BVB siegt in Berlin:Fallrückzieher-Tor rettet den Tabellenführer

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Borussia Dortmund hat große Probleme gegen aggressive Berliner und findet kaum ein Mittel im Angriff. Doch als die Konkurrenz sich schon auf einen Punktverlust des BVB freut, schließt Kevin Großkreutz den schönsten Dortmunder Angriff ab. Der neue Berliner Trainer Otto Rehhagel dürfte zu Hause dennoch zufrieden sein.

Thomas Hummel

Die wichtigste Person dieses Berliner Tages saß nicht im Stadion. Sie saß auch nicht im Schloss Bellevue, das schon gar nicht mehr. Mit großer Wahrscheinlichkeit schaute die Person zu Hause in Essen im Wohnzimmer das Spiel Hertha BSC Berlin gegen Borussia Dortmund an. Und wer nun anmerkt, dass Christian Wulff sich doch per Vorzugskredit ein Haus in Großburgwedel bei Hannover finanzierte, der hat natürlich recht. Doch die wichtigste Person an diesem Berliner Tag war kein Bundespräsident mehr. Sie war ein König.

Fallrückzieher Großkreutz, Tor Dortmund: das 1:0 für den Tabellenführer. (Foto: dpa)

"König Otto" Rehhagel wird am Sonntag Trainer von Hertha BSC Berlin. "Ja, Otto Rehhagel hat uns seine Zusage gegeben, uns bis zum Saisonende zu helfen", sagte vor dem Spiel Manager Michael Preetz. Wer darauf noch am Donnerstag gewettet hat, der kann sich nun wohl ein Haus in Großburgwedel leisten. Sogar ohne Vorzugskredit. Der 73-Jährige wird in der kommenden Woche beim FC Augsburg nach zwölf Jahren ein Comeback als Trainer in der Bundesliga feiern. Da geriet es fast zur Nebensächlichkeit, dass an diesem Samstag noch ein Spiel anstand.

Ein Spiel, das aus Sicht der Berliner und ihres neuen Trainers nicht ganz unwichtig war. War der Klub doch in den vergangenen miserablen Wochen bis auf Platz 15 der Tabelle abgerutscht, nur einen Punkt vor dem Relegationsplatz. Ausgerechnet gegen den Deutschen Meister und Tabellenführer Borussia Dortmund sollte nach zehn Spielen ohne Sieg und der schnellen Entlassung von Michael Skibbe eine Wende gelingen.

Sie gelang immerhin fast. 0:1 verlor die Hertha, die Niederlage kam durchaus unglücklich zustande. Dennoch bleibt im sechsten Spiel der Rückrunde die sechste Niederlage, weil die Konkurrenz im Abstiegskampf ebenfalls verlor, bleibt aber auch Platz 15. "Mir tut das für die Mannschaft leid, ich kann ihr nichts vorwerfen, sie hat das fantastisch gemacht", sagte der Berliner Interimstrainer René Tretschok.

Währenddessen die Dortmunder durch das Fallrückzieher-Tor von Kevin Großkreutz in der Rückrunde ihren sechsten Sieg feierten und damit Platz eins verteidigen. "Es muss nicht immer schön sein, Hauptsache drei Punkte", sagte der Torschütze. Sebastian Kehl erklärte: "Solche Spiele gehören auch dazu. In Schönheit werden wir nicht deutscher Meister."

In der ersten Halbzeit hatten die Spieler alles dafür getan, die Partie nicht aus der Kategorie Nebensächlichkeit zu entlassen. René Tretschok und sein Trainerkollege Ante Covic hatten ihre Mannschaft nach dem desaströsen 0:5 in Stuttgart offenbar erinnert, wie man im modernen Fußball verteidigt. Zwar hatten die Dortmunder zumeist den Ball, doch weil der Gegner früh attackierte und im Mittelfeld wenig Raum ließ, geriet das Spiel der Borussia viel komplizierter als gewohnt.

Häufig wusste sich der Tabellenführer nicht anders zu helfen, als zur guten, alten Hoch-und-weit-Taktik überzugehen, die aber nur zu Verdruss an der Seitenlinie bei Trainer Jürgen Klopp führte. Ohne den zuletzt überragenden Shinji Kagawa (Außenbandanriss im Sprunggelenk) wirkte seine Mannschaft im Spielaufbau bisweilen ratlos. Klopp hatte Robert Lewandowski ins Mittelfeld zurückgezogen, für ihn stürmte Lucas Barrios ganz vorne. Doch weder die beiden noch Kevin Großkreutz oder Jakub Blaszczykowski konnten die Berliner Abwehr irritieren.

