BVB gewinnt gegen Gladbach:Rhythmen der Lebensfreude

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Raphael Guerreiro und Pierre-Emerick Aubameyang feiern nach dem 3:2 gegen Gladbach. (Foto: AFP)
  • BVB-Trainer Thomas Tuchel beschreibt die Stimmung in der Kabine nach dem 3:2 gegen Gladbach als "ausgelassen".
  • Torwart Roman Bürki sagt, es helfe ihm, dass der mutmaßliche Täter des Bus-Anschlages nun gefasst sei.
  • Am Mittwoch reist der BVB zum DFB-Pokal nach München.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Aus der Spielerkabine von Borussia Dortmund erklangen am Samstagabend mitreißende Rhythmen der reinen Lebensfreude. Der Refrain des international leicht verständlichen Raps lautete "Ja, ja, ja", in unzähligen Wiederholungen. Viel mehr muss man über den jüngsten Gemütszustand der elf Tage zuvor von einem Bombenattentat erschütterten Fußballer nicht wissen. "Die Stimmung ist ausgelassen", beschrieb der Trainer Thomas Tuchel. "Ich hatte zum ersten Mal wieder echte Glücksgefühle", sagte der Torwart Roman Bürki. "Es gibt nichts Schöneres als drei Punkte", sagte der Abwehrspieler Sven Bender.

Die Dortmunder feierten in Mönchengladbach einen verdienten 3:2 (1:1)-Sieg, der zwischendurch in Gefahr geraten war, als sie zu Beginn der zweiten Halbzeit mit 1:2 in Rückstand geraten waren. Sie beklagten einen früh verletzten Nuri Sahin, einen verweigerten Elfmeter, ein durch den deshalb eingewechselten Mikel Merino verschuldetes Gegentor, ein Eigentor durch Marcel Schmelzer sowie kurz vor Schluss einen Innenpfosten-Treffer von Raphael Guerreiro, bei dem der Ball die Torlinie entlanglief. Viel Pech - mit spätem Happy End. Drei Minuten vor dem Ende verlängerte Guerreiro nach einem Freistoß von Gonzalo Castro den Ball zum 3:2-Siegtor ins entfernte Toreck. "Diese Moral", schwelgte der Sportdirektor Michael Zorc, "ist überragend - ich bin richtig stolz auf die Mannschaft."

Vor allem das vom Schiedsrichter Wolfgang Stark in der 16. Minute nicht geahndete Foul vom Gladbacher Tobias Strobl am Dortmunder Sahin hätte die Dortmunder beinahe den hochverdienten Sieg gekostet. Der zuletzt so starke Sahin humpelte nach dem Spiel auf Krücken aus dem Stadion, sein linker Knöchel war dick bandagiert. Er musste mit Verdacht auf einen Außenbandriss ins Krankenhaus und fehlt seiner Mannschaft wohl auch am Mittwoch im DFB-Pokal-Halbfinale beim FC Bayern München.

Aubameyang kommt von der Bank - und trifft sofort

Trotzdem wirkten seine Kollegen am Samstagabend erleichtert, weil sie nach dem 3:1-Sieg gegen Frankfurt eine Woche zuvor nun auch das zweite Bundesliga-Spiel nach dem Attentat gewonnen und den dritten Platz zurückerobert haben. "Den wollen wir jetzt nicht mehr hergeben", sagte Bender.

Tuchel hatte drei Tage nach dem Champions-League-Aus in Monaco (1:3) und vier Tage vor dem Halbfinale in München zu Beginn vier Spieler durch die Abkommandierung auf die Ersatzbank geschont: Pierre-Emerick Aubameyang, Shinji Kagawa, Julian Weigl und Lukasz Piszczek hatte. Der Grieche Sokratis war sogar daheim geblieben. Marco Reus, Christian Pulisic und Ousmane Dembélé bildeten das Sturm-Trio, die letzteren sowie Gonzalo Castro, Marcel Schmelzer und Sven Bender waren neu in die Startformation gekommen. Dieter Hecking veränderte bei Gladbach nichts, weil ihm das vorangegangene 3:5 in Hoffenheim trotz der vielen Gegentore gar nicht mal schlecht gefallen hatte. Er besaß angesichts der verletzungsbedingten Ausfälle von Raffael, Christoph Kramer und Thorgan Hazard aber auch wenige Alternativen.

