Wahlen beim VfB Stuttgart:"House of Cards" auf schwäbisch

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Herausforderer des Amtsinhabers Claus Vogt: Pierre-Enric Steiger will Präsident des VfB Stuttgart werden. (Foto: Herbert Rudel /Sportfoto Rudel/Imago)

Der VfB Stuttgart kürt nach turbulenten Monaten einen Präsidenten. Die Grabenkämpfe hinter den Kulissen sind viel gravierender als die Unterschiede zwischen den Kandidaten Vogt und Steiger.

Von Christoph Ruf, Stuttgart

Eigentlich wollen sie beim VfB Stuttgart an diesem Sonntag nur einen Präsidenten, dessen Stellenvertreter und ein paar Gremien-Mitglieder wählen. Zur Wahl für das höchste Amt im Verein stehen der amtierende Präsident Claus Vogt und dessen Herausforderer Pierre-Enric Steiger. Doch die Nachrichten, die aus den Schützengräben hinter den Kulissen dringen, erinnern eher an die Machenschaften obskurer Strippenzieher in Politthrillern wie "House of Cards" als an ein Duell um ein Ehrenamt bei einem Fußballverein.

So meldete sich zuletzt Michael Astor, ein Kandidat für die Wahl des Vereinsbeirats, per Twitter zu Wort - und machte publik, dass er "in den letzten Tagen und Wochen des Öfteren von Personen kontaktiert worden" sei, die "lange Zeit bei unserem VfB in Gremien vertreten" gewesen seien: "Diese Gespräche hatten ein Ziel: mich zu instrumentalisieren und gegen unseren amtierenden Präsidenten aufzubringen." Man habe ihm geraten, berichtete Astor, er solle sich zum Schein "der 'Pro-Vogt-Linie' anschließen. So würde ich sicher gewählt werden, da sie mir aus ihrem Kreise dann ebenfalls Stimmen geben würden." Auch ein amtierender Vereinsbeirat, der sagte, es werde "im privaten und im beruflichen Bereich gegraben", sowie ein renommierter Journalist der Stuttgarter Zeitung meldeten sich zu Wort. Letzterer rückte "Vorwürfe, Gerüchte und Unterstellungen" gerade, die seine Unabhängigkeit desavouierten.

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Steiger und Vogt hatten sich bei der Kandidatenvorstellung im Mai versprochen, einen fairen Wahlkampf zu führen. Daran haben sie selbst sich bislang gehalten. Hinter den Wühlarbeiten stecken wohl eher Vogt-Gegner, denen der Unternehmer seit seiner Wahl Ende 2019 ein Dorn im Auge ist. Inhaltlich sind die Unterschiede zwischen den beiden Kandidaten derweil nicht annähernd so gravierend wie die Vehemenz der Grabenkämpfe vermuten lassen könnte. Steiger ist der Chef der nach seinem verunglückten Bruder benannten Björn-Steiger-Stiftung, die sich seit mehr als 50 Jahren einer Verbesserung des Rettungsdienstes verschrieben hat. Steiger, der in der evangelischen Kirche engagiert ist, absolvierte in den vergangenen Wochen einen regelrechten Wahlkampfmarathon mit mehr als 100 Veranstaltungen.

Vorstandschef Hitzlsperger, lange Zeit mit Vogt im Clinch, verhält sich nun neutral

Er präsentierte sich dabei als Mann des Ausgleichs, der die verschiedenen Strömungen im VfB zusammenführen und "neue Finanzierungskonzepte und Einnahmequellen" erschließen will. Rhetorisch agierte er dabei nicht immer glücklich. "Ohne den christlichen Glauben, haben wir festgestellt, kriegt man die Struktur nicht hin", berichtete er auf einer Fanversammlung, bei der es über Rettungsdienste im Ausland ging. "Wenn diese Nächstenliebe nicht da ist, sondern der Gegenüber einem vollkommen wurscht und egal ist", erschwere das die Arbeit eines Rettungsdienstes. Die Aussage, dass bei den Veranstaltungen des VfB-Freundeskreises "auch die Ehefrauen immer mitkommen", wirkte auch nicht unbedingt als Beleg eines modernen Gesellschaftsbildes. Punkten dürfte Steiger hingegen mit der Ankündigung, dass er im Gegensatz zum amtierenden Präsidenten auf eine Aufwandsentschädigung von 50 000 Euro pro Jahr verzichten würde.

Vogt, 51, der qua Amt auch Aufsichtsratsvorsitzender der in eine Aktiengesellschaft ausgegliederten Fußball-Abteilung des Bundesligisten ist, will wie Steiger die Rechte der Mitglieder stärken. Zudem soll der Fan-Ausschuss, der den Vorstand in Fan-Angelegenheiten berät, weiterentwickelt werden. Eine Erhöhung des Mitgliedsbeitrags von 48 auf 60 Euro hält Vogt für unumgänglich, ein Ende der internen Grabenkämpfe ebenfalls: "Vorfälle wie in den vergangenen Jahren dürfen sich nicht wiederholen", erklärte er auf der Vereinshomepage, er plädiert für "Transparenz und Verlässlichkeit als höchstes Gut".

Damit spielt er zum einen auf den mittlerweile beigelegten Machtkampf mit VfB-Vorstand Thomas Hitzlsperger an, der Vogt Ende des vergangenen Jahres zum Rücktritt drängen wollte. Zum anderen waren vor der mit großer Mehrheit beschlossenen Ausgliederung der Profiabteilung in großem Stile Mitgliederdaten zweckentfremdet worden, um damit Werbung für die Umstrukturierung zu machen. Vogt, der die Affäre aufklären wollte, setzte sich letztlich durch, ein halbes Dutzend Funktionäre verlor seine Jobs. Im derzeit stattfindenden Wahlkampf verhält sich der Sport-Boss Hitzlsperger nun neutral. Sowohl er als auch Vogt betonen, sie hätten sich zusammengerauft und eine gemeinsame Arbeitsebene gefunden.

Am Sonntag steht den Mitgliedern - gerechnet wird mit rund 3000 Teilnehmern - eine Mammutveranstaltung ins Haus. Um 11 Uhr öffnen die Stadiontore für die analog stattfindende Veranstaltung. Mit ersten Abstimmungsergebnissen rechnen Pessimisten aber erst zehn Stunden später. Vor allem der Punkt "Aussprache" dürfte einige davon in Anspruch nehmen.

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