Köln beim 1. FC Union:"Katastrophe" an der Rasenkante

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Schwieriges Geläuf: Berlins Sheraldo Becker im Zweikampf mit Kölns Jonas Hector auf dem frisch verlegten Rasen. (Foto: Stuart Franklin/Getty)

Nach dem 0:0 diskutieren Union Berlin und der 1. FC Köln vor allem über das neue Gras an der Alten Försterei. Warum wächst es nicht an? FC-Trainer Baumgart beweist erstaunliche Botanik-Kenntnisse.

Von Javier Cáceres, Berlin

Am Donnerstag saß Josip Juranovic, 27, im Stadion An der Alten Försterei vor Journalisten und schwelgte in Nostalgie. Der Kroate, zuletzt bei Celtic Glasgow aktiv und im Winter zu Union gestoßen, bekannte erstens, immer gern die Hymne der Champions League gehört zu haben. Und zweitens, sich kaum etwas sehnlicher zu wünschen, als die Melodie auch in Köpenick zu hören.

Zwei Tage drauf weckte nichts von dem, was in der Alten Försterei geboten wurde - genauer beim Spiel zwischen dem 1. FC Union Berlin und dem 1. FC Köln - Königsklassen-Assoziationen. Das war weniger eine Frage der Stadionbeschallung denn der Qualität der fußballerischen Darbietung. Das 0:0 zwischen dem 1. FC Union und dem 1. FC Köln stammte vielmehr aus der Abteilung jener Partien, die man auch unter den Rasenteppich hätte kehren können. Was am Samstag problemlos möglich gewesen wäre.

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An besagtem Donnerstag breitete nämlich Juranovic nicht nur seine Gedanken aus, sondern der 1. FC Union auch einen neuen Rasen. Und das hatte Folgen. Kölns Timo Hübers sprach von einer "Katastrophe", weil "gefühlt noch keine Rasenkante verwachsen" war und "schon beim Aufwärmen Stücke rausgerissen" seien.

Kölns Trainer Steffen Baumgart war darüber zwar nur mäßig überrascht. Der 51-Jährige verfügt über hinreichend große Kenntnisse in Botanik und Klimawandel, um seinen Kollegen Urs Fischer aus der Fassung zu bringen: "Steffen, du weißt ja fast mehr als ich, muss ich sagen. Wahnsinn. Du bist gut informiert." Baumgart hatte referiert, dass es im Moment schwierig sei, einen neuen Rasen zu verlegen, weil "du gerade bei der Trockenheit keine Feuchtigkeit reinkriegst" und das Grün also Probleme habe, "anzuwachsen". Immerhin: "Der Rasen war für alle gleich stumpf."

Bis zum Samstag hatte der Effzeh an der Alten Försterei alle seine Bundesliga-Duelle mit Union verloren

Das aber hielt, andererseits, Kölns Lizenzbereich-Leiter Thomas Kessler, 37, nicht davon ab, fast schon verschwörungstheoretisch zu werden, als er nach dem Spiel einerseits behauptete, dass die Qualität des Rasens der Spielweise der Unioner eher entgegenkomme als jener der Kölner - und es andererseits als "ehrlicherweise schon überraschend" bezeichnete, "dass der Rasen kurzfristig noch verlegt wurde, die Information haben wir erst kurz vor dem Spiel bekommen".

Dessen ungeachtet klagten aber auch die Unioner über die Beschaffenheit der Spielfläche, in den Personen von Trainer Fischer ("Ich wünsche mir schon eine andere Qualität") und Kapitän Christian Trimmel ("Es waren ein paar Löcher drin"). Davon abgesehen: Dächte man in der Logik einer möglichen Sabotage weiter, so würde sich Union ausgerechnet dann eines Vorteils berauben, wenn es am Donnerstag im Achtelfinalhinspiel der Europa League gegen den belgischen Erstligisten Royal Union St.-Gillois geht. Denn bis dahin wird der Rasen - voraussichtlich - stärker verwurzelt sein.

Jenseits davon wirkte Baumgart zufrieden, als er die Coachingzone gegen den Pressesaal, das kurzärmlige Polohemd gegen einen Pullover und die graue Schiebermütze gegen eine rote Baseballkappe eingetauscht hatte. Kaum einer weiß besser als Baumgart, dass ein Punkt in Köpenick teurer kommt als zurzeit Gas, Strom oder Diesel; bis zum Samstag hatte der Effzeh im Stadion An der Alten Försterei alle seine Bundesliga-Duelle mit Union ausnahmslos verloren. "Ich bin zufrieden mit dem Punkt, den haben wir uns hart erarbeitet", sagte Baumgart.

Diesmal wäre ein Sieg herausgesprungen, wenn die Kölner besser gezielt - oder die Unioner nicht in Frederik Rönnow einen herausragenden Mitarbeiter im Tor gehabt hätten. Er parierte vor allem in der zweiten Halbzeit brillant, als Union "um ein Gegentor fast gebettelt" habe, wie Fischer monierte. Insbesondere bei den Abschlüssen von Steffen Tigges (39. Minute), Eric Martel (51.), Florian Kainz (59.) und Jonas Hector (66.). Es waren nicht die einzigen Chancen der Partie. Aber sie waren besser und zwingender als die Gelegenheiten der Platzherren, die sich im Spielaufbau ein ums andere Mal verhedderten. Das galt auch für Juranovic, der aber um mildernde Umstände bitten durfte: Er spielte wegen der Ausfälle der etablierten Kräfte als Links- statt wie gewohnt als Rechtsverteidiger.

So oder so: Die Unioner sind - wie die Kölner - seit drei Spieltagen ohne eigenen Torerfolg, von neun möglichen Punkten haben die Berliner zwei, die Kölner einen Zähler geholt. Aber: Die Berliner freuten sich, wieder ihr "Gesicht gezeigt" zu haben, wie der 36 Jahre alte Trimmel erklärte, und auch darüber, im Kampf ums neue Saisonziel Europa nicht an Boden verloren zu haben - den Patzern von RB Leipzig (1:2 in Dortmund) und Freiburg (0:0 in Gladbach) sei Dank. Und siehe: Union steht nach 23 Spieltagen weiter auf einem Champions-League-Platz. Und damit weit vor dem am Samstag mehr als nur ebenbürtigen Tabellenzwölften aus Köln.

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