Bundesliga-Start des FC Bayern:Notfalls auch mal dreckig siegen

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Die Epoche des zügellosen Offensivfußballs beim FC Bayern ist vorbei. Trainer Jupp Heynckes forciert die Abwehrarbeit - das Schöne kommt von selbst, glaubt er. Das soll am Sonntag der alte Rivale Borussia Mönchengladbach zu spüren bekommen.

Moritz Kielbassa

Die lockere Pokalprüfung in Braunschweig (3:0) war noch kein Maßstab. Das richtige Leben beginnt für Bayern München und Jupp Heynckes am Sonntag, beim Ligastart gegen Mönchengladbach, die zweite große Liebe des Trainers. Mitte des Monats muss sein Team dann schon in der Champions League funktionieren.

Optimistisch: Bayern-Trainer Jupp Heynckes, umringt von den Zugängen Takashi Usami (links) und Jérôme Boateng. (Foto: dpa)

Dort stehen die Bayern diesmal erst in der Empfangshalle, ihre mäßige Vorsaison hat ihnen Playoff-Spiele eingebrockt - seit Freitag ist klar: gegen den FC Zürich. Mit dem aktuellen Tabellenvorletzten der Schweiz (drei Spiele, null Punkte) zogen die Münchner ein angenehmes Los, Heynckes sah davon ab, etwas anderes zu heucheln: "Eine lösbare Aufgabe", befand er, "ohne Reisestrapazen", auch Tatarstan war möglich.

Die Zulassung zur Champions League hat enorme Bedeutung für Bayerns Saison, diese Premium-Veranstaltung, die 2012 mit dem Finale in München endet, gilt als Muss. Bei der Arbeit für die hohen Ziele richtet Heynckes sein Hauptaugenmerk bisher auf das, was vernachlässigt wurde in der Ballbesitz-Epoche seines Vorgängers van Gaal und beim zügellosen Offensivfußball von Vorvorgänger Klinsmann: seriöse Abwehrarbeit.

Heynckes, 66, stellt keine "Philosophie" mit eigenem Stempel ins Schaufenster. Er lobt, wenn seine Elf "defensiv wenig zulässt", er kümmert sich um Mängel bei taktischen Grundlagen, die er auch noch in den Testspielen erkannte: "Organisation, schnelleres Umschalten nach Ballverlust, enges Zusammenstehen der Mannschaftsteile, wann machen wir wo gemeinsam Pressing?"

Heynckes und Assistent Peter Herrmann zeigen, wie Gegner nach außen abgedrängt werden sollen, ihre Verteidiger hören, dass sie bei Flanken bitte auch den Gegenspieler statt nur den Ball im Auge haben mögen, ein altes Laster. Er sei, damit man da nichts missverstehe, "ein offensiv denkender Trainer", betont Spanien-Liebhaber Heynckes - doch eine sattelfeste Abwehr sei "das A und O". Subtext: Wer 40 Gegentore fängt wie Bayern zuletzt, wird eben Dritter.

Heynckes kennt den Klub von A bis Z, er trainierte ihn schon, als viele seiner heutigen Spieler noch das Berufsziel Astronaut oder Feuerwehrmann hatten oder noch gar nicht auf der Welt waren. Was er sagt, klingt weder süffig noch postmodern.

Doch die Bayern glauben