Strittige Elfmeter-Szene:Dortmunds Zorn ist fast grenzenlos

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Die Szene, über die später alle diskutierten: Bochums Danilo Soares räumt Karim Adeyemi ab - Schiedsrichter Stegemann entscheidet nicht nur auf Weiterspielen, sondern verzichtet auch auf die Hilfe des Videobildschirms. (Foto: Maik Hölter/Team 2/Imago)

Nach dem 1:1 in Bochum richtet sich die Wut des BVB in Richtung Schiedsrichter Stegemann, weil er nach einem Einsteigen gegen Karim Adeyemi keinen Elfmeter pfiff. Stegemann selbst gibt den Fehler zu und erklärt, wie er zur Entscheidung kam.

Von Ulrich Hartmann

Dem Fußballmanager Sebastian Kehl sind Freitagnacht viele F-Wörter eingefallen. Borussia Dortmunds Sportdirektor fand im vorangegangenen Spiel mehrere Entscheidungen des Schiedsrichters Sascha Stegemann "fahrlässig", "feige", "frech" und "falsch" - ganz besonders jene, als dem Dortmunder Spieler Karim Adeyemi in der 65. Minute im Bochumer Strafraum die Beine weggerissen wurden, ohne dass es einen Elfmeter für Dortmund und eine gelb-rote Karte für den Bochumer Danilo Soares gegeben hat. Ein Elfmeter hätte womöglich das 2:1 für Dortmund erbracht, das man anschließend in Überzahl hätte heimspielen können. So aber endete die Partie beim Abstiegskandidaten Bochum 1:1 unentschieden.

Die Beine weggerissen - oder sagt man besser: den Boden unter den Füßen? - hat es Freitagabend auch Borussia Dortmund, denn durch diesen einen Punkt, den sie in Bochum holten, ermöglichen sie dem Titel-Duellanten Bayern München am Sonntag im Heimspiel gegen den Tabellenletzten Hertha BSC die Chance, mit einem Sieg die Tabellenführung zurückzuerobern und anschließend in vier Spielen alles in der eigenen Hand zu haben. Dass die Bayern gegen Hertha gewinnen, erwartet man in Dortmund durchaus, aber nicht zwingend, dass sie danach auch alle anderen Spiele noch gewinnen. "Wir wissen aus dieser Saison, wie schnell sich die Dinge verändern können", sagt der Trainer Edin Terzic. Drei Heimspiele haben die Dortmunder noch in den vier restlichen Partien. Terzic schwört die schwarz-gelbe Gemeinde auf Zuversicht ein, wenn er sagt: "Wir sind Borussen und werden weiterhin alles geben."

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Im Spiel in Bochum haben die Dortmunder viel gegeben, gelungen ist ihnen aber nur wenig. Bochums Führungstreffer durch Anthony Losilla in der 5. Minute glich Karim Adeyemi in der 7. Minute zum 1:1-Endstand aus. Danach liefen sie erfolglos an. Es war wettbewerbsübergreifend ihr sechstes siegloses Auswärtsspiel in Serie. "Gebäude-unabhängige Leistungen", wie Terzic sie vor wenigen Wochen mal augenzwinkernd von seiner Mannschaft gefordert hatte, bekommt er immer noch nicht zu sehen. Dortmund ist die heimstärkste Mannschaft der Bundesliga, aber auswärts haben sie von 16 Spielen nur sieben gewonnen. Das könnte am Ende zu wenig sein, um deutscher Meister zu werden.

