Champions-League-Aus für Barcelona:Alt und abgenutzt

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Aus im Viertelfinale: Neymar am Boden (Foto: Getty Images)

Messi ist fußfaul, Neymar zielt daneben: Der FC Barcelona verpasst erstmals seit 2007 das Halbfinale der Champions League. Dort steht stattdessen der kleinere Madrider Klub Atlético. Die spanische Presse ruft sogar das Ende einer Epoche aus.

Von Lisa Sonnabend

Nur 6,8 Kilometer war Lionel Messi in 90 Minuten gelaufen. Atlético Madrids Koke fast doppelt so weit. Messi rannte am Mittwochabend nicht über den Platz. Er trabte, schlenderte herum und manchmal stand er bewegungslos im Strafraum und wartete einfach nur darauf, dass etwas passierte. Doch es passierte nichts. Der FC Barcelona schied nach einem 0:1 gegen Atlético verdient im Viertelfinale der Champions League aus. Der fußfaule Messi wurde zu einem Symbol der Niederlage.

Erstmals seit 2007 steht der FC Barcelona damit nicht im Halbfinale der Königsklasse. Bereits im vergangenen Jahr, als der FC Bayern im Halbfinale sieben Tore gegen Barcelona schoss, wurde deutlich, dass die Katalanen nicht mehr die alles dominierende Mannschaft in Europa sind. Doch das Aus im Viertelfinale - ausgerechnet gegen einen Konkurrenten aus der eigenen Liga - trifft das Team von Gerardo Martino heftig.

"Barcelona sieht alt und abgenutzt aus", schreibt El País, die größte spanische Zeitung, am Tag danach. Nach dem "majestätischen Zyklus" habe der Verein es sich viel zu bequem gemacht. Die Zeitung blickt bereits zurück: "Was bleibt, ist das fabelhafte Vermächtnis." El Mundo Deportivo will sich nicht festlegen, doch auch sie mutmaßt: "Die Niederlage könnte historisch sein." El Mundo aus Madrid wird noch deutlicher: "Eine unvergessliche Epoche im Fußball geht zu Ende."

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Tatsächlich hatte der FC Barcelona, der im Estadio Vicente Calderón auf dem Platz stand, nur wenig gemein mit jener Mannschaft, die 2006, 2009 und 2011 die Champions League gewann. Atlético spielte schwungvoll, aufgedreht, fast rauschhaft. Nach fünf Minuten hämmerte Koke den Ball ins Tor, insgesamt traf Atlético in dieser Phase drei Mal Pfosten oder Latte. Es fiel gar nicht auf, dass der gefährlichste Stürmer der Mannschaft, Diego Costa, verletzt fehlte. Barça fand kein Gegenmittel gegen die kompakt stehenden Madrilenen, allein Brasilianer Neymar zeigte ab und an, was er drauf hat. Doch seine zwei gefährlichen Kopfbälle gingen knapp am Tor vorbei.

"Wir hatten nie die Möglichkeit, einmal vier, fünf Pässe zu spielen, um die Partie zu gestalten", klagte Trainer Martino nach der Partie: "Das Ausscheiden ist ein Fiasko." Atléticos Trainer Diego Simeone übertrieb nicht, als er sagte: "Nach dem Tor hatten wir das Spiel komplett im Griff." Nach Schlusspfiff machten sich Barcelonas Spieler mit hängenden Schultern auf, um dem Gegner zu gratulieren. Dann verschwanden sie sofort in der Kabine, während die Atlético-Spieler am Mittelkreis auf und ab hüpften.

Zwei Mannschaften aus Madrid stehen nun im Champions-League-Halbfinale, der Konkurrent aus Barcelona darf nur zuschauen. Auch in der spanischen Liga steht Atlético an der Spitze, wenn auch nur knapp vor Barcelona und Real. In der vergangenen Saison gewannen die Katalanen in der Primera División noch mit Leichtigkeit, 15 Punkte Vorsprung hatten sie nach dem letzten Spieltag.

Dem Messi-Vertrauten Martino ist es in den vergangenen Monaten nicht gelungen, das auf Ballbesitz angelegte Spiel der Katalanen weiterzuentwickeln. Es führt nicht mehr zum Erfolg, die Gegner wissen längst, wie sie es knacken können. Zwar ist das Team mit dem fast 100 Millionen Euro teuren Neymar üppig verstärkt worden, doch das Offensivduo Messi und Neymar verbreitet nicht so viel Schrecken wie erhofft. Gerüchte um eine Entlassung von Trainer Martino wurden bislang allerdings stets dementiert.

Nach 40 Jahren steht Atlético erstmals wieder in einem Halbfinale der Königsklasse. 1974 gelang dem Team sogar der Einzug ins Finale. Damals war am Ende eine Mannschaft aus Deutschland zu stark für die Spanier: Der FC Bayern. Wo der Weg diesmal endet?

Wer in den vergangenen sechs Jahren den FC Barcelona aus der Champions League beförderte, gewann diese auch. Sonderlich zu interessieren scheint sich bei Atlético allerdings niemand für solche Statistiken. Torschütze Koke machte dies nach dem Spiel nur allzu deutlich. "Mit dieser Begeisterung", sagte Koke, "ist es unmöglich, ein Spiel zu verlieren."

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