BVB:"Diese Borussia ist eine Walze"

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6:0, 6:0, 5:1 - der BVB scheint gerüstet für das große Champions-League-Duell mit Real Madrid. Spanische Zeitungen zeigen sich beeindruckt.

Von Javier Cáceres, Wolfsburg

Die rührendste Szene des Dienstagabends in Wolfsburg spielte sich nach dem Ende der Partie ab. Jakub Blaszczykowski hatte sich seines Wolfsburger Trikots längst entledigt und das Hemd eines Dortmunders ergattert, das er über die Schulter gelegt hatte. Dann näherte er sich jener Ecke der Wolfsburger Arena, in der die BVB-Fans standen, und obschon er sein Geld nun beim VfL Wolfsburg verdient, kann man noch immer unumwunden sagen: seine Fans. Kuba, wie er genannt wird, reckte die Arme hoch, um den Anhängern zu applaudieren, und wohl auch, um Abschied zu nehmen, zeitversetzt.

Vor mehr als einem Jahr war er, nach acht Jahren in Dortmund, gen Italien ausgewandert, in diesem Sommer kehrte er nach Deutschland zurück. Aber eben zum VfL Wolfsburg, der unmittelbar vor Kubas Gruß an die schwarz-gelbe Anhängerschaft vom BVB auseinandergenommen worden war. Mit 5:1.

Ob ihn die Frage umtrieb, wo er da nur hineingeraten ist? Geknickt wirkte Kuba, der Kapitän der Wolfsburger, allemal. Er war zwar mit Julian Draxler, Maximilian Arnold und Mario Gomez unter den Spielern gewesen, die durch enormen Aufwand dazu beitrugen, dass die Partie zwischenzeitlich wie ein ausgeglichenes Spiel aussah. Zumindest ausgeglichener, als es der nackte Endstand vermuten ließ. Nur: So unverdient war der Sieg der Dortmunder auch in dieser Höhe nicht. Manchmal belohnt der Fußball solche Teams, deren Spieler einen Konsens erkennen lassen, welcher Natur der Fußball sein soll, den sie spielen wollen. So wie den BVB.

17 Tore in drei Spielen

17 Tore hat Dortmund in den letzten drei Spielen erzielt, und dabei nur ein Gegentor bekommen: am Dienstag durch den Neu-Wolfsburger Daniel Didavi, der sich freilich sogleich verletzte (Meniskuseinriss); der als verletzungsanfällig geltende vormalige Stuttgarter fällt für mindestens vier Wochen aus. Wie schon bei den 6:0-Siegen gegen Legia Warschau in der Champions League und Darmstadt in der Bundesliga zeigte sich die Borussia auch in Wolfsburg als ein solides, chorales Konstrukt. Bislang haben sich 14 Spieler in die Torschützenliste des BVB eingetragen; am Dienstag trafen Raphaël Guerreiro, Pierre-Emerick Aubameyang (zweimal), Ousmane Dembélé und Lukasz Piszczek.

Auch in Spanien nimmt man eine Woche vor dem Champions-League-Duell mit Real Madrid Notiz von der neuen Stärke der Dortmunder, die in diesem Sommer Leistungsträger wie Mats Hummels, Ilkay Gündogan oder Henrikh Mkhitaryan abgaben und doch erstaunlich harmonisch agieren. "Diese Borussia ist eine Walze", warnt die spanische Zeitung As.

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:5:1 - doch Dortmund leidet

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Gleichwohl sprach Dortmunds Trainer Thomas Tuchel gleich drei Mal davon, dass man gegen die Wolfsburger gelitten habe, und dass es viel, sehr viel zu verbessern gebe: "Der Sieg stand lange auf des Messers Schneide." Als sie längst dem frühen 0:2 hinterherlaufen mussten, entwickelten die Wolfsburger tatsächlich eine Drangperiode, in der die Dortmunder, wie Tuchel klagte, "zu viele hochkarätige Torchancen" und schließlich Didavis zwischenzeitlichen Anschlusstreffer zuließen. Torwart Roman Bürki konnte sich in dieser Phase "absolut ein Extrakompliment" verdienen. Der Schweizer vereitelte früh im Spiel einen Treffer des allmählich zum One-Hit-Wonder verkommenden brasilianischen Helden aus Wolfsburgs Real-Madrid-Spiel der vergangenen Saison, Bruno Henrique, und war auch gegen Gomez, Draxler und Ricardo Rodríguez zur Stelle.

"Für Mario tut es mir besonders leid", sagte Wolfsburgs Manager Klaus Allofs - und meinte dabei vor allem die zweite Chance des deutschen Nationalstürmers; er hatte kurz nach der Pause vergeblich versucht, den Abpraller eines Draxler-Schusses aus weniger als einem Meter über die Linie zu stochern. "Natürlich hast du dann die Sorge, dass du einen reinkriegst. Auf der anderen Seite hatte ich auch immer das Gefühl, dass wir noch eins schießen können", sagte BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke. Fürwahr: Stets vermittelte der BVB den Eindruck, eine Idee zu haben, auf die er zurückgreifen konnte.

Anders als der VfL, wo die beste Phase mehr auf schierem, wenn auch mitreißendem Willen beruhte. Beim BVB hatten die Konzepte viel schärfere Konturen, angefangen bei den Innenverteidigern, dem defensiven Mittelfeldspieler Julian Weigl und dem eingewechselten Gonzalo Castro, die umsichtig und großzügig die Bälle verteilten. Der BVB zog dabei Lehren aus der 0:1-Pleite bei RB Leipzig vom vorvergangenen Samstag: "Wir haben diesmal wieder die Räume genutzt, die uns gezeigt wurden", sagte Marcel Schmelzer.

Den Dortmundern wird ihre Serie selbst langsam unheimlich

Wobei: Die Räume, die Wolfsburg ließ, waren unübersehbar groß. VfL-Trainer Dieter Hecking ärgerte sich vor allem über das erste Tor, als Dortmunds Innenverteidiger Marc Bartra einen langen Ball auf Guerreiro spielte - genau in die Schnittstelle zwischen Rechtsverteidiger Vieirinha und Innenverteidiger Jeffrey Bruma. "Das darf in der Form nicht fallen", sagte der Coach.

Dass der zweite Innenverteidiger Philipp Wollscheid (wie Bruno Henrique) phasenweise Bundesliga-Tauglichkeit vermissen ließ, kam erschwerend hinzu. "Wenn wir nur ein bisschen besser verteidigen und vorne die Tore schießen, dann gewinnen wir", sagte Wolfsburgs Torwart Koen Casteels. Den Dortmundern wiederum ist ihre Kantersieg-Serie allmählich ungeheuer, "gerade zu Hause" sollten die BVB-Fans berücksichtigen, "dass es immer wieder passieren kann, dass wir uns schwer tun", sagt Schmelzer. Der Hunger nach Ruhm aber ist ungebrochen: Zwei Heimsiege noch, und die runderneuerte Borussia würde mit 25 Bundesliga-Partien ohne Niederlage in Serie im Westfalenstadion eine Bestmarke aufstellen.

© SZ vom 22.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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