Einmal ist Lucien Favre am Samstag gegen Eintracht Frankfurt etwas passiert, was ihm sonst nie passiert. Einmal ist der Trainer von Borussia Dortmund tatsächlich nicht auf das Spiel seiner Mannschaft konzentriert gewesen, aber "nur zehn Sekunden", wie er treuherzig versicherte. In diesen zehn Sekunden ging sein Blick nach oben auf die Videowand, auf der gerade aufleuchtete, dass Bayer Leverkusen gegen den FC Bayern den 1:1-Ausgleich erzielt hatte. Aber danach habe er sich nicht mehr ablenken lassen, sagte Favre, und erst nach dem Abpfiff des Spiels habe er festgestellt, dass das Spiel in Leverkusen aus Münchner Sicht 1:3 ausgegangen sei.
Natürlich hieß der Gegner der Dortmunder am Samstag Eintracht Frankfurt, aber ebenso natürlich heißt der Gegner angesichts der Lage im Titelkampf jedes Wochenende auch FC Bayern. Und so wusste so mancher Dortmunder nach dem Spielschluss nicht so recht, wie er sich fühlen sollte. 1:1 war das eigene Spiel ausgegangen, und ob der Chancen in der ersten Hälfte hätte es auch ein Sieg sein können. Doch zugleich war da die Niederlage der Münchner, durch die der Vorsprung der Schwarz-Gelben in der Tabelle von sechs auf sieben Punkte anwuchs.
"Ich bin enttäuscht, dass wir das Spiel nicht gewonnen haben", sagte etwa Torwart Roman Bürki, die Niederlage der Münchner sei da auch nur "ein schwacher Trost". "Wir wollten unbedingt gewinnen, müssen das 1:1 aber akzeptieren", tat Favre kund. Und während die Fans draußen die obligatorischen Titelgesänge anstimmten, versuchte Manager Michael Zorc drinnen, diesen Spin gleich abzumoderieren. Sieben statt sechs Punkte, das sei jetzt "einer mehr als vor drei Stunden", sagte er direkt nach dem Abpfiff, "aber es ist auch der 20. Spieltag".
Es war vor allem in der ersten Hälfte ein bemerkenswertes Spiel, das Frankfurter und Dortmunder boten. In der Anfangsphase leisteten sich die Gäste manche Schludrigkeit, was unter anderem zu einer großen Chance für Danny da Costa (2.) führte und einer kleineren für Luka Jovic (5.). Aber danach übernahmen die Dortmunder die Kontrolle. Erst kam Angreifer Paco Alcacer zu zwei Gelegenheiten (9./12.), die er vergab. Aber dann setzte Raphael Guerreiro zu einem Dribbling über die linke Seite an, an dessen Ende er die nötige Übersicht bewies und quer auf Marco Reus legte - der zum 1:0 einschoss (22.).
Kurz danach hätte Dortmund noch nachlegen müssen, wieder in Gestalt von Reus, doch als er alleine auf Frankfurts Torwart Kevin Trapp zulief, verzog er ungewohnt deutlich (24.). Und als er nach einem Zuspiel des agilen Jadon Sancho abzog, traf er nur die Latte (26.). So lagen die Frankfurter weiter nur 0:1 zurück, und kurz danach lag die Chancen-Hoheit wieder bei ihnen. Der erste Schuss von Ante Rebic ging knapp vorbei (34.) und der zweite wurde von Bürki stark pariert (35.). Doch die dritte Chance binnen kürzester Zeit landete dann zum 1:1-Ausgleich im Tor: Rebic' Kopfball ging zwar noch an die Latte, aber die folgende Flanke verwertete Jovic - mit seinem 14. Saisontor, mit dem er den Dortmunder Marco Reus in diesem Ranking wieder abhängte.
Nach der Pause ging es etwas ruhiger zu. Statt des wilden Auf und Ab gab es mehr Disziplin und mehr Kontrolle, aber das sei gar nicht sein Wunsch gewesen, sagte BVB-Coach Favre hinterher. Er sei aber trotzdem recht zufrieden mit der Darbietung. Rebic scheiterte mit einem weiteren Schuss (57.), Alcacer ebenfalls (65.), und in der Schlussphase hatte der Spanier im BVB-Angriff mit einem Freistoß aus großer Distanz die beste Gelegenheit (84.). Doch der Ball landete nicht im, sondern um Zentimeter vorbei auf dem Netz.
Bei den Frankfurtern war die Gefühlslage hinterher nicht so ambivalent wie bei den Dortmundern. Sie waren extrem zufrieden mit diesem Punkt, durch den sie sich weiter auf Platz fünf der Tabelle halten - und damit an der Spitze eines engen Mittelfeldes, in dem die Eintracht gerade mal fünf Punkte vom Elftplatzierten trennen. Und nun stehen mit Leipzig und Mönchengladbach weitere schwere Gegner an. "Wenn die Leistung so ist wie heute, können wir mit den Top-Teams mithalten", sagte Frankfurts Trainer Adi Hütter.