BVB-Sieg in Stuttgart:Elf Tollpatsche zaubern wieder

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Dritter Sieg in Serie: Ilkay Gündogan (Mitte) setzt sich gegen Stuttgarts Abwehr durch. (Foto: Ronald Wittek/dpa)
  • Borussia Dortmund gelingt gegen den Tabellenletzten Stuttgart der dritte Sieg in Serie. Mit dem Abstieg hat Jürgen Klopps Team nichts mehr zu tun.
  • Der VfB Stuttgart dagegen präsentiert sich erneut nicht bundesligareif - und hängt auf dem letzten Tabellenplatz fest.
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Von Matthias Schmid, Stuttgart

Jürgen Klopp starrte auf das Blatt Papier. Minutenlang. Es wirkte fast so, als könnte der Trainer von Borussia Dortmund nicht glauben, was auf dem Zettel stand. Immer wieder schüttelte er seinen Kopf. Hatte jemand seine Bankdaten geleakt? Oder taktische Geheimnisse aus dem innersten BVB-Zirkel auf einem Blatt Papier festgehalten?

Es waren die Spieldaten, die ihn auf der Pressekonferenz am Freitagabend nach dem 3:2-Sieg seiner Mannschaft beim VfB Stuttgart beschäftigten. Im Fußball wird ja mittlerweile jeder Zehen-Wackler der Spieler erfasst. Klopp blieb beim Punkt Eckenverhältnis hängen. "5:2 für uns", sagte Klopp. Zufrieden war er jedoch nur kurz. Denn dann realisierte er, dass die beiden Gegentore aus zwei Eckbällen resultierten. "Da haben wir uns nicht wahnsinnig clever angestellt", stellte Klopp fest.

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Borussia Dortmund verabschiedet sich langsam aus dem Abstiegskampf. Das knappe 3:2 in Stuttgart spiegelt die Überlegenheit des Teams nicht wider. Der VfB wirkt hilflos und bleibt Letzter. Für Diskussionen könnte noch das Elfmeter-Foul von Nuri Sahin sorgen.

Von Matthias Schmid

Ansonsten wirkte der BVB-Trainer an diesem Freitagabend jedoch aufgeräumt, erleichtert sogar. Nach drei Siegen in Serie hat sich seine Mannschaft am Freitagabend vorübergehend auf den zehnten Tabellenplatz vorgeschoben, auch das konnte Klopp auf dem Papier ablesen, dazu musste er es aber wenden. Nach den Samstagsspielen sind sie nun Zwölfter, immerhin, denn vor ein paar Wochen führte die Tabelle Dortmund noch auf dem letzten Platz. Dort steht nun der VfB seit zwei Spieltagen.

Klopp versucht Stevens Mut zu machen

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"Das kann zügig in beide Richtungen gehen", analysierte Klopp. Der gebürtige Stuttgarter wollte Huub Stevens, der neben ihm saß, Mut machen. Anders noch als nach der 1:2-Niederlage in Hoffenheim nahm der Niederländer die erneute Klatsche - zumindest nach außen - gefasst hin. Leer, müde, desillusioniert trat er nach dem Hoffenheim-Spiel in der Woche davor auf. Er litt öffentlich an dem Gegentreffer in der Nachspielzeit. "Authentisch" nannte VfB-Sportdirektor Robin Dutt die Reaktionen seines Trainers danach, andere befürchteten, dass der VfB schon wieder vor einem Trainerwechsel stünde und Stevens wie Armin Veh hinschmeißen könnte.

Es müsste aber schon ein Magier kommen, ein Wundermann wie einst Jürgen Sundermann, um den VfB helfen zu können, um aus spielerisch stark limitierten Spielern Fußballer zu machen, die spielen können, kombinieren und zumindest keine Probleme haben mit grundlegenden Fertigkeiten wie Ballannahme und -mitnahme. Martin Harnik tat sich diesmal besonders negativ hervor oder Georg Niedermeier. Bisweilen wähnten sich die Zuschauer bei einem Spiel der A-Klasse, Befreiungsschläge auf die Tribüne, Stoppfehler. In einer Häufigkeit, die selten ist in der Bundesliga.

