start in die Champions League haben die Bayern noch nicht wieder die alte Sicherheit zurück.

"Ich denke, dass wir unter diesen Umständen sehr gut gespielt haben." Louis van Gaal zog die Augenbrauen hoch. "Sie haben nur verteidigt, da ist es immer schwierig. Nach 70 Minuten konnte Rom nicht mehr laufen", erklärte der Bayern-Trainer. Und Thomas Müller assistierte dem Niederländer: "Wir haben sie kaputtgespielt." An der Kaputtheit der Italiener nach 70 Minuten hatte vor allem er Schuld. Der zuletzt kritisierte WM-Torschützenkönig spielte von Beginn an, als wollte er mit einer Energieleistung über das WM-Loch einfach hinwegspringen.

Als Einziger fand er zu Beginn der Partie hin und wieder eine Lücke in der massiven Abwehr des Gegners, erst auf der rechten Seite, in der zweiten Halbzeit dann auf der linken. Selbst nachdem er den Ball aus fünf Metern nicht über die Linie gebracht hatte - seinem ungläubig, fast erstaunten Gesichtsausdruck nach zu schließen ist ihm so etwas das letzte Mal in der C-Jugend passiert -, raffte Müller sich noch einmal auf: Der Lohn der Bemühungen war ein phantastisches, war das erlösende Tor in der 79. Minute, per Außenrist perfekt in die lange Ecke.

Thomas Müller ist das unerschrockene, in Drachenblut gebadete Kind, das berühmt geworden ist mit einer Gabe, die man nicht trainieren kann. Das "Torriecher" zu nennen, klingt fast zu profan.

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Zwei weitere Sorgenkinder van Gaals machten 116 Tage nach der finalen Niederlage von Madrid einen Schritt nach vorne. Toni Kroos, der von Beginn an offensiv in zentraler Position spielen durfte, verteilte die Bälle geschickt und suchte vor allem in der zweiten Hälfte den Abschluss. Die italienische Abwehr wurde von den immer leidenschaftlicher attackierenden Münchnern mürbe geschossen. Kroos hatte daran großen Anteil. Genau wie der eingewechselte Miroslav Klose, der das 2:0 (83. Minute) erzielte. Der 32-Jährige wirkte agil, kämpferisch und nutzte damit seine Chance - im Gegensatz zu Mario Gomez.

Das Spiel gegen Rom war ein Schritt wieder hin zum Van-Gaal-Fußball, zur Dominanz durch Ballbesitz (mehr als 70 Prozent), Kurzpassspiel und daraus entstehenden Chancen. Doch den tatsächlich wenig schönen Begriff Stolperstart in München bereits einzumotten, erscheint zu mutig. Es folgen jetzt im Drei-Tages-Rhythmus die Spiele gegen Köln, Hoffenheim, Mainz, Basel, Dortmund. Erst danach, nach dem Oktoberfest, ist es Zeit für ein erstes Fazit - und das Spiel gegen Rom schon lange wieder vergessen.

In die U-Bahn hatte sich vor dem Spiel auch eine Gruppe junger Männer aus Gelsenkirchen gedrückt. Schalke-Fans. "Was haben die denn alle, bei uns würden da noch viel mehr reingequetscht", lachte einer. "Hier geht es eben etwas feiner zu", bekam er zur Antwort. Ihre Probleme gegen die der Bayern einzutauschen, das wäre ihnen wohl auf Schalke zurzeit ganz recht.

Wäre da nicht diese eine Geschichte, wegen der Karl-Heinz Rummenigge den Sieg gegen Rom schon wenige Minuten nach dem Spiel zur Nebensache degradierte. Denn ein anderer Kampf auf europäischer Ebene bringt ihn gerade sehr in Rage. Es geht um Verleumdung, den Vorwurf der Bestechung gegen den FC Bayern, um gestreute Gerüchte, die sich um Razzien bei Funktionären des Klubs und Kokainfunde drehen (Nähere Informationen hier).

Der FC Bayern hat deshalb Strafanzeige und Strafantrag gegen zwei Uefa-Mitarbeiter gestellt. "Ich gehe davon aus, dass sowohl die Staatsanwaltschaft in München als auch die Uefa diesen Fall jetzt lückenlos aufklären werden", echauffierte sich der Bayern-Chef. "Es geht hier nicht um Kinkerlitzchen." Es klang fast ein bisschen wie: Nicht um ein Kinkerlitzchen wie Rom.

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