BVB in der Champions League:Ein Schwall von durchaus fachlicher Kritik

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Erlebte keinen wirklich erquicklichen Fußballabend: Dortmunds Kapitän Mats Hummels. (Foto: Bernd Thissen/dpa)

Nach dem unnötigen 1:1 gegen Sevilla bricht es aus Mats Hummels heraus. Er kritisiert seine Dortmunder Kollegen für die vielen Ballverluste - und fordert mehr "Spielintelligenz".

Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Mats Hummels hatte die Nase nach dem Abpfiff mal wieder gestrichen voll. "Es muss aus manchen Köpfen raus, dass erfolgreicher Fußball immer sexy und Hacke, Spitze, eins, zwei, drei auf fünf Metern ist", grantelte der Dortmunder Mannschaftskapitän vor den Fernsehkameras. Dass er damit mediales Aufsehen erregen würde, war ihm da - nach eigener Einschätzung - schon klar. Den 90 Minuten zuvor in der Champions League gegen den FC Sevilla musste man allerdings, im Vergleich zum 100 000-Volt-Spiel am Samstag in der Bundesliga gegen Bayern München (2:2), einen rapiden Spannungsabfall attestieren.

Mit dem müden 1:1 gegen Sevilla verschenkte Dortmund die große Chance auf eine Atempause, denn mit jedem noch so knappen Sieg wäre das Champions-League-Achtelfinale nach diesem vierten Spieltag bereits gesichert gewesen. Bei den restlichen beiden Gruppenspielen, in Kopenhagen und gegen Manchester City, hätte der BVB Kräfte sparen und rotieren können, weil die Qualifikation fix gewesen wäre. So bleibt es zwar bei komfortablen fünf Punkten Vorsprung auf Sevilla - aber uneinholbar sind die Dortmunder nicht.

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Hummels rumpelte sich deshalb durch das Spielschluss-Interview und wollte so einiges loswerden in Richtung seiner Mitspieler: "Einer hat mal gesagt, dass ein guter Spieler immer das Richtige macht und nicht nur manchmal das Besondere. Dass er immer die richtigen Lösungen findet und die Übersicht behält." Der 33-Jährige, der beim BVB nicht mehr allzu viele Anläufe zu neuen Titeln übrighaben dürfte, hatte schon früher häufiger "Erwachsenenfußball" von seinen Kollegen gefordert.

Nach dem laschen, oft unkonzentrierten Auftreten gegen das Team aus Südspanien, das die Borussen im Hinspiel sechs Tage zuvor mit 4:1 sicher geschlagen hatten, war es bei Hummels mal wieder so weit. Und trotz heiserer Stimme, nach gerade überstandener Erkältung, ließ der Abwehrchef seiner Entrüstung freien Lauf.

Hummels wollte nur einen von seiner Kritik ausnehmen: Jude Bellingham

Auf die Frage, warum sich ähnliche Fehler bei Dortmund so stetig wiederholen, schnappte er bissig: "Spielintelligenz! Wir haben immer wieder Ballverluste gehabt, weil wir den Ball immer wieder in enge Räume reingespielt haben. Statt sie laufen zu lassen. Fußball ist eigentlich ein einfaches Spiel, aber wir machen es immer kompliziert."

Vor den Augen des im Stadion zuschauenden Bundestrainers Hansi Flick hätte der WM-Kandidat Hummels wohl allzu gerne eine bessere Leistung vorgeführt, so wie es die Kollegen in der zweiten Halbzeit gegen die Bayern getan hatten, als Hummels zur Pause wegen Kreislaufproblemen ausgewechselt werden musste. Dieses Mal musste Hummels befürchten, dass die Schwäche seiner Kollegen auf ihn zurückfallen würde. "Wir haben kein gutes Spiel gemacht. Allein nach der Halbzeit haben wir bestimmt zwanzig Bälle verloren und das Spiel komplett offen werden lassen", sagte Hummels also: "Und das gegen einen so verunsicherten Gegner. Alles, weil wir so viele Ballverluste haben, um es mal vorsichtig zu formulieren."

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Hummels wollte namentlich nur einen von seiner Kritik ausnehmen: Jude Bellingham. Der 19-Jährige hatte schon während des Spiels mehrmals Unmutsgesten nach leichtfertig vergebenen Möglichkeiten gezeigt. Normalerweise gilt das als Verstoß gegen die Etikette in Profimannschaften, Hummels aber konnte die Laune von Bellingham gut verstehen: "Jude will immer gewinnen, in jedem Training, in jedem Spiel. Er investiert enorm viel, wir alle lieben diesen Jungen." Bellingham hatte immerhin das Ausgleichstor für Dortmund erzielt - und es vorher auch noch selbst vorbereitet.

In seinem Schwall von durchaus fachlicher Kritik belobigte Hummels seinen jungen englischen Kollegen auffallend: "Dass er mit 19 Jahren gewisse Energien hat, die er manchmal noch ein bisschen kanalisieren muss, ist völlig normal. Ich hätte diese Energien auch gerne noch mal. Aber ganz im Ernst, wenn einer - der jede Spielminute diese Saison gespielt hat - jede Minute versucht zu gewinnen, zu investieren für die Mannschaft, dann darf er dabei auch mal meckern. Dann darf er dabei auch mal falsche Entscheidungen treffen." Er habe lieber einen wie Bellingham, der "fünfmal meckert", als einen, der nie etwas sage.

Der nächste Härtetest folgt am Sonntag beim Tabellenführer Union Berlin

Tatsächlich konnte man kaum einen Borussen an diesem Abend von Hummels' wilder Kritik ausnehmen. In der Kabine, so war zu hören, soll das Donnerwetter weitergegangen sein. Dortmunds Trainer Edin Terzic wird an der am Ende zugrunde liegenden Mentalitätsdebatte beim BVB weiter zu arbeiten haben. Die inzwischen lange Geschichte von verschenkten Möglichkeiten durch eigene Nachlässigkeit oder, wie Hummels in den Raum stellte, mangelnde Spielintelligenz setzte sich gegen Sevilla fort. Terzic selbst hatte eine sanfte Rotation versucht, um seinen erschöpft wirkenden Spielern Youssoufa Moukoko und Raphaël Guerreiro Verschnaufpausen zu gönnen.

Doch auch das klappte nicht recht. Vor allem an Mittelstürmer Anthony Modeste, am Samstag noch Held des Tages mit seinem späten Tor gegen die Bayern, lief das Spiel erneut völlig vorbei. Seine Stärken im Strafraum versuchten die Mitspieler gar nicht erst mit Flanken zu unterfüttern. Das Fazit aus Dortmunder Sicht: Ein Bellingham alleine reicht nicht. Und der nächste Spielintelligenz-Test kommt schon am Sonntag - beim Liga-Tabellenführer Union Berlin, der für clevere Taktik besonders bekannt ist.

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