Neven Subotic (rechts) will vor Adam Hlousek an den Ball. (Foto: REUTERS)

Zaubern kann Stevens nicht, aber er kann zumindest eine Mannschaft so einstellen, dass sie sich 90 Minuten plus Nachspielzeit leidenschaftlich in jeden Zweikampf wirft. "Wir haben alles versucht, aber es war zu wenig", stellte der VfB-Trainer fest. Resigniert klang er diesmal nicht, eher pragmatisch.

"Rechnen bringt nichts", sagt Dutt

Er konnte aber - wie die meisten der 60 000 Zuschauer in der ausverkauften Arena - beim besten Willen keine spielerischen Ansätze finden, die auf die Wende zum Positiven hindeuteten. Ihm blieb nichts anders übrig, als nüchtern festzuhalten: "Wir haben uns auch nach dem 1:3 nicht aufgegeben." Ein Treffer gelang dem VfB dann tatsächlich noch in der Nachspielzeit. Der VfB ist in diesen tristen Tagen auf der Suche nach einem Erweckungserlebnis, er sehnt Siege herbei wie verirrte Wüstenwanderer einen Tropfen Wasser. "Rechnen bringt nichts", sagte Dutt, "das macht Siege auch nicht wahrscheinlicher."

Da ist Jürgen Klopp mittlerweile in einer sehr viel komfortableren Lage. Er hat feine Fußballer, die ihre fast schon grotesk wirkende Formschwäche der vergangenen Monate überwunden haben. Die nach Verletzungen wieder so genesen sind, dass sie das Spiel auf ein Niveau heben können, um mit dem Abstieg nichts mehr zu tun zu haben. "Wir haben in vielen Momenten gut Fußball gespielt", sagte Klopp.

Die Spielanlage sah in der Tat schon wieder so aus, wie die Bundesligasympathisanten den BVB in guter Erinnerung haben. Die Spieler störten den Gegner früh, waren lästig und spielten in Sekundenschnelle nach vorne. Vor allem Pierre-Emerick Aubameyang braucht zurzeit nicht viele Chancen, um Tore zu machen. Sein 1:0 gegen Stuttgart (25.) war bereits sein fünftes Tor im vierten Spiel.

"Dappig", also tollpatschig, waren die Dortmunder dennoch

Aber Klopp kennt natürlich die Gründe, warum sich sein Team in dieser Saison so schwer tut, nicht alles ist mit Formschwankungen und Verletzungen erklärbar. "Man hat bei meiner Mannschaft gesehen, dass die Nerven ins Spiel kommen wenn du nur 2:1 führst", sagte der BVB-Trainer. "Naiv", fand Ilkay Gündogan das Verhalten bei den Gegentoren. Glück hatten die Dortmunder zudem, dass Schiedsrichter Deniz Aytekin Nuri Sahin in der ersten Hälfte nicht mit Rot vom Platz schickte, nachdem dieser Niedermeier im Strafraum gefoult und eine klare Torchance verhindert hatte. Florian Klein (32.) verwandelte den fälligen Elfmeter - es war der erste Heimtreffer nach 587 Minuten für den VfB. Dass Niedermeier sogar noch ein zweites Tor gelang, änderte am Spielausgang nichts mehr. Trotzdem ärgerte es Klopp, weil seine Mannschaft sich bei mehreren Kontermöglichkeiten "dappig" angestellt hatte, wie der Trainer anmerkte, also tollpatschig. Das Schwäbische kriegt er nicht ganz raus aus seinem Vokabular.

Es klang ziemlich ehrlich, als Jürgen Klopp am Ende des Abends sagte: "Alles Gute für euch und ich freue mich auf ein Wiedersehen im nächsten Jahr - in der Bundesliga."

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