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Der beste Dortmunder Angreifer in der ersten Halbzeit hieß Lukasz Piszczek. Der Rechtsverteidiger sprintete dreimal hinter die gegnerische Abwehrlinie: Seine erste Hereingabe köpfte Barrios kraftlos (8.), seine zweite verstolperte der Stürmer (31.), beim dritten Vorstoß rettete Torwart Thomas Kraft (44.). Dabei verletzte sich Piszczek auch noch und musste mit einer Gesichtsverletzung ins Krankenhaus.

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Zur Halbzeit konnten sowohl Tretschok, Covic, die Hertha-Fans unter den 74.000 im Stadion als auch Otto Rehhagel in seinem Wohnzimmer sehr zufrieden sein. Im eigenen Strafraum passierte so gut wie nichts und vorne hatte die Hertha die beste Chance gehabt: Nationalspieler Mats Hummels hatte als letzter Mann Raffael den Ball geschenkt, allein der geistesgegenwärtige Torwart Roman Weidenfeller rettete den BVB (36.).

Die Zerstörungstaktik der Gastgeber war wunderbar aufgegangen (fast wie bei den Griechen unter Rehhagel). Die Dortmunder wirkten genervt ob des ständigen Anrennens und der kantigen Gegenwehr. So genervt, dass sie nach der Pause die nächsten Fehler folgen ließen. Adrian Ramos gewann plötzlich Zweikämpfe an der Mittellinie, bediente Patrick Ebert, der alleinstehend nur einen Meter am Tor vorbeizielte (50.). Dann war erneut Mats Hummels dran: Wieder viel zu lässig vertändelte er das Spielgerät, der folgende Konter endete mit dem nächsten Fehlschuss von Ebert (53.).

Es liefen die Minuten, in denen bei den Konkurrenten an der Tabellenspitze bereits Vorfreude auf einen Dortmunder Punktverlust aufkam. Es war die Zeit, in der Tretschok und Covic Mut fassten und mit Pierre-Michel Lasogga noch einen Stürmer einwechselten. Und es war die Zeit für den ersten schönen Dortmunder Angriff ohne Beteiligung Piszczeks: Es ging wieder über rechts, diesmal über Blaszczykowski, seine Flanke köpfte Lewandowski aufs Tor, wo Torwart Kraft den Ball per Blitzreflex an die Latte lenkte. Doch während die Berliner Verteidiger schauten und standen, setzte Großkreutz nach und schoss den Abpraller per Fallrückzieher zum 1:0 ins Tor. Wer kurz vor dieser 66. Minute auf eine Führung der Gäste gewettet hätte, wäre vielleicht nicht mit einem Haus in Großburgwedel belohnt worden, eine Garage hätte es aber schon werden können.

Die Berliner spielten zwar nach einer kurzen Schockphase mutig weiter, doch Klopp wechselte bald den irrlichternden Mats Hummels aus, nach dem Spiel hieß es, er habe akute Fieberschübe bekommen. "Er war vergangene Woche ein wenig erkältet. Nun ist er wahrscheinlich der erste Spieler, der in einem Spiel Fieber bekommt", sagte BVB-Trainer Jürgen Klopp.

Und so kamen die Gastgeber in den verbleibenden Minuten zu keiner echten Torchance mehr. Und so bleibt aus sportlicher Sicht in Berlin, dass die Hertha im Jahr 2012 bislang nur ein Tor erzielt hat. Diesem Problem wird sich nun der 73-jährige Otto Rehhagel annehmen müssen.

Bei der anschließenden Pressekonferenz stellte bald Klopp fest, dass er wenig Beachtung fand unter den Journalisten. Nach einiger Zeit sagte er: "Darf ich auch eine Frage stellen?"Und fügte an: "Können wir gehen?" Er bekomme bereits Kurznachrichten von seinen Spielern aufs Handy, seine Mannschaft sei fertig und man müsse ja auch noch zurück nach Dortmund fliegen, erklärte er. Nachdem die Journalisten ihm Grünes Licht gegeben hatte, enteilte BVB-Coach Klopp. Ein anderer war heute einfach wichtiger.

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