Champions League:FC Bayern hofft auf Hoeneß' Aura

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Die Partie des FC Bayern in Rostow ist die letzte vor der Rückkehr von Uli Hoeneß - doch welchen Einfluss wird der Präsident danach haben?

Von Benedikt Warmbrunn, Rostow/München

Ein stahlblauer Himmel empfing den FC Bayern, und auch das war nicht unwichtig in einer Woche, in der alles darauf geprüft wird, ob es sich zum Guten für den Verein fügt. Die Spieler ließen sich von dieser Kulisse jedoch nicht täuschen, sie verließen das Flugzeug dick verpackt. Nicht aus der Maschine stiegen Manuel Neuer, Javier Martínez, Arturo Vidal, Arjen Robben und Kingsley Coman, sie alle werden im vorletzten Spiel der Gruppenphase der Champions League an diesem Mittwoch (18 Uhr) fehlen.

Und auch Uli Hoeneß stieg nicht aus.

Auf den ersten Blick wirkt die Partie des FC Bayern bei FK Rostow unscheinbar, die Gäste sind der klare Favorit beim Gruppenletzten, der bisher nur einen Punkt gewonnen hat; um den Sieg in der Gruppe D geht es dann ohnehin erst am letzten Spieltag Anfang Dezember, wenn der FC Bayern Atlético Madrid empfängt. Und dennoch ist dieses Spiel im Süden Russlands ein Spiel voller Symbolkraft, voller Sehnsucht, voller Geschichtsträchtigkeit. Weil Uli Hoeneß nicht mit ihm Flugzeug saß.

An diesem Freitag stellt sich Hoeneß bei der Jahreshauptversammlung des Vereins zur Wahl für das Amt des Präsidenten, aller Voraussicht nach wird er diese gewinnen. Die Frage ist eher, ob er ein sehr gutes Ergebnis erzielen wird (mehr als 95 Prozent), ein gutes (mehr als 90) oder eines, über das schnell keiner mehr sprechen wird (weniger als 90 Prozent). Und dann ist die Frage, ob sich allein durch die Wahl von Uli Hoeneß ins Präsidentenamt alles zum Guten für den FC Bayern fügt.

Im Frühjahr 2014, nachdem er wegen Steuerhinterziehung zu einer Haftstrafe verurteilt worden war, trat Hoeneß als Präsident des e. V. sowie als Vorsitzender des Aufsichtsrats der FC Bayern München AG zurück - seine Rückkehr fällt ausgerechnet in jene Woche, in der es beim FC Bayern so turbulent zugeht wie in keiner anderen Woche seit Hoeneß' Rückzug. Die Niederlage in Dortmund, verbunden mit dem Verlust der Tabellenführung, war ja kein plötzlicher Schock, es war ein Szenario, das seit Wochen denkbar gewesen ist.

Im Verein erwarten die meisten, dass Hoeneß auch den Vorsitz im Aufsichtsrat übernehmen wird

Ein bisschen ist der FC Bayern der vergangenen Jahre innerhalb weniger Wochen in sich zusammengefallen. Und nun kehrt der Mann zurück, der den Verein aufgebaut hat, das allein müsste doch wieder alles zurück zum Guten fügen - oder?

In Rostow wird Hoeneß noch nicht helfen können, aber von Freitag an wird er mehrere Wege haben, um sich Einfluss zu verschaffen. Eine Lücke zumindest wird Hoeneß, 64, problemlos und unmittelbar füllen, es ist die Lücke, die sich etwas esoterisch beschreiben lässt: als Aura. Jahrzehntelang hatte Hoeneß den Verein lebendig gehalten, indem er geschimpft hatte, gelobt, geschützt, indem er der Öffentlichkeit immer wieder Stoff für Debatten geliefert hatte.

Bis zum Sommer hatte diese Rolle Pep Guardiola übernommen, der Trainer war mal sensibel, mal war er wütend, mal war er rührselig, doch immer war er einer, an dem sich Freunde und Feinde des Klubs abarbeiten konnten. Carlo Ancelotti, sein Nachfolger, ist da trockener, höflicher - was er erzählt, gerät schnell in Vergessenheit. Diese Präsenz wird Hoeneß wichtig sein, beim Flug zur nächsten Auswärtspartie in der Champions League dürfte er wieder mit in der Maschine sitzen.

Diese Aura könnte Hoeneß auch helfen, um bald wieder als derjenige zu gelten, den die Leute hören wollen. Offiziell hält ihn das Amt des Präsidenten ja aus dem Tagesgeschäft heraus, um dieses kümmert sich der Vorstand um den Vorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge.

Als Präsident des e. V. steht Hoeneß mit seinen beiden ebenfalls zur Wahl stehenden Vizepräsidenten, dem Notar Dieter Mayer und dem Unternehmer Walter Mennekes, zunächst dem Stammverein vor; dort bestimmt er, ob die Mitgliedsbeiträge gesenkt werden, er kann entscheiden, wie sehr sich die Zuwendungen für die einzelnen Abteilungen verändern, und wenn eine Abteilung, zum Beispiel die Tischtennisabteilung, in eine neue Halle umziehen soll, dann müsste auch dies das Präsidium entscheiden.

An der ausgegliederten Fußballabteilung, der FC Bayern München AG, hält der e. V. 75 Prozent, diesen Einfluss macht er geltend, indem er zwei der neun Aufsichtsräte stellt; neben Hoeneß wird dies Mayer als 1. Vizepräsident sein. Die beiden werden den Statuten entsprechend automatisch entsandt - ob einer der beiden auch den Vorsitz des Aufsichtsrats übernimmt, entscheidet sich bei der nächsten Sitzung im Januar, bei der die neun Mitglieder den Vorsitzenden wählen werden.

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Ob Hoeneß den Vorsitz im Aufsichtsrat übernehmen wird, dazu hat er sich noch nicht offiziell geäußert

Bisher war der Präsident des e. V. stets auch der Vorsitzende des Aufsichtsrats, mit kurzzeitiger Unterbrechung nach Hoeneß' Rücktritt, als Herbert Hainer, der Adidas-Vorstandsvorsitzende, den Aufsichtsrat leitete. Ob Hoeneß den Vorsitz übernehmen wird, dazu hat er sich noch nicht offiziell geäußert. Auch im Verein sind sie sich nicht sicher, gehen aber davon aus. Dies wäre "formell logisch", sagt einer.

Der Aufsichtsrat jedenfalls entscheidet auch über die großen Themen der Profifußballer, da wäre Hoeneß wieder nahe am Tagesgeschäft. Sollte zum Beispiel ein Sportvorstand eingestellt werden, müsste diesen der Aufsichtsrat berufen. Auch Transfers ab einer bestimmten Summe muss der Aufsichtsrat bewilligen, zuletzt lagen die meisten Verpflichtungen in dieser zustimmungspflichtigen Größenordnung.

Am Münchner Flughafen sagte Rummenigge am Dienstag noch, das "wichtige Spiel diese Woche" finde am Samstag zu Hause gegen Leverkusen statt: "Wir werden jetzt Jagd machen, wollen schnell wieder Tabellenführer werden." Es waren Sätze, wie sie auch Hoeneß gerne gesagt hat, wie er sie vielleicht auch bald wieder sagen wird. Und sollte der FC Bayern einen Tag nach Hoeneß' Rückkehr wieder auf dem ersten Platz stehen, dann wäre ja wieder einiges zum Guten gewendet, so schnell geht das manchmal in der Welt dieses Vereins.

© SZ vom 23.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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