VfL Wolfsburg:Führungslos durch den Abstiegskampf

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Für den VfL Wolfsburg wird die Lage immer bedrohlicher. (Foto: Bongarts/Getty Images)
  • Vor dem 1:3 gegen den HSV stellt der VfL Wolfsburg den Sportdirektor Olaf Rebbe frei.
  • "Es soll keine Ausrede sein. Aber hilfreich ist das alles nicht", sagt Mittelfeldspieler Maximlian Arnold nach dem Spiel.
  • Der Druck lastet nun mehr denn je auf Trainer Bruno Labbadia und seiner Mannschaft.
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Von Javier Cáceres, Wolfsburg

Wie sehr es in Wolfsburg gärt, war dann nach dem Schlusspfiff zu sehen. Mit Szenen, denen gemeinhin das Adjektiv "unschön" anhaftet: Einige Wolfsburger Zuschauer hatten ihre Plätze schon verlassen, als sie beim Zwischenstand von 0:2 schon keine Hoffnung mehr auf eine Wende zugunsten des VfL hatten. Und die anderen, diejenigen unter den radikalsten Fans, die bis zum Ende ausgeharrt und nach den beiden Toren von Bobby Wood (43./Foulelfmeter) und Lewis Holtby (44.) noch den Anschlusstreffer von Josip Brekalo (78.) gesehen hatten, stiegen dann beim 1:3-Endstand durch Luca Waldschmidt (90.) auf den Zaun, drohten mit Gesten, stießen Flüche aus, vermummten ihr Gesicht, machten Anstalten, den Platz stürmen zu wollen, verwickelten Maximilian Arnold in ein hitzig anmutendes Wortgefecht.

Arnold war wohl der Wolfsburger mit dem traurigsten Blick in den Katakomben. Er stellte sich dennoch als einer der wenigen den Medien: "Wenn wir uns jetzt selbst zerfleischen, haben wir keine Chance", war die Botschaft, die er den Fans mitgegeben habe, sagte er.

Die Wahrheit ist: Die Wolfsburger haben in Sachen Selbstzerfleischung längst eine eigene Meisterschaft entwickelt. Just am Vorabend der Partie gegen den HSV war der seit Monaten diskreditierte Sportdirektor des VfL, Olaf Rebbe, freigestellt worden. Damit ist der VfL, der erst vor wenigen Wochen im Zuge des Umbaus an der Spitze des Mutterkonzerns Volkswagen den Aufsichtsratsvorsitz ausgetauscht hatte, führungslos. So führungslos, dass sich keiner der verbliebenen Großkopferten des Klubs in der Kabine blicken ließ.

"Es soll keine Ausrede sein. Aber hilfreich ist das alles nicht", sagte Arnold mit Blick auf den Abschied Rebbes. Dieser hatte sich zwar schon seit geraumer Zeit angedeutet, wurde aber nur deshalb jetzt vollzogen, weil das nach den halböffentlichen Verhandlungen Wolfsburgs mit Hannovers Horst Heldt unumgänglich geworden war. Trainer Bruno Labbadia sorgte sich um den Menschen Rebbe. Und kam dann auch nur zu dem Schluss, dass das Team sich nicht von der Personalie tangieren lassen darf. Denn die sportliche Lage ist noch prekärer geworden, der HSV ist durch den Sieg auf nur noch zwei Punkte an den VfL herangerückt.

Die Nachfolge von Olaf Rebbe bleibt ungeklärt

Eine gute Viertelstunde lang redete Labbadia nach der Partie auf die Mannschaft ein. Und beschwor sie, sich "von der Stimmung, die um uns herrschen wird, nicht komplett anstecken lassen", sich davon völlig freizumachen sei unmöglich. "Mir ist natürlich klar, dass jetzt auf uns ein Stück weit eingehauen wird und dass wir das jetzt auch akzeptieren müssen, weil wir zu wenige Ergebnisse geliefert haben", erklärte der Trainer. Aber es hilft ja nichts. "Wir sind gefordert, sofort wieder aufzustehen." Sofort heißt: kommende Woche bei RB Leipzig.

Gegen Hamburg waren so einige Dinge zu sehen, die mit der unglücklichen Personalie Rebbe zu tun haben. Er hatte die sportlichen Geschicke des VfL Wolfsburg im Winter 2016/17 übernommen, von seinem Förderer und Mentor Klaus Allofs. Das war, wie der Sprecher der Geschäftsführung Wolfgang Hotze mitteilen ließ, fürwahr "in einer sehr schwierigen Phase", die letztlich noch schwieriger wurde. Der VfL konnte die Klasse nur in den Relegationsspielen gegen Eintracht Braunschweig halten.

Geschäftsführer-Kollege Tim Schumacher versuchte, Rebbe dafür zu loben, dass er "in seiner Zeit als Sportdirektor neue Nachwuchs-Strukturen geschaffen und das Konzept der VfL-Fußball-Akademie umgesetzt" habe, das habe zur Integration von Eigengewächsen wie Gian-Luca Itter, Elvis Rexhbecaj und Paul Jaeckel ins Bundesliga-Team geführt. Bis Freitagabend war das Trio aber über insgesamt zehn Bundesligaspiele nicht hinausgekommen. Und Rebbe wird aber vor allem etwas anderes attestiert: Investitionen von rund 100 Millionen Euro für neue Spieler weitgehend in den Sand gesetzt zu haben, am Samstag wusste nur das einzige Schnäppchen, der einstige 1860-Innenverteidiger Felix Uduokhai, zu überzeugen. Auch mit den Trainern - Andries Jonker, Martin Schmidt und nun Bruno Labbadia - hatte Rebbe keine Fortune. Labbadia hat in neun Spielen fünf Niederlagen, drei Unentschieden und nur einen Sieg eingefahren.

Wer nun auf Rebbe folgt, ist eine Frage, die auch nach der Pleite gegen den HSV unbeantwortet blieb. Die andere: ob es einen Plan B zu Heldt gibt. Der Druck lastet mehr denn je ausschließlich auf den Schultern von Mannschaft und Trainer. "Jetzt müssen wir die Nerven behalten und als Mannschaft funktionieren", sagte Labbadia, doch auch er weiß, dass das nach der schmerzhaften Niederlage gegen den Hamburger SV leichter gesagt war als getan.

© SZ vom 29.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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