Schalke 04:Endlich nicht mehr Letzter

Lesezeit: 3 min

Marius Bülter (links) bejubelt den Treffer zum 2:0. (Foto: Gabriel Boia/Eibner/Imago)

Schalke setzt seine erstaunliche Serie mit einem 2:0 gegen Bochum fort und verlässt Rang 18. Die Grundlagen für den ersten Auswärtssieg in der Bundesliga seit mehr als drei Jahren: ein kurioses Eigentor - und ein einstudierter Eckball-Trick.

Von Ulrich Hartmann, Bochum

An den vormals letzten Schalker Auswärtssieg in der Bundesliga hatte von den 19 Spielern, die am Samstag zum königsblauen Kader gehörten, kein einziger eine Erinnerung. Einfach deshalb, weil keiner dieser 19 dabei war, als der FC Schalke 04 am 23. November 2019 mit 2:1 bei Werder Bremen gewann. Der Trainer hieß damals David Wagner, der Torwart Alexander Nübel, die Torschützen waren Amine Harit und Benito Raman.

Etwas mehr als drei Jahre und drei Monate später, inklusive einer Abstiegssaison ohne Auswärtssieg (2020/21) und einem ganzen Jahr in der zweiten Liga (2021/22), gelang Schalke am Samstag erstmals seit damals wieder ein Auswärtssieg in der höchsten Liga. Mit einem 2:0 (1:0) im kleinen Revierderby beim VfL Bochum schaffte die gebeutelte Mannschaft zudem nach viereinhalb Monaten den Absprung vom letzten Tabellenplatz. Ein Eigentor des VfL-Torwarts Manuel Riemann (45.) und ein Treffer durch Marius Bülter (79.) ließen die Gelsenkirchener und ihre Fans jubeln. "Uns freut gar nicht mal am meisten, dass wir nicht mehr Letzter sind", sagte Bülter, "sondern dass wir wieder mittendrin sind in einem engen Abstiegskampf voller Chancen."

Die Bochumer wiederum fielen mit dieser Niederlage nach viereinhalb Monaten wieder ans Ende der Tabelle zurück. Sie waren am 10. September nach einem 1:3 auf Schalke Schlusslicht geworden - dem letzten Spiel unter ihrem damaligen Trainer Thomas Reis. Danach wurde Reis beim VfL entlassen, und jetzt kehrte dieser also als Schalker Trainer ins Bochumer Ruhrstadion zurück, um seinem ehemaligen Klub jenen Knock-Out zu versetzen, der ihn zurück auf den letzten Platz verbannte. Mit Reis verbinden sie beim VfL Bochum entsprechend nichts Gutes mehr: Wenn er involviert ist, sind sie hinterher jedenfalls immer Letzter.

Bochum tritt so harmlos auf, dass die Fans erstmals seit langer Zeit pfeifen

Die Bochumer Fans beleidigten am Samstag im Ruhrstadion aber nicht primär ihren Ex-Trainer, sondern im Laufe einer schwachen zweiten Halbzeit erstmals seit Langem markant ihre eigene Mannschaft. Es gab genervte Aufforderungen zum Kampf, und nach dem Spiel hagelte es gellende Pfiffe.

In der siebten Minute hatte der VfL-Stürmer Philipp Hofmann aus drei Metern über das leere Tor geschossen und in der 45. Minute hatte sich der für schwere Patzer mittlerweile fast schon berüchtigte VfL-Torwart Riemann den Ball stümperhaft ins eigene Tor befördert. "Slapstick!", blaffte der verletzte Stürmer Simon Zoller bei Sky. Er fand es allerdings nicht lustig.

SZ PlusFC Bayern
:Wenn der Eiffelturm in Stuttgart steht

Warmspielen für PSG - das war der Plan der Bayern für Stuttgart. Doch es reicht nur zu einem 2:1-Zittersieg. Aber Trainer Nagelsmann bleibt fürs Paris-Spiel eine wichtige Erkenntnis, die viel mit der 62. Minute zu tun hat.

Von Philipp Schneider

Nach diesen beiden Schocks wirkte die Bochumer Mannschaft in der zweiten Hälfte wie gelähmt. "Ich kann aber trotzdem nicht verstehen und auch nicht akzeptieren, dass uns die eigenen Fans den Stinkefinger zeigen", beklagte sich Mittelfeldmann Philipp Förster bitter enttäuscht. Seine Erkenntnis aus zuletzt vier Bundesliga-Niederlagen in Serie und sechs Stunden am Stück ohne eigenen Treffer: "So wird es schwer, in der Bundesliga zu bleiben."

Manchmal ist weniger mehr: Bochums Torwart Manuel Riemann (am Boden) greift übereifrig und unkontrolliert ein und schenkt Schalke 04 das 1:0. (Foto: Leon Kügeler/Reuters)

Das Momentum auf ihrer Seite haben derweil die Schalker. Sechs Spiele ohne Niederlage, zuletzt zwei Siege nacheinander und binnen neun Stunden bloß ein einziges Gegentor lassen nach viereinhalb Monaten als Schlusslicht neue Hoffnung gedeihen. "Mit jedem guten Ergebnis wachsen Selbstvertrauen und Glaube", erklärte Torschütze Bülter den Aufschwung. Zurzeit gelingt den Schalker folglich vieles, etwa jener Treffer zum 2:0 nach einer Ecke, die sie unter der Woche mit Co-Trainer Markus Gellhaus einstudiert hatten. Auch Trainer Reis freute sich: "Zurzeit haben wir das Glück auf unserer Seite."

Schalke ist nun seit sechs Spielen ungeschlagen - und fiebert dem Derby gegen Dortmund nächsten Samstag entgegen

Damit meinte er auch Riemanns Eigentor kurz vor der Pause, wofür die Schalker nun wirklich überhaupt nichts konnten. Beim 2:0, dem eigenen Treffer, jubelte Reis bewusst nur kurz. Größere Gesten, betonte er, habe er sich erspart, "aus Respekt vor einem Verein, bei dem ich drei Jahre eine tolle Zeit hatte". Die Bochumer Fans ersparten sich zwar gesungene Beleidigungen gegen Reis, vor dem Spiel hatte am Zaun zu ihrer Osttribüne aber kurz ein Banner gehangen, auf dem stand: "Wenn du kein ehrloser Bastard bist, wer dann?" Dies bezog sich darauf, dass sich Reis in der vergangenen Sommerpause auf einen Flirt mit dem Rivalen Schalke eingelassen hatte; ein Flirt, der ihn in Bochum nach sechs Niederlagen zum Saisonauftakt im September dann den Job kostete.

Nach dem kleinen Derby in Bochum fiebern die Königsblauen nun dem für sie eigentlich einzig wahren Derby entgegen: Am kommenden Samstagabend empfangen sie in ihrer Arena Borussia Dortmund. Gegen den in der Bundesliga zuletzt acht Mal nacheinander siegreichen BVB sollen die Schalker Festspiele ungestört weitergehen. Da kennen sie im Ruhrpott keine falsche Bescheidenheit.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Borussia Dortmund
:Die Definition von einem Lauf

Zehn Siege in zehn Spielen - auch wenn beim 2:1 gegen Leipzig am Ende ein bisschen Glück dabei ist. BVB-Trainer Edin Terzic weigert sich aber weiter stur, von der Meisterschaft zu reden. Er weiß, dass nun eine wegweisende Woche kommt.

Von Ulrich Hartmann

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: