Bayer Leverkusen in der Champions League:Im Bummelzugtempo durch Europa

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Auch Handauflegen bringt bislang nichts: Stürmer Patrik Schick (rechts) war wieder weit davon entfernt, als Torjäger aufzufallen, zum Trost gab's Streicheleinheiten von Trainer Xabi Alonso. (Foto: Marius Becker/dpa)

Auch nach dem trüben 0:0 gegen Brügge steht Bayer Leverkusen vor der Frage, wohin die Leichtigkeit der vergangenen Spielzeit entschwunden ist. Das Remis rettet der Werkself immerhin das weitere internationale Startrecht.

Von Philipp Selldorf, Leverkusen

Während das Modell des Schlafwagens im Schienenbetrieb der Deutschen Bahn zuletzt wieder an Bedeutung gewonnen hat, ist der Fachbegriff "Schlafwagen-Fußball" noch nicht wieder in Mode gekommen. Am Dienstagabend in der Bayarena hätte er es aber verdient, aus dem Archiv der pensionierten Sportschau-Kommentatoren hervorgeholt zu werden. Knapp 30 000 Zuschauer sahen sich immer wieder Attacken bleierner Müdigkeit ausgesetzt, wenn Bayer Leverkusens Verteidiger während der ersten halben Stunde des Treffens mit dem FC Brügge den Ball zum Zweck des Spielaufbaus von hinten nach vorne trugen. Edmond Tapsoba, Jonathan Tah und Odilon Kossounou gingen regelmäßig in einem Tempo vor, welches das Spielfeld-Panorama als Standbild erscheinen ließ. Zwar beschleunigte die Bayer-Elf das Geschehen im weiteren Verlauf, doch das Schlussresultat gab den Charakter der Partie korrekt wieder: 0:0 endete der Fußball-Abend, der durch das Abspielen der Champions-League-Hymne mehr versprochen hatte.

Spitzenniveau brachten lediglich die Anhänger des belgischen Gastes ins Haus, die in großer Zahl angereist waren und in noch größerer Lautstärke Brügges erstmaliges Erreichen der K.-o.-Runde in Europas Eliteliga besangen. 23 Mal hat der Klub an Qualifikations- und Vorrunden teilgenommen, aber für ein Achtelfinale hat es bisher nicht gereicht. Für Bayer 04 wiederum ist das Achtelfinale der Champions League üblicherweise die Endstation, weshalb im Publikum immer wieder diskutiert wurde, ob man in der Gruppenphase nicht lieber vorsätzlich den dritten Rang anpeilen sollte, um mit besseren Chancen eine Klasse tiefer weiterzuspielen.

Nun wird Bayer den Betrieb tatsächlich in der Europa League fortsetzen, und die Verantwortlichen haben in den Schlussminuten einige Mühe aufgewendet, damit es dazu kommt. Während Cheftrainer Xabi Alonso in der Coaching-Zone stets präsent blieb, um seinen Leuten gestenreich zu signalisieren, dass sie die Deckung nicht vernachlässigen dürften, stürmten seine Assistenten gelegentlich von der Bank an die Linie, um die Maßgabe des Chefs noch mal persönlich an den einen oder anderen Mann zu bringen: Bloß nicht mehr durch offensive Ausflüge das Risiko eingehen, dass Brügge noch ein Tor schießt ... Sportchef Simon Rolfes begrüßte dieses Vorgehen: "Es war wichtig, dass wir das Spiel kontrollieren und zu null spielen", hob er hervor und sprach von einem "zielgerichtet stabilen Auftritt".

Bayers neue Bescheidenheit: "Aus defensiver Sicht war es eine Verbesserung", sagt Trainer Alonso

So konnte man es sehen. Das Erreichen der Europa League sei doch "zumindest ein positives Erlebnis", argumentierte der Geschäftsführer Fernando Carro, der es sich eigentlich zur Aufgabe gemacht hat, den Bayer-Fußballern die Genügsamkeit auszutreiben und sie vor höchste sportliche Ansprüche zu stellen. Zurzeit aber ist er mit deutlich weniger zufrieden. "Für die Moral extrem wichtig" sei das Remis vom Dienstag, meinte er, klang dabei aber genauso semileidenschaftlich, wie die Mannschaft sich im Spiel präsentiert hatte. "Aus defensiver Sicht war es eine Verbesserung", stellte Xabi Alonso fest, ebenfalls schon genügsam geworden. Ein merklicher Zugriff auf das Team ist dem großen Spanier noch nicht gelungen. Dass er als Trainer weniger Einfluss aufs Spiel hat denn einst als Spieler, das macht ihn sichtlich unfroh.

Immer noch wird also die Saison von der Frage beherrscht, wo sie hin ist, die Herrlichkeit der vergangenen Spielzeit. Das Tempo von Jeremie Frimpong und Moussa Diaby ist zwar noch vorhanden, aber daraus geht nichts Produktives mehr hervor. Auch Patrick Schick war wieder weit entfernt davon, als Torjäger aufzufallen. Er spielte außerhalb des Strafraums ordentlich mit, was jedoch eher Bemühen um Ersatzbefriedigung erkennen ließ. Zwei bis drei Torchancen erspielte sich Bayer, nicht mehr als die Belgier, die kurz nach der Pause die Latte trafen. Man sei "vielleicht einen Tick überlegen" gewesen, sagte der zumindest kämpferisch hervortretende Mittelfeldspieler Robert Andrich. Als stolzes Resümee wollte er das ausdrücklich nicht verstanden wissen.

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