Helge Leonhardt muss die Aussichtslosigkeit seiner Forderung klar gewesen sein. "Diesen Appell sende ich auch an die DFL, egal, ob er dort gehört wird oder nicht", sagte der Präsident des FC Erzgebirge Aue. Er wurde zumindest nicht erhört. Schon am Tag darauf erteilte die Deutsche Fußball Liga dem Vorschlag eine Absage.
Leonhardt hatte einen "Fußball-Lockdown" gefordert, bis Jahresende solle kein Spiel mehr gespielt werden. Der Schutz der Menschen stehe über allem, man müsse Vorbild sein, "Sorgfalt vor Gier" walten lassen, er vertraue Virologen und Medizinern. Er beteuerte, keinen hinterhältigen Gedanken zu hegen, allerdings sei es nun mal so, dass Aue, Dresden und Leipzig derzeit ohne Zuschauer spielen müssen, anderswo seien die Stadien fast ausverkauft. Das widerspreche dem "Gleichheitsprinzip".
Nun möchte man gern glauben, dass der Fußball "Sorgfalt vor Gier" walten lässt. Allein, man kommt nicht umhin festzustellen, dass nicht nur in Aue im Fußball - mal wieder - eine große Schnittmenge zwischen gesellschaftlichen und eigenen Interessen besteht. Als in der Saison 2019/20 die Debatte im Raum stand, ob die Saison der dritten Liga abgebrochen wird, plädierten fast alle Mannschaft in Abstiegsgefahr dafür, fast alle mit Aufstiegschancen dagegen.
Die DFL erinnert daran, dass sich alle 36 Profiklubs darauf verständigt haben, diese Umstände im Fall der Fälle zu tolerieren
Und während im Osten der Republik Aue um Gleichheit wirbt, plädiert im Westen der BVB-Boss Hans-Joachim Watzke gegen Zuschauerbeschränkungen. Man dürfe Klubs nicht in "Kollektivhaftung" mit anderen nehmen, die "wesentlich weniger geimpft" seien.
Im Moment sind in Sachsen gar keine Fans zugelassen; in Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen maximal 25 000 Zuschauer; in Nordrhein-Westfalen, wo Ministerpräsident Hendrik Wüst publikumswirksam das 2-G-Modell für Profisportler gefordert hatte, gilt nur eine Beschränkung für Stehplätze - Borussia Dortmund darf sein Stadion also fast komplett füllen.
Das sind in der Tat ungleiche Voraussetzungen - allerdings hat die DFL recht, wenn sie schreibt, dass sich alle 36 Profiklubs darauf verständigt haben, diese Umstände im Fall der Fälle zu tolerieren - und nicht eigenständig den Föderalismus außer Kraft zu setzen.
Außerhalb der Welt des Fußballs dürfte man das ohnehin als Luxusdebatte einordnen. Das Robert-Koch-Institut empfahl schon vor zwei Wochen, Großveranstaltungen abzusagen, und appellierte, nicht notwendige Kontakte zu reduzieren. Angesichts von Inzidenzen und Krankenhausüberlastungen wird die Frage sehr bald nicht mehr sein, wie viele Zuschauer die Stadien füllen dürfen. Sondern, ob überhaupt Zuschauer reindürfen. Und in der Vergangenheit war es zumindest so, dass vor einem Lockdown des Profifußballs erst mal der allgemeine Lockdown kam.