BVB mit der Mission Titelverteidigung:Wer soll dieses Bollwerk stoppen?

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17 Spiele ungeschlagen, mit vier Punkten Vorsprung Tabellenführer der Fußball-Bundesliga. Das Erfolgsgeheimnis von Borussia Dortmund zeigt sich beim 3:1-Sieg über Hannover: Die Mannschaft reagiert auf Rückschläge unverwüstlich und auch auf der Bank sitzen nur Leistungsträger.

Freddie Röckenhaus, Dortmund

Mats Hummels hatte es so dahin gesagt, es war als Aufmunterung gedacht. Sven Bender, Kosename "Manni", war anderthalb Stunden zuvor mit blutenden Gesichtswunden und dick geschwollenem Auge ins Krankenhaus transportiert worden, da prognostizierte Hummels schmunzelnd: "Wie man Manni so kennt, wird er mal wieder höchstens zwei Tage mit dem Training aussetzen."

Hat das Zeug zum Torjäger der Saison: Nach zwei Treffern gegen Hannover ist Robert Lewandowski (re.) bei der Zahl 16 angekommen. (Foto: Reuters)

Zwei Stunden später war Hummels Galgenhumor Realität geworden. Sven Bender, beim Dortmunder 3:1-Sieg gegen Hannover 96 von Gegenspieler Diouf mit den Schuhstollen im Gesicht getroffen, meldete via Facebook-Seite: "Glück gehabt, ist nichts gebrochen!" Niemand personifiziert die Unverwüstlichkeit von Borussia Dortmund besser als Bender.

Auch sonst raunte es, nach dem siebten Sieg in Serie und dem 17. Bundesligaspiel ohne Niederlage, vernehmlich durch das ausverkaufte Dortmunder Stadion: Wer soll diesen Block von einer Mannschaft noch stoppen?

Unwiderstehlich, ohne Rücksicht auf Verluste zog die BVB-Maschine ihr Programm durch, vor allem in der ersten Halbzeit, so dass selbst Trainer Jürgen Klopp ins Schwärmen geriet: "Unsere Jungs werfen sich in die Zweikämpfe, als hätten sie fünf Jahre kein Spiel gewonnen. Einfach klasse, wenn wir gegen einen Gegner wie Hannover mit der Wucht eines Herausforderers spielen statt wie ein Titelverteidiger."

Die meisten BVB-Spieler mögen sich

Bender, der sich im Herbst beim Champions-League-Spiel beim FC Arsenal einen doppelten Kieferbruch zuzog und jüngst in nur sieben Tagen einen Außenbandanriss im Sprunggelenk auskurierte, kam diesmal mit Nasenbein-, Augen- und Gesichtsprellungen davon. Klubarzt Markus Braun stellt bereits in Aussicht, dass er schon am Wochenende im Heimspiel gegen Mainz 05 wieder antreten könne. Nur auf das Länderspiel gegen Frankreich muss Bender verzichten.

Die kurzzeitige kollektive Sorge um Bender nach dem Spiel aber wirft ein Licht auf das Geheimnis, das Dortmund derzeit zum Bollwerk macht. Tatsächlich mögen sich die meisten im BVB-Kader, tatsächlich gelingt es Klopp, selbst die Edelreservisten, die mehr Zeit beim Warmlaufen verbringen als auf dem Platz, in die Mission Titelverteidigung einzubinden. "Wenn wir eine Mannschaft auf den Platz bringen", sagt Klopp fast ein bisschen bebend, "haben alle ein BVB-Trikot an. Dann heißt es: Maschine anwerfen und los geht's."

Die Störfall-Resistenz scheint das Besondere an dieser Borussia zu sein: Als kurz vor Ende der Bundesliga-Hinrunde der langfristige Ausfall von Talent Mario Götze bekannt wurde, waren flott die Diagnosen zur Hand, dass der BVB fortan nur noch die Hälfte wert sei. In Wahrheit gewann Dortmund seither alle sieben Bundesliga-Spiele sowie das Pokalviertelfinale - und machte dabei mit den meisten Gegnern kurzen Prozess.

Jakub Blaszczykowski, Künstlername "Kuba", wirbelt seither anstelle von Götze. Gegen Hannover 96 bereitete der Pole alle drei Treffer vor und seine beiden Landsleute von Polonia Dortmund, Lukasz Piszczek und der zweimalige Torschütze Robert Lewandowski, machten den polnischen Feiertag komplett. Bei seinem federleichten Antritt auf dem Weg zum 1:0, berichtete Lewandowski hernach, "habe ich schon Schmerzen im Oberschenkel gehabt. Aber dann sah ich, das wir da eine gefährliche Situation haben und habe durchgezogen."

Wenn soll Götze verdrängen?

Den Regisseur gab Shinji Kagawa, der sich elf Tagen zuvor das Innenband im Knie angerissen hatte. Von Götze, der auf der polnischen rechten Seite oder auf Kagawas Position spielt, ist derzeit kaum die Rede. Und wenn, dann eher, weil man sich fragt, wen Götze verdrängen sollte. Sportdirektor Michael Zorc: "Das ist zum Glück nicht mein Problem, sondern das des Trainers." In zwei Wochen beginnt Götze mit Lauftraining.

So geht es in Dortmund schon die ganze Saison. Erst hieß es, der Verlust von Spielmacher Nuri Sahin an Real Madrid sei nicht kompensierbar. Doch es brauchte nur sechs Spieltage, dann war das BVB-Kollektiv umgebaut, mit Sebastian Kehl avancierte auf derselben Position ein völlig anderer Spielertyp zu einem der besten Bundesligaspieler.

Oder die lange Verletzungspause von Torjäger Lucas Barrios: Ersatzmann Lewandowski hat inzwischen 16 Tore auf dem Konto, manche trauen ihm zu, Torschützenkönig der Liga zu werden. Barrios liebäugelte gar mit einem Wechsel, zog es dann aber doch vor, Edel-Reservist beim BVB zu sein. Neven Subotic fiel wochenlang mit Jochbeinbruch aus - nahtlos ersetzt wurde er von Felipe Santana, der nun wieder die Bank drückt. Und als Bender wegen seines Kieferbruchs ausfiel, vertrat ihn Moritz Leitner glänzend. Gegen Hannover fehlte der erkrankte 19-Jährige, es kam Ilkay Gündogan, der eine auffällig gute Partie lieferte. Die Maschine, sie läuft und läuft.

Eine herausragende Zweitbesetzung also garantiert die Dortmunder Solidität. Im Söldnerbetrieb Profifußball ist so viel Kollektivgefühl die Ausnahme. Das macht den Unterschied aus, vielleicht bis zum Saisonende.

© SZ vom 28.02.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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