Champions League: Bayern siegt:"Das hat Spaß gemacht!"

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Nach dem Sieg gegen Lyon diskutiert der FC Bayern über die taktischen Finessen des Trainers, die rote Karte von Ribéry und die gespaltene Persönlichkeit des Arjen Robben.

Jürgen Schmieder, Fröttmaning

Um die Lautstärke an einem Ort zu verdeutlichen, wird gemeinhin der Vergleich mit einem startenden Flugzeug herangezogen. Das ist grundsätzlich schwierig, weil kaum jemand neben einem Flugzeug steht, wenn es startet - und in den vergangenen Tagen war es noch schwieriger, weil in ganz Europa kaum ein Flugzeug gestartet war. Vielleicht kann deshalb künftig als Maßeinheit die 40. Spielminute beim Halbfinale der Champions League zwischen dem FC Bayern und Olympique Lyon herangezogen werden.

Vater rüffelt bockigen Sohn: Louis van Gaal nimmt sich Arjen Robben vor. (Foto: Foto: AFP)

In diesem Moment betrat Lyons Stürmer Lisandro Lopez das Spielfeld und die Pfiffe des Publikums waren so laut, als würden alle Flugzeuge, die derzeit am Münchner Flughafen herumstehen, gleichzeitig die Turbinen anwerfen. "So etwas habe ich noch nie erlebt", sagte Thomas Müller nach dem Spiel. Drei Minuten zuvor war Franck Ribéry dem Argentinier böse auf den Fuß getreten und des Feldes verwiesen worden. "Es war eine harte Entscheidung", sagte Müller - und fügte wie fast alle Kollegen an: "Aber man kann diese rote Karte geben."

Mit dem Platzverweis wurde aus dieser Partie, die als Ribéry-Spiel - der Franzose spielte auffälliger als sein Pendant Arjen Robben - begonnen hatte, ein Trainer-Spiel. Der FC Bayern gewann diese erste Partie gegen Olympique Lyon nicht nur deshalb mit 1:0, weil der formidabel agierende Bastian Schweinsteiger seine Kollegen immer wieder nach vorne trieb oder weil Arjen Robben seine Gewohnheit fortsetzte, wichtige Tore zu erzielen. Der FC Bayern war in dieser Partie vor allem deshalb erfolgreich, weil Trainer Louis van Gaal taktisch herausragende Entscheidungen traf.

Auf die Hinausstellung von Ribéry reagierte er während der Halbzeitpause, er nahm den Stürmer Ivica Olic vom Feld und ersetzte ihn durch den defensiven Anatolij Timoschtschuk. Aus einem 4-4-2-System wurde eine 4-2-2-1-Formation, van Gaal verlieh seiner Mannschaft durch diesen Tausch Stabilität und sorgte gleichzeitig dafür, dass der FC Bayern trotz Unterzahl stets Druck auf den Gegner ausüben konnte. "Nach der roten Karte war Feuer drin, das hat richtig Spaß gemacht", sagte Thomas Müller. Philipp Lahm ergänzte: "Wir haben es geschafft, dass Lyon 90 Minuten lang keine Torchance hatte. Zum einen, weil die Abstände zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen stets gering waren. Zum anderen haben wir zahlreiche Gelegenheiten herausgespielt."

Schon vor Ribérys Herunterstellung durften die Statistiker ein halbes Dutzend brauchbarer Gelegenheiten notieren, die unglücklich (Schweinsteiger, Ribéry), ungestüm (van Buyten, Olic) oder unüberlegt (Müller) vergeben wurden. Auch in Unterzahl erspielte, ja erspielte, sich der FC Bayern Gelegenheiten - die wiederum unglücklich (Pranjic) oder unüberlegt (Müller) vergeben wurden. "Vielleicht hätten wir höher gewinnen müssen", sagte Lahm. "Aber wenn mir vor dem Spiel jemand das 1:0 angeboten hätte, dann hätte ich sofort unterschrieben."

