Ibisevic bei Schalke 04:70 000 Euro plus Prämien

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Vedad Ibisevic (vorne) wechselt von Hertha BSC zu Schalke 04 - bislang hat der Stürmer in 340 Liga-Einsätzen 127 Tore erzielt. (Foto: Team 2/Imago)

Viele alternde Fußballer lassen sich fürstlich fürs Auf-der-Tribüne-Sitzen bezahlen. Vedad Ibisevic tut das Gegenteil: Er wechselt von Hertha zu Schalke - für ein erstaunlich geringes Gehalt.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Die alten Männer und das viele Geld, das ist derzeit ein führendes Gesprächsthema in Europas Fußball. Es gibt ja nicht nur den 33-jährigen Lionel Messi, der mit einem möglichen Wechsel vom FC Barcelona zu Manchester City Summen in Höhe von mehreren Bruttoinlandsprodukten bewegen würde. Es gibt zum Beispiel auch Gareth Bale, 31, den sein Trainer Zidane Zidane zur mehr oder weniger unerwünschten Person erklärt hat - was der walisische Angreifer mit der Versicherung unbedingter Vertragstreue zu kontern wusste. Zwei Jahre steht Bale noch bei Real Madrid im Wort, 34 Millionen Euro Gehaltsleistung werden in der Zeit fällig. Seinem Klienten gefalle das Leben in Madrid, hat neulich Bales Berater erklärt und dabei vermutlich viel Spaß gehabt.

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Einem Wechsel in die Premier League sei er dennoch nicht abgeneigt, hat Bale jetzt offenbart, doch es ist klar, dass ihn Cardiff City, der Klub aus seiner Heimatstadt, nicht bezahlen könnte. Andere, wie der bald auch schon 32-jährige Mesut Özil beim FC Arsenal, geben klar zu verstehen, dass sie lieber auf der Tribüne sitzen, als ihren hochbezahlten Status gegen aktiven Fußballspaß einzutauschen.

Trotz der Konjunkturstörungen im Fußballgeschäft durch die Corona-Krise sind immer noch viele namhafte Spieler allenfalls unter Waffengewalt zu Verzicht und Kürzungen bereit. Der Uruguayer Edinson Cavani etwa, der jahrelang bei Paris Saint-Germain dazu verdammt war, für seine spaßorientierten Sturmpartner Neymar und Mbappé die schwere Arbeit zu übernehmen, ist jetzt zwar endlich ein freier Mann. Aber er ist nicht frei von den alten Ansprüchen. Das Angebot auf einen Dreijahres-Vertrag mit Benfica Lissabon lehnte er ab, angeblich waren ihm die offerierten 30 Millionen Euro zu wenig. Mit seinen 33 Jahren hält er sich für jung genug, mehr zu verdienen.

Mit 36 Jahren wird er nicht mehr jedes Spiel bestreiten - er soll den Mitspielern ein Beispiel geben

Jeder muss wissen, was er sich selbst wert ist, im Profifußball wird diese Einschätzung üblicherweise in Euro bemessen - je mehr, desto höher das Sozialprestige in der Branche. Insofern hat Vedad Ibisevic eine unzeitgemäße Entscheidung getroffen, als er am Donnerstag einen Vertrag mit Schalke 04 abschloss. Der 36 Jahre alte Mittelstürmer, im Sommer aus dem Engagement bei Hertha BSC ausgeschieden, war wohl nicht mehr ganz so begehrt wie Edinson Cavani, doch er hätte in mehreren ausländischen Ligen immer noch sehr ordentlich verdienen können, eine runde Million (netto!) wäre, so heißt es, allemal drin gewesen.

Stattdessen berührt sein Jahresverdienst auf Schalke nicht mal die neulich vom Verein festgelegte Höchstgrenze von 2,5 Millionen Euro (die in anderen Vereinen die Basis für den Mindestlohn abgäbe). Den Erzählungen aus Gelsenkirchen zufolge, ist es vermutlich sogar schwierig, in der Bundesliga einen Spieler zu finden, dessen monatlicher Unterhalt weniger kostet als der von Ibisevic. Demnach verdient er mehr als ein Staatsanwalt - aber weniger als ein Oberstaatsanwalt. Allerdings bekommt auch kein einziger Staatsanwalt Auflauf-, Punkt- und Siegprämien, weshalb Ibisevic im Laufe der nächsten Saison dann doch etwas mehr als die kolportierten 70 000 Euro erhalten dürfte. Zwei Millionen brutto werden es aber auch dann nicht, wenn Schalke zum achten Mal deutscher Meister werden sollte.

Und Ibisevic will auch auf dieses Geld verzichten.

In Berlin wurde der aus Bosnien stammende Mittelstürmer nach fünf Dienstjahren in Ehren verabschiedet, die letzte Saison brachte ihm gemischte Erfahrungen. Ante Covic, der erste Trainer, setzte auf ihn; Jürgen Klinsmann, der nächste Trainer, brachte ihn mit zur Pressekonferenz und lobte ihn überschwänglich, setzte ihn dann aber auf die Bank; Alexander Nouri, Nummer drei, gewährte ihm ein paar Einwechslungen; Bruno Labaddia schließlich vertraute ihm einen Stammplatz an und behielt recht: Ibisevic schoss die Tore, die er immer schon geschossen hatte, unter anderem auch beim VfB Stuttgart unter Aufsicht von Chefcoach Labbadia. In 340 Bundesligaspielen kam er auf 127 Treffer.

Wer über Ibisevic spricht, versäumt selten den Spruch "der weiß, wo das Tor steht" zu sagen, und auch Klinsmann bedachte den Angreifer in seinem spektakulär indiskreten Hertha-Zeugnis, das Sport-Bild in vollem Umfang druckte, mit wohlwollenden Worten: "Super Typ, leider zu alt." So sehen das nun auch die Schalker, und das nicht nur deshalb, weil das außergewöhnliche Gehaltsmodell keine Idee des Vereins, sondern des Spielers sein soll.

In Gelsenkirchen hofft man, Ibisevic könne wie einst der späte Rudi Völler den Mitspielern ein Beispiel an Ambition und Professionalität geben und dazu auf abgeklärte Art "das eine oder andere Törchen" schießen, wie Völler sich ausdrückte. Er sei "top motiviert", teilte Ibisevic nach der Vertragsunterzeichnung mit, und selbst wenn er mit seinen 36 Jahren nicht mehr jedes Spiel bestreiten dürfte, wird er als Joker wahrscheinlich nicht weniger Tore schießen als im Vorjahr sein neuer Schalker Kollege Guido Burgstaller: In 21 Spielen ging dieser 21 Mal leer aus. "Eine echte Bereicherung", nennt Sportvorstand Jochen Schneider den ersten Zugang des Sommers, "ein erfahrener Offensiv-Spieler, der immer noch auf jeden Einsatz brennt".

Schalke plant trotzdem den Kauf eines weiteren Angreifers. Jung und schnell soll er sein, ein paar Millionen wird er auch kosten dürfen. Das Ja-Wort von Vedad Ibisevic verschafft dem zuletzt finanziell und sportlich krisengeplagten Klub etwas Zeit und Geduld - und finanziellen Spielraum.

© SZ vom 04.09.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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