Bundesliga:Wolfsburg agiert wie ein Werksklub im schlechtesten Sinne

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Spieler des VfL Wolfsburg nach dem 1:3 gegen den HSV. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Der VW-Verein Wolfsburg kauft sich die teuersten Teile - aber ein funktionierendes Gebilde wird nicht draus. Dem Klub fehlt schon lange eine Idee und eine Seele.

Kommentar von Christof Kneer

Am nächsten bei sich war der VfL Wolfsburg in den Jahren 1998 bis 2003. Zum einen, weil der Klub da einige zu Unrecht vergessene Spieler wie Holger Ballwanz, Marino Biliskow und natürlich Hans Sarpei in seinen Reihen hatte, vor allem aber wurde Wolfsburg in dieser Zeit von Wolfgang Wolf trainiert. Das war so unfassbar lustig, dass manchmal englische Reporter vorbeikamen und ihren Lesern die Supergeschichte vom Wolf im gleichnamigen -burg erzählten. Eine Nebenpointe erhielt die Geschichte im letzten Wolfjahr, weil da im Wolfrevier sogar ein Tiger gesichtet wurde. Mit bürgerlichem Namen hieß der Tiger, der vom Wolf trainiert wurde, Stefan Effenberg.

Wenn man sich's überlegt, ist der VfL Wolfsburg also fast schon ein Traditionsverein, auch wenn zum Treffen der alten Helden wahrscheinlich wieder nur Roy Präger kommt. Aber es gibt immerhin was zu erzählen vom VfL, der übrigens mit seiner grandiosen Grafite/Dzeko/Misimovic-Elf in jenem Jahr Meister wurde (2009), in dem ein österreichischer Unternehmer RB Leipzig erst gründen ließ.

Der VfL ist zurzeit keine Gefahr für die Traditionsklubs, höchstens für die in Liga zwei

Am nächsten Wochenende müssen die Wolfsburger nun in Leipzig antreten, und wenn sie so spielen wie zuletzt, könnte es bald eine andere Geschichte zu erzählen geben. Es wäre eine große Geschichte, die aber keinen Engländer mehr interessieren würde: die Geschichte vom Absturz eines Klubs, der vor neun Jahren Meister wurde, vor drei Jahren den Pokal gewann und vor zwei Jahren im Viertelfinale der Champions League nur knapp an Real Madrid scheiterte. Zur Ehrenrettung der Engländer sei gesagt: Nicht mal in Deutschland hat die Geschichte bisher die Leute berührt, noch immer ist der VfL Wolfsburg jener Klub, der den Leuten nicht einfällt, wenn sie auf der Straße gefragt werden, ob sie mal die 18 Erstligisten aufzählen können. Leipzig fällt den Leuten ein, Leverkusen sowieso, auch Hoffenheim, allein schon wegen des sehr aufzählenswerten Trainers Nagelsmann.

Wer trainiert Wolfsburg noch mal?

Traditionsklubs gegen Kommerzklubs: Das war auch in dieser Saison ein großes Thema, aber der Fall Wolfsburg zeigt, dass es ungerecht wäre, die sog. Kommerzklubs gemeinsam zu veranschlagen. Bei vergleichender Lektüre der Standorte ergibt sich eindeutig, dass die Wolfsburger die Lieblinge der Traditionalisten sein müssten. Denn anders als Leipzig, Leverkusen und Hoffenheim stellt der VfL zurzeit keine Gefahr für die stolzen Traditionsklubs dar, allenfalls für den VfL Bochum und den MSV Duisburg in der zweiten Liga. Die Wolfsburger machen die Dinge auf vorbildliche Weise falsch, sie sind so, wie sich die Traditionalisten einen Retortenklub wünschen.

Hoffenheim, Leipzig und die längst etablierten Leverkusener haben erhebliches Know-how angesammelt, sie investieren ihre Hopp-Mateschitz-und-Bayer-Millionen in klare Konzepte. Der VfL dagegen agiert wie ein VW-Werksklub im besten, also schlechtesten Sinne: Er geht einfach zum Zulieferer und kauft etwas hinzu. Die Folge dieser Mentalität ist im Fußball, dass man manchmal mit vier Turboladern spielt, aber dummerweise ohne Lenkrad. Der VW-VfL leistet sich gern die teuersten Teile, die Manager heißen Magath, Allofs und Dieter Hoeneß, die Spieler heißen Effenberg, D'Alessandro, Diego, Schürrle und Draxler, die zwei Letzteren kosteten zusammen mehr als 60 Millionen Euro. Aber selten passen die Teile ins Auto, und wenn, dann scheitern die Ingenieure an der Weiterentwicklung.

Zwei aussichtsreiche Mannschaften hat der VfL einfach so aus der Stadt gelassen, aus den 2009- und 2015er-Teams entwickelte sich nichts. Spielern wie Kevin De Bruyne oder Julian Draxler fällt einfach kein Grund ein, warum sie bei einem Klub bleiben sollten, der immer noch seine Seele und seine Idee sucht.

© SZ vom 30.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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