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Dass es zu diesem Wunschergebnis kam, lag an der zweiten taktischen Umstellung von Louis van Gaal, die ebenso formidabel war wie die erste. Als der Lyoner Verteidiger Jérémy Toulalan in der 54. Spielminute die gelb-rote Karte sah, rannte van Gaal sogleich die Seitenlinie hinunter zu Mario Gomez und redete lange auf ihn ein. Dann wechselte er den Stürmer ein und nahm dafür Defensivspieler Danijel Pranjic vom Feld. Plötzlich stand da eine 4-2-3-Formation und in manchen Momenten wirkte das Spiel nun wie eine Powerplay-Situation beim Eishockey.

Aus einem dieser wohlüberlegten Angriffe entstand schließlich der Siegtreffer für den FC Bayern in der 70. Spielminute - wobei sich Arjen Robben überlegen sollte, sich diesen Begriff markenrechtlich zu sichern. Sein Schuss aus 25 Metern wurde noch leicht touchiert von Thomas Müller, der jedoch keine Besitzansprüche auf das Tor anmeldete. "Ich habe den Ball berührt, aber der Treffer gehört Arjen", sagte Müller. "Ich wollte eigentlich noch zum Friseur, hatte aber keine Zeit. Das war anscheinend gut so."

Nicht nur das Ergebnis sorgt beim FC Bayern nun für Zuversicht, sondern vor allem die wahrlich überzeugende Leistung. "Diese Mannschaft hat eine tolle Moral gezeigt", sagte Präsident Uli Hoeneß. "Wenn sie diesen Glauben an sich auch beim Rückspiel hat, dann kann sie Berge versetzen." In Lyon werden Mark van Bommel und Holger Badstuber in den Kader zurückkehren, allein Ribéry und Pranjic (dritte gelbe Karte) werden wohl gesperrt bleiben.

Nach dem Siegtreffer folgte die dritte Aktion des Louis van Gaal, mit der er diese Partie prägte. Er scheute das Risiko, seine Mannschaft weiterstürmen zu lassen gegen einen angeschlagenen Kontrahenten - statt dessen nahm er Robben vom Feld, für ihn kam Hamit Altintop. "Ich muss das verantworten", sagte van Gaal. "Und ich war mit dem 1:0 sehr zufrieden." Eine Meinung übrigens, die fast alle seine Spieler teilten. "Wichtig war, dass wir kein Tor kassieren gegen einen starken Stürmer und zwei flinke Außenspieler", sagte Philipp Lahm.

Nur Arjen Robben war über den Tausch gar nicht erfreut. Er führte sich auf, wie ein Kleinkind sich aufführt, wenn man ihm sagt, dass es aus dem Sandkasten kommen soll, weil die Spielzeit nun vorbei ist. Wütend stapfte er zur Seitenlinie und wollte seinem Trainer gar den Handschlag verweigern. "Ich konnte die Auswechslung nicht verstehen. Ich will immer gewinnen und ich hatte das Gefühl, dass ich noch ein Tor hätte schießen können", sagte Robben nach dem Spiel - wo er sich übrigens verhielt wie ein Kleinkind, das von seinem Vater gesagt bekommen hat, wie man sich zu benehmen hat. "Das war eine unprofessionelle Reaktion von mir, ich hätte das nicht machen dürfen", sagte er.

Louis van Gaal nämlich hatte Robben noch an den Seitenline verfolgt, ihn am Kragen gepackt und ihn zurechtgewiesen. "Er hat mir gesagt: So etwas kannst du nicht machen! Die Mannschaft ist wichtiger als du", sagte Robben. Van Gaal ist eben nicht nur ein formidabler Taktiker, sondern auch der Vater einer fast familiären Mannschaft. Und so ein Vater muss seine Kinder auch mal zurechtweisen. Die Lautstärke seines Rüffels für Robben könnte man übrigens mit der 40. Spielminute vergleichen. Aber nur fast.

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