BVB-Trainer Jürgen Klopp:Schulterzucker auf Sinnsuche

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Zunehmend ratlos: BVB-Coach Jürgen Klopp. (Foto: Wolfgang Rattay/Reuters)

Nach fünf Spielen ohne Sieg und dem Absturz in den Tabellenkeller ist Jürgen Klopp bei Borussia Dortmund weiter unantastbar. Doch vom Trainer werden Lösungen erwartet. Die Zeit drängt.

Von Sebastian Fischer, Köln

Über die Mimik von Jürgen Klopp sind öffentliche, landesweite Debatten geführt worden: wie der Trainer von Borussia Dortmund seine Zähne fletscht, wie er seinen Unterkiefer nach vorne und zur Seite schiebt; ob das nicht bedrohlich oder gar unsportlich wäre, und ob er das nicht besser sein lassen sollte. Die Debatten endeten meist zu Klopps Gunsten, mit Verweisen auf sein Naturell und nicht zuletzt auf seine Erfolge als Coach von Mainz 05 und in Dortmund, die er mit seiner unverwechselbaren Art und Weise erreichte, Fußballspiele mit jeder Faser seines Körpers zu erleben und zu beeinflussen.

Auch am Samstag hatte Jürgen Klopp kurz seinen wilden Ausdruck im Gesicht, als er seinen Stürmer Ciro Immobile nach dessen Ausgleichstor gegen den 1. FC Köln jubelnd umklammerte. Doch etwas ist anders: Einst übersetzten Klopps Spieler dessen Gestus auf den Rasen mit zerstörerischem, akkuratem Pressing, übergehend in schnelle, zielstrebige Konter - Fußball zum Zähnefletschen.

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Seine Mannschaft spiele aktuell einen Fußball, der "absolut keinen Sinn macht": Nach dem Abrutschen in die Abstiegsregion findet BVB-Coach Jürgen Klopp harte Worte. Torhüter Roman Weidenfeller entschuldigt sich.

Doch zurzeit passen das Auftreten des Trainers und das seiner Mannschaft nicht mehr zusammen. Klopp selbst hätte das nicht deutlicher aussprechen können als mit seiner Analyse nach dem 1:2 in Köln am Samstag, dem fünften Spiel ohne Sieg hintereinander. Klopp atmete tief ein, seufzte, er rang sichtlich mit sich selbst, dann sagte er: "Wir haben eine Art Fußball gespielt, die absolut keinen Sinn macht."

Seit 14 Jahren ist er Trainer, in dieser Zeit ist er zu einem der angesehensten Fußballlehrer auf dem Globus aufgestiegen, weil er mit seinen Mannschaften und deren Spielsystem eine Symbiose einging. Klopp gewann nicht immer. Aber es ergab in seinen Augen immer Sinn, wie seine Mannschaften auftraten. Nun ist das zum ersten Mal nicht der Fall. Für Klopp ist es die schwierigste Phase seiner Karriere. Es sei nicht das Problem, erklärte er am Samstag, die Fehler zu erkennen, sondern sie abzustellen, genauso hatte er es schon nach der vorherigen Niederlage gegen den Hamburger SV formuliert.

Das Problem ist nur, dass die Fehler mit den üblichen Dortmunder Lösungsansätzen anscheinend nicht zu beheben sind. Das Dortmunder Spiel basiert auf Klopps Stil, einem Gegenentwurf zum derzeit wieder unschlagbaren Ballbesitzfußball von Pep Guardiola bei Bayern München. 64 Prozent Ballbesitz hatten die Dortmunder in Köln am Ende - "unnützer Kram", so nannte das Klopp. Borussia Dortmund spielt momentan einen undefinierbaren Stil, nicht seinen. Und Klopp steht vor der Frage, ob er es schaffen kann, das zu ändern - oder ob er sich und seinen Stil ändern muss, ähnlich wie auch der einstige Kurzpass-König Pep Guardiola inzwischen lange Pässe akzeptiert. Die Zeit für eine Antwort drängt, doch noch hat Klopp sie nicht gefunden.

Ein Großteil der Problematik ist mit der Verletztenmisere des BVB zu erklären. Die Mittelfeldreihe um Shinji Kagawa, Marco Reus und Henrikh Mkhitaryan spielte in Köln erstmals in der Zusammensetzung vor Ilkay Gündogan, der nach 14 Monaten Verletzungspause gemeinsam mit Sebastian Kehl die Kölner Angriffe abfedern und mit Innenverteidiger Mats Hummels das Dortmunder Spiel aufbauen sollte. Natürlich ist nach so langer Zeit die interne Abstimmung noch nicht gut, das merkten die von Trainer Peter Stöger präzise darauf vorbereiteten Kölner schnell, sie ließen sich von unpräzisen Dortmunder Angriffen nicht aus der Ruhe bringen und attackierten, wenn sie es für angemessen hielten. Galatasaray Istanbul am Mittwoch in der Champions League wird sich den zweikampfstarken FC zum Vorbild nehmen.

Manche Fehler sind unerklärlich: Aussetzer wie der vom zurzeit formschwachen Hummels vor dem Kölner Führungstreffer (40./Vogt) oder noch kapitaler der von Torwart Roman Weidenfeller vor dem Kölner 2:1 (Zoller/74.) - sie sind Anzeichen einer Mannschaft am Rande der nervlichen Überbelastung; Konzentrations-, vielleicht Motivationsschwächen, die nur durch Erfolgserlebnisse abzustellen sind.

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Doch es gibt eben auch Probleme, die tiefer liegen, das versinnbildlichte am Samstag Ciro Immobile. Der Stürmer ist in Klopps System der Fixpunkt; er ist erster Verteidiger und Ziel der gesamten Offensivbewegung, wenn nicht als Torschütze, dann als Vorbereiter oder Raumgreifer, deshalb war der Italiener dem BVB vor der Saison auch circa 18,5 Millionen Euro wert. Immobile schoss zwar sein zweites Saisontor , doch seine übrigen, wichtigeren Aufgaben scheint er nicht zu verstehen, das signalisierte er immer wieder schulterzuckend in Richtung Mitspieler und Trainer. Die Fehlpassquote führte Klopp nach dem Spiel als größtes Manko an. Sie ist jedoch nicht darauf zurückzuführen, dass Spieler von internationaler Klasse plötzlich keine Pässe mehr spielen können - vielmehr stimmt die Kommunikation nicht, die Laufwege der Passempfänger sind falsch.

Klopp setzt all das zu, das signalisieren jeder seiner Seufzer und jede seiner bockigen Antworten in Interviews. Er ist im Sommer 47 geworden, doch momentan wirkt er älter. Fast ratlos. Und sein grau melierter Dreitagebart sieht plötzlich auch nicht mehr so cool aus wie in der Rasierer-Werbung. Jürgen Klopp ist in Dortmund unantastbar, er könnte auch die nächsten Spiele verlieren, ohne infrage gestellt zu werden. Aber dann wären die Minimalziele für diese Saison nicht mehr nur in großer Gefahr, sie wären außer Reichweite. Und das in einer Saison, in der die Borussia mit einer Kapitalerhöhung doch eigentlich den großen Angriff auf die Bayern wagen wollte.

"Es ist eine sehr schwierige Situation für uns", sagte später der Dortmunder Sportdirektor Michael Zorc: "Eigentlich die schwierigste in den letzten Jahren." Dass er "uns" sagte, war eine vertrauensvolle Geste in Richtung seines Trainers. Denn die Lösungen werden von Jürgen Klopp erwartet.

© SZ vom 20.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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