Champions League:Brisante Verhöre in Tatarstan

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Stürmer ohne Ball: Sardar Azmoun (links) von FK Rostow muss beim Hinspiel in München dem FC-Bayern-Verteidiger Mats Hummels nachlaufen. (Foto: Eisenhuth/imago)
  • Der FC Bayern spielt um 18 Uhr deutscher Zeit im russischen Rostow um den Gruppensieg in der Champions League.
  • Den FK Rostow beschäftigt aktuell der Transfer des iranischen Angreifers Sardar Azmoun. Rubin Kasan sieht ihn immer noch als ihren Spieler an.
  • Im vergangenen Winter orderte der Klub eine große Ladung des Herzmedikaments Meldonium, das kurz darauf verboten wurde.

Von Johannes Aumüller, Rostow am Don

Kurz vor dem Spiel am vergangenen Wochenende erhielt die Delegation von FK Rostow ungewöhnlichen Besuch. Als die Mannschaft vor der Auswärtspartie bei Rubin Kasan in einem Hotel der tatarischen Hauptstadt logierte, kamen auf einmal Beamte der regionalen Ermittlungsbehörden vorbei. Es hat hinterher recht unterschiedliche Darstellungen gegeben, welche Vertreter des Klubs aus Rostow genau sie sprechen wollten.

Aber in jedem Fall ging es dabei um Nachforschungen zu einer der ungewöhnlichsten Transfergeschichten dieses Sommers: um den Wechsel des talentierten iranischen Angreifers Sardar Azmoun, den sie in seiner Heimat in üblicher Übertreibung als "iranischen Messi" lobpreisen und den diverse Scouting-Abteilungen westeuropäischer Klubs bis hin zum FC Liverpool auf dem Zettel haben sollen.

Der FK Rostow, an diesem Mittwoch Gegner des FC Bayern in der Champions League, ist ein Klub, der immer wieder eigentümliche Geschichten produziert. Wie bei diversen Vereinen aus der russischen Provinz bringt den Hauptteil des Budgets kein reicher Oligarch auf, sondern die Regionalregierung. Seit Jahren ist der Klub finanziell angeschlagen, schon des Öfteren mussten die Spieler längere Zeit auf ihre Gehälter warten. Dafür zwackte im Gegenzug ein Funktionär im Rahmen eines Transfers genügend Geld ab, um sich damit eine Immobilie in Spanien zu kaufen.

Im vergangenen Frühjahr deckten zudem mehrere Medien mitten im Meisterschaftskampf auf, dass die überraschend (lauf)starken Rostow-Profis noch im Dezember 2015 eine große Ladung des Herzmedikamentes Meldonium geordert hatten - das im Januar auf die Dopingliste rückte. Die Fifa ordnete daraufhin eine Großkontrolle an, alle elf Spieler testete sie, alle elf waren negativ. Meldonium sei schon im Oktober abgesetzt worden, hieß es; warum es noch Wochen später den Nachschub brauchte, erschloss sich nicht.

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Und derzeit also beschäftigen den Klub maßgeblich die Vorgänge zum Transfer ihres Vorzeigespielers Azmoun. Bei Spielerwechseln ist schon allerhand Ungewöhnliches passiert, gerade in Russland. Dass aber kurz vor einer wichtigen Ligapartie die staatlichen Ermittlungsbehörden ins Hotel einrücken, ist selbst für russische Verhältnisse speziell.

Der Fall ist nicht ganz einfach - und mittlerweile ein großes Theater. Von 2013 bis 2015 spielte Azmoun mit eher mäßigem Erfolg für Rubin Kasan. Danach lieh ihn der Klub aus Tatarstan für ein Jahr an den Rivalen Rostow aus, wo Azmoun plötzlich Qualitäten zeigte und im Vorjahr mit seinen Toren und seiner Spielweise erheblichen Anteil am überraschenden zweiten Platz sowie der Qualifikation für die Champions League hatte. So weit, so gut, doch als die Leihzeit zu Ende war, begann der Streit. Azmoun kam zwar für eine Fotosession noch mal nach Kasan, blieb dann aber einfach in Rostow am Don.

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Der Klub erklärt das mit einer Zusatzvereinbarung, nach der Rostow Azmoun für 2,5 Millionen Dollar auslösen habe können. Aber erstens war das Kasans Verantwortlichen zu wenig, zweitens floss angeblich bislang nicht einmal diese Summe, weshalb sie in Kasan den Iraner weiterhin als ihren Spieler betrachten. Also schaltete der Verein den Weltverband Fifa ein, der ihm zunächst Recht gab.

Die Rostower wandten sich danach an den Internationalen Sportgerichtshof Cas, der es ihnen im letzten Moment erlaubte, Azmoun für Spiele der Champions League vorläufig zu nominieren. Dafür zweifelt Kasan inzwischen die Echtheit des neuen Arbeitsvertrages an, und als vorläufiger Höhepunkt des Hickhacks kamen am vergangenen Wochenende die staatlichen Ermittler zu Verhören vorbei - wobei es fürs rasche Erscheinen der Beamten wohl nicht abträglich war, dass hinter Kasan wie hinter Rostow die Regionalregierung steckt.

Weder juristisch noch sportjuristisch ist der Fall abgeschlossen, er dürfte noch einige Kreise ziehen. Aber viele gehen ohnehin davon aus, dass Azmoun im kommenden Jahr weder bei Rubin noch bei Rostow auflaufen wird - sondern bei einem starken westeuropäischen Klub. Wer auch immer das sein mag, er muss aber davon ausgehen, bei Fragen der Vertragsgestaltung und vor allem der Überweisung der Ablöse-Millionen in eine heftige Auseinandersetzung zweier russischer Provinzklubs zu geraten.

© SZ vom 23.11.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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