Champions League:"Das ist eben Müller, der kann's"

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Das 3:0 gegen Besiktas war Müllers 42. Champions-League-Tor – nur Cristiano Ronaldo und Lionel Messi trafen in diesem Jahrtausend häufiger. (Foto: Peter Schatz/imago)
  • Beim 5:0 des FC Bayern gegen Beşiktaş ist Thomas Müller der Mann des Tages.
  • Nach seiner Seuchensaison unter Carlo Ancelotti scheint er wieder seine alte Form gefunden zu haben.
  • Auch für die Nationalmannschaft ist das keine schlechte Nachricht.

Von Benedikt Warmbrunn, München

Der Fußballjournalist ist gelegentlich auch nicht schwer zu durchschauen, gerade für einen pfiffigen Beobachter wie Thomas Müller. Der 28-Jährige gehört zu den Fußballern, die nach jeder Partie etwas erzählen, seine Stimmung versteckt er dabei nie. Ist Müller schlecht gelaunt, bekommen die Journalisten das zu spüren, durch bissige Antworten. Ist Müller gut gelaunt, bekommen sie es ebenfalls zu spüren, dann neckt Müller sie gerne. Am Dienstagabend stand der Angreifer des FC Bayern vor den Reportern, irgendwann sagte er: "Es greift noch nicht jedes Rad ins andere, sodass es nach Perfektion aussieht." Er hielt inne, schaute sich um, dann sagte er: "Ja, das schreibt ihr jetzt alle wieder auf."

Kurzes Gelächter unter den Journalisten. Dann schrieben sie das Zitat zu Ende.

Seine Tore waren voller Lockerheit und Spontanität - typische Müller-Tore eben

Ein neckischer Müller, das spricht für den Verlauf seines Abends, und so war es auch am Dienstag. Der FC Bayern hatte keinen perfekten Abend, aber einen, an dem die Mannschaft im Hinspiel des Champions-League-Achtelfinales 5:0 (1:0) gegen Beşiktaş Istanbul gewann, und er, Müller, der Kapitän, war der Mann des Abends.

Müller ist ja so etwas wie das laufende Stimmungsbarometer des FC Bayern, nicht nur wegen seiner Sprüche. Müllers Stimmung steigt mit seiner Form, und in den vergangenen Jahren ließ sich als Regel festhalten: Ist Müller gut gelaunt (also in guter Form), dann ist auch der FC Bayern in guter Form (also auch gut gelaunt).

Gegen Beşiktaş erzielte Müller zwei Tore, und wie er diese Tore erzielte, das verriet viel über seinen Gemütszustand. Beim 1:0 stand er eigentlich im Weg, aber weil David Alaba den Ball nicht gut traf, stand Müller doch genau richtig. Gedankenschnelle Drehung, knackiger Schuss, Tor. Beim zweiten Treffer, beim 3:0, stupste er den Ball artistisch hochwertig ins Tor, mit einem hochgestreckten Bein. Es waren typische Müller-Tore, voller Lockerheit, voller Spontanität, voller Verrenkungen. (Für das zweite Tor lieferte übrigens Müllers Frau Lisa, eine Reiterin, eine Erklärung: Sie postete ein Video, auf dem Müller, der Fußballer, und Filou, ein Dressurpferd, sich im Reitstall vor einem Pferdesolarium gegenüberstehen und mehr oder weniger synchron auf dem Boden aufstampfen, ähnlich Müllers Bewegung beim 3:0 - eine Geste, die zumindest in der Sprache der Pferde gleichzusetzen ist mit einem frechen Betteln nach Futter, das aber nur am Rande.)

Müller selbst sagte über seine Treffer: "Das waren richtige Torjäger-Tore, ein gutes Zeichen." Jupp Heynckes, sein Trainer, sagte: "Das ist eben Müller, der kann's."

Dieses Wissen hat Heynckes nicht exklusiv; dass nun aber wieder die gesamte Fußballwelt erkennt, dass es der Müller kann, an dieser Entwicklung ist der Trainer nicht unbeteiligt. Als er im Oktober vorgestellt wurde als neuer Trainer, sagte Heynckes: "Thomas Müller hat weit unter seinen Möglichkeiten gespielt."

Im zwischenzeitlichen Ruhestand hatte Heynckes zuvor das vielleicht unneckischste Jahr in Müllers Profikarriere gesehen. In der Saison 2015/16 hatte dieser noch 20 Tore in der Liga erzielt, dazu acht in der Champions League, es war das beste Jahr der Bayern unter Trainer Pep Guardiola. Im Halbfinale der Champions League, gegen Atlético Madrid, bündelten sich die Ereignisse in der Person von Müller. Im Hinspiel verzichtete Guardiola zunächst auf ihn, taktisch nachvollziehbar, allein: Das Spiel endete 0:1. Im Rückspiel verzichtete Guardiola auf Müller nicht mehr, drei Minuten nach dem 1:0 schritt der Angreifer zum Elfmeterpunkt, ein Treffer, und das Finale wäre verdammt nah gewesen. Müller verschoss. So begann sein Leidensjahr.

In der Saison danach, unter Trainer Carlo Ancelotti, erzielte Müller fünf Tore in der Liga, drei in der Champions League, zudem hatte er viele unglückliche Momente. Ende August 2017 saß er gegen Bremen nur auf der Bank, er schimpfte anschließend auf Ancelotti. So schlecht wie an jenem Abend ging es dem Fußballer Müller zuvor nur selten.

Seine Tore und Laufwege könnten noch wichtig werden in dieser Saison

Unter Jupp Heynckes hat Thomas Müller nun die Leichtigkeit wiedergewonnen, er weiß, dass der Trainer ihm vertraut, also vertraut Müller sich selbst und seinen Instinkten. Schon jetzt hat er so viele Tore erzielt wie in der gesamten vergangenen Spielzeit.

"Mich freut's, dass er sich zurzeit für seinen großen Aufwand wieder belohnen kann", sagte Joshua Kimmich, "er war auch in der Zeit, in der er nicht viele Tore gemacht hat, brutal wichtig für uns, weil er einfach arbeitet, Laufwege anbietet, auch mal Laufwege macht, die für ihn selber nicht viel bringen, aber fürs Team sinnvoll sind." Ein Müller mit Torjäger-Toren und sinnvollen Laufwegen, das ist eine Kombination, die wertvoll werden könnte für den FC Bayern in dieser Saison, auch für die Nationalmannschaft bei der WM im Sommer.

Vielleicht hilft es Müller ja, weiterhin auch mit Filou die Bewegungsabläufe einzustudieren.

© SZ vom 22.02.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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