Trainer Edin Terzic suchte das Gespräch mit Stegemann und sah aufgrund seiner Proteste oder aufgrund seiner Wortwahl die gelbe Karte. (Foto: Ralf Treese/Treese/Imago)

Ein nicht gegebener Elfmeter in Bochum gehört für die Dortmunder ab sofort aber auch zum Repertoire jener möglichen Gründe, die am Saisonende Erwähnung finden könnten. Kehl monierte insgesamt sogar drei strittige Entscheidungen: dass dem Bochumer Treffer ein Foul im Mittelfeld an Emre Can vorangegangen sei, dann Stegemanns Ignorierung des "klaren" Fouls an Adeyemi und schließlich in der Schlussphase ein womöglich strafwürdiges Handspiel des Bochumers Erhan Masovic im Strafraum. Drei fragwürdige Entscheidungen gegen seinen BVB brachten den Manager derart auf, dass seine Stimme sehr, sehr laut durchs Souterrain des Bochumer Stadions hallte - mit dem abschließenden Satz: "Heute ist es nicht mit rechten Dingen zugegangen." So etwas sagen normalerweise Geisterjäger nach dem Besuch eines Spukhauses. Etwas unter den Tisch fiel, dass Adeyemi in den vergangenen Spielen zwei mal Gelb wegen Schwalben sah und auch das Schiedsrichter Stegemann beeinflusst haben könnte.

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Während Stegemann wenig Verständnis für die Dortmunder Wut gezeigt haben soll, erhielten die Dortmunder das volle Mitgefühl des Bochumer Trainers Thomas Letsch, der ähnlich wie Kehl und Terzic damit argumentierte, dass ein Schiedsrichter in dieser entscheidenden Phase der Saison, in der es um nicht weniger als den Titel geht, schon explizit sicherstellen müsse, dass er keine Fehlentscheidung treffe. "Es geht um so viel", sagte Letsch. Aber Stegemann hatte sich die Elfmeterszene eben nicht noch einmal am Spielfeldrand angeschaut. Kehl klagte vor allem über diese unterlassene Hilfeleistung. "Er hat doch die Mittel zur Verfügung, dann muss er auch rausgehen und es sich anschauen."

Dass ein Elfmeter oder ein Handspiel nicht gegeben wird, das passiert im Fußball natürlich immer wieder. Aber im Schlussspurt eines Meisterrennens ist das schmerzhafter als früh in der Saison oder in einem bedeutungslosen Spiel. Kehl und Terzic betonten am Freitagabend, dass sie im Laufe der Saison die Fehler eher bei sich und in der eigenen Mannschaft gesucht hätten, aber dass es diesmal anders sei. "Wir waren immer selbstkritisch", sagte Kehl, "aber jetzt muss ich leider sagen: Heute hat der Schiedsrichter das Spiel entschieden." Am Samstag äußerte sich auch der DFB und räumte den Fehler ein.

Auch Stegemann meldete sich am Samstag zu Wort: "Man steht mit einem unguten Gefühl auf, weil man sich ärgert, dass man in einer Szene nicht die richtige Entscheidung getroffen hat", sagte er im Interview mit dem WDR. "Nach Betrachten ist es ein Strafstoß in der Situation mit Adeyemi für den BVB. Ich hatte es auf dem Platz allerdings überhaupt nicht so gesehen", sagte er. Es habe für ihn den Eindruck gemacht, "als sei es ein gesuchter Kontakt und Elfmeter gewesen", erklärte Stegemann. Den Video-Assistenten Robert Hartmann nahm er in Schutz. Hartmann habe sich die Szene zwar angeschaut, aber habe keine offensichtliche Fehlentscheidung wahrgenommen. "Als Schiedsrichter habe ich den Anspruch, die Szene auf dem Spielfeld zu lösen, ohne den Video-Assistenten unnötig in Gebrauch zu nehmen", sagte Stegemann.

Und so könnte in den nächsten Wochen vielleicht sogar der Moment kommen, an dem mancher in Dortmund denken wird, der Schiedsrichter Sascha Stegemann habe am 28. April 2023 um 21.45 Uhr nicht nur ein Spiel, sondern sogar die Meisterschaft entschieden. Aber das wäre gewiss übertrieben. Und noch kann ja vieles passieren an den finalen vier Spieltagen.

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