Hecking gegen Tuchel - das war auch das Duell der beiden derzeit erfahrensten Bundesligatrainer, denn für Hecking war es das 346. Spiel als Bundesligatrainer und für Tuchel immerhin das 234. Man hat also attraktiven und intelligenten Fußball erwarten dürfen, allerdings war davon nichts zu erkennen, als das 1:0 für Dortmund fiel. Es war von zwei Gladbacher Fehlern geprägt und fiel per Elfmeter. Zunächst war Gladbachs Andreas Christensen nahe der linken Außenlinie ausgerutscht und hatte dem Dortmunder Pulisic dadurch den Ball überlassen. Dieser hatte freie Bahn und rannte Richtung Strafraum, wo Mahmoud Dahoud zu spät kam, Pulisic auf der Strafraumgrenze erwischte und ihn zu Boden zwang. Der Elfmeter war angemessen, Reus verwandelte ihn in der 10. Minute.

Doppelt schmerzlich: Ein zweiter Elfmeter wird Dortmund verwehrt - und Sahin muss verletzt vom Platz

Nur sechs Minuten später hätten die Dortmunder gleich noch einen Elfmeter bekommen müssen, weil Strobl mit sogenannter 'offener Sohle' den Knöchel von Sahin malträtierte - und dies im Strafraum. Schiedsrichter Stark pfiff hier allerdings gar nicht. Sahin musste verletzt hinaus und wurde in der 21. Minute durch Merino ersetzt.

Dieser Wechsel sollte sich 22 Minuten später nachteilig für die Dortmunder auswirken, obwohl sie nach ihrem Führungstreffer zunächst weiter dominant spielten und gegen schwache Gladbacher dafür sorgten, dass das Heimpublikum zu raunen und zu pfeifen begann. Es deutete nichts auf den Gladbacher Ausgleich hin, als Merino in der eigenen Abwehr einen Fehlpass spielte. Er landete beim Gladbacher André Hahn, von dort bei Lars Stindl und dann in der 43. Minute zum 1:1 im Dortmunder Tor.

Auch beim 2:1 drei Minuten nach dem Wiederanpfiff benötigten die Gladbacher Dortmunder Hilfe. Marcel Schmelzer bekam eine scharfe Hereingabe von Oscar Wendt gegen das Schienbein und lenkte den Ball dadurch ins eigene Tor. Der Spielverlauf war damit auf den Kopf gestellt. Aber nur bis zur 59. Minute. Tuchel probierte die Korrektur, indem er in der 57. Minute Aubameyang für Reus brachte. Anders als am Mittwoch in Monaco wechselte der Trainer richtig. Auf Vorlage von Dembélé erzielte Aubameyang mit seinem ersten Ballkontakt nur eine Minute später sein 27. Saisontor zum 2:2. Mit diesem Treffer übernahmen die Dortmunder wieder die Spielkontrolle - und gingen dann durch Guerreiro in Führung.

"So ein Sieg tut gut und hilft uns, die Erlebnisse zu verarbeiten", sagte Castro. "Mir hilft auch, dass in der Sache nun Klarheit herrscht", sagte Bürki über die Festnahme des vermeintlichen Täters. Ihren Optimismus nehmen die Dortmunder jetzt mit ins Pokalspiel nach München. "Dort kann alles passieren", prognostiziert Bürki. Die Dortmunder arbeiten weiter intensiv daran, ihre fußballerischen und psychologischen Blockaden zu lösen. Der Sieg in Mönchengladbach - und wie er zustande kam - war ein wichtiger Schritt.

© SZ vom 23.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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