Oje, schon wieder ein Aufreger für den Deutschen Beamtenbund. Wenige Wochen, nachdem Borussia Dortmunds Manager Michael Zorc seine phlegmatische BVB-Mannschaft als "Beamte" diskreditiert hatte, schlug Borussia Mönchengladbachs Mittelfeldspieler Christoph Kramer am Freitagabend in dieselbe Kerbe. Seinen Treffer zum 3:0-Endstand hatte er per Freistoß ins leere Tor geschossen, während Wolfsburgs Torwart Koen Casteels, am Pfosten stehend, seine müden Kollegen gerade umständlich zum Mauerbau dirigierte.
Hinterher erklärte Kramer genüsslich, wie er diese "Abschaltsituation" der Wolfsburger nutzte, um den Ball frech ins Tor zu schießen. Er habe sich beim Schiedsrichter Tobias Stieler extra noch erkundigt, ob der Ball schon freigegeben sei, was dieser bestätigte. Eines Pfiffes bedarf es dabei nicht. "Dann führe ich auch gerne schnell aus und warte nicht ab, bis sich da jeder Beamte hingestellt hat", sagte Kramer grinsend.
Zorc und Kramer haben gewiss nichts gegen Beamte und würden explizit sicher auch keine Klischees bemühen wollen, aber seltsam ist das schon, dass Staatsdiener offenbar gerne als Musterbeispiele für langsames, uneffektives und erfolgloses Arbeiten herangezogen werden. Die Entrüstung beim Beamtenbund wäre vielleicht auch nicht so groß, wenn ihre veunglimpften Schutzbefohlenen wenigestens so viel Geld verdienen würden wie, sagen wir mal, Fußballprofis beim VfL Wolfsburg.
Nun sind exorbitante Gehälter in der Bundesliga oft aber kein Garant für exorbitante Leistungen, weshalb sich Wolfsburgs Trainer Bruno Labbadia am Freitagabend auch nicht mal allzu sehr aufregte über die maue Körpersprache seiner Mannschaft. Binnen drei Spielen zuvor hatte Wolfsburg kein Gegentor mehr zugelassen, und wenn man bedenkt, dass die beiden zuletzt zugelassenen Gegentreffer auch noch Eigentore gewesen waren, dann hatte Wolfsburg vor dem Gastspiel in Gladbach 6:13 Stunden lang kein Gegentor mehr durch einen gegnerischen Spieler zugelassen.
Bundesliga am Freitag:Schuss ins leere Tor
Haarsträubende Abwehrfehler, ideenloses Angriffsspiel: Der VfL Wolfsburg spielt beim 0:3 in Mönchengladbach schon wie ein Absteiger. Die Gäste helfen bei allen Toren tatkräftig mit.
Das ist eine gute Bilanz, die in Gladbach aber binnen 44 Minuten in sich zusammenfiel. Lars Stindl (8.), Raffael (35.) und Kramer (44.) schossen den relegationsgefährdeten VfL Wolfsburg in Nullkommanichts in noch akutere Relegationsgefahr, was Labbadia und die Spieler hernach erstaunlich gleichmütig kommentierten. Man kann das aber auch anders sehen: Sie blieben einfach cool. "Wir müssen jetzt die Nerven bewahren", sagte Labbadia. Gegen Hamburg, in Leipzig und gegen Köln besitzen die Wolfsburger reelle Chancen, sich im Kampf um die Rettung gegen die direkten Tabellennachbarn Mainz und Freiburg durchzusetzen.
Es gibt Gerüchte, dass sich Wolfsburg um Horst Heldt bemüht
Nur der möglicherweise vor dem Aus stehende Wolfsburger Sportdirektor Olaf Rebbe wagte hinterher, die Leistung der Mannschaft in Frage zu stellen. "So funktioniert kein Abstiegskampf", sagte er, "man muss sich fragen, ob da alles gegeben wurde." Für Rebbe könnte die Zeit demnächst ablaufen, Gerüchte über ein Bemühen seines Klubs um den Hannoveraner Sportdirektor Horst Heldt nannte Rebbe "vermutlich gut recherchiert". All das "Geraschel und die Gerüchte interessieren mich aber momentan nicht, das ist nicht meine Baustelle", ergänzte er. In Wolfsburg steht Vieles vor dem Umbruch. In dem Spiel in Mönchengladbach glaubte man das den Profis auch anzumerken.
Für die Gladbacher war der Sieg natürlich eine Befreiung. Die in dieser mauen Saison oft unzufriedenen Zuschauer zeigten sich begeistert wie seit vielen Wochen nicht mehr. "Heute war endlich mal zu sehen, was die Mannschaft und die Zuschauer gemeinsam für eine Wucht entwickeln können", sagte Kramer, und der zufriedene Trainer Dieter Hecking ergänzte: "Es wäre schön, wenn durch diesen Sieg alle wieder näher zusammenrücken."