BVB-Trainer:Vielleicht ist Tuchel doch der Beste

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Der Dortmunder Trainer Thomas Tuchel gestikuliert. (Foto: dpa)

Gegen Leipzig beweist der BVB-Trainer mit mutigen Entscheidungen seine Qualität. Dortmund kann froh sein, Tuchel zu haben.

Kommentar von Sebastian Fischer

Es lohnt aus vielerlei Hinsicht, an die Karriere des früheren deutschen Zweitligatrainers Uwe Klimaschefski zu erinnern. Zum einen weil Klimaschefski ein Meister der Sprüche war, wie sie Fußballtrainer heutzutage nur noch selten sagen. Klimaschefski lobte einmal die schönen 50-Meter-Pässe seiner Spieler, um sich selbst die Pointe aufzulegen und zu präzisieren: "fünf Meter weit, 45 Meter hoch". An diesem 19. Spieltag der 54. Bundesliga-Saison ist allerdings eine andere Anekdote relevant. Klimaschefski war einst genau fünf Tage lang Trainer des SV Darmstadt 98, kam an einem Montag, verlor ein Spiel an einem Mittwoch, trat an einem Freitag zurück. Der Darmstädter Präsident sagte damals, 1990: "Die Ereignisse dieser Woche sind ganz normale Vorgänge im Profigeschäft."

Manchmal tut das Profigeschäft auch im Jahr 2017 noch so, als sei der Irrsinn wirklich normal: Trainer schultern an einem Tag noch die Hoffnungen Tausender Anhänger, ein paar Tage oder Wochen später sind sie die Deppen. Sehr anschaulich konnte man das Anfangsstadium dieses Prozesses jüngst in Dortmund beobachten. Bei der Art und Weise, in der BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke Druck auf Trainer Thomas Tuchel ausübte, die Champions-League-Teilnahme einforderte und in jeglichen Interviews nicht unbedingt große inhaltliche Nähe zu seinem Trainer demonstrierte, konnte man als Beobachter schon mal vergessen, dass Tuchel einer der begabtesten, vielleicht der beste Trainer in Deutschland ist. Und dass der BVB ganz froh sein kann, ihn zu haben.

Die Vorgänge im Profigeschäft, sie lasteten auf Tuchel, das war am Samstagabend im Westfalenstadion deutlich zu sehen. Tuchel erlebte das für ihn so wichtige 1:0 seines BVB gegen RB Leipzig so emotional wie selten, schrie seine Freude heraus, gestikulierte, stichelte gegen einen Betreuer von RB Leipzig, der ihn provoziert hatte. Beinahe erinnerte er an seinen Vorgänger Jürgen Klopp, bis zu den Interviews nach dem Spiel. Man müsse in kleinen Schritten denken, wiegelte er die Frage ab, wie wichtig der Sieg gegen Leipzig denn nun sei. Nur: In kleinen Schritten denken, das gibt keine Beliebtheitspunkte, das macht im Fußball halt niemand.

Hätte Leipzigs Tor gezählt, hätten es die Tuchel-Kritiker wieder leicht gehabt

In Schalke wurde in der vergangenen Woche mal wieder das große Ganze in Frage gestellt, bis am Samstag Trainer Markus Weinzierl S04 zu einem beachtlichen Punktgewinn in München anleitete. Dieter Hecking, der Trainer des Jahres 2015, galt als zu altbacken für den VfL Wolfsburg - nun hat er Borussia Mönchengladbach die Spielfreude zurückgebracht, und Wolfsburg könnte so einen Hecking vielleicht doch ganz gut gebrauchen. Und auch Markus Gisdol hat mit der Fußballmannschaft des Hamburger SV mal wieder drei Punkte gewonnen, obwohl das zu den schwierigsten Aufgaben im Trainergeschäft zählt, weil Spieler des Hamburger SV oft 45 Meter hohe und fünf Meter weite Pässe spielen. Gisdol, Hecking, Weinzierl, Tuchel - vier Beispiele, die gegen grundsätzliche und vorschnelle Kritik sprechen.

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Nun ist das Fußballgeschäft höchst irrational; hätte Leipzigs Tor in der Nachspielzeit gezählt, hätten es die Tuchel-Kritiker nach einem 1:1 und elf Punkten Rückstand auf Leipzig und Platz zwei leicht gehabt. Nach dem Dortmunder Sieg aber hat sich der BVB zurückgemeldet, und nichts spricht dagegen, Tuchel zu loben: Seine Konsequenz, auf Mario Götze und André Schürrle zu Gunsten der formstärkeren Ousmane Dembélé und Raphael Guerreiro zu verzichten? Richtig. Dem Leipziger Pressing mit drei Innenverteidigern zu begegnen und mal wieder das System zu wechseln, von 4-3-3 zu 3-1-4-2? Mutig.

Tuchel wird in seiner Trainerkarriere wohl kein Klimaschefski werden, kein Meister der lustigen Sprüche; es wird immer Menschen geben, die ihn für einen nörgligen Fußball-Nerd halten. Allerdings: Jürgen Klopp, zum Beispiel, ist ein Meister der lustigen Sprüche - doch beim FC Liverpool, wo er 2017 nur eines von zehn Pflichtspielen gewann und am Samstag wieder verlor, hilft ihm das gerade auch nicht.

© SZ vom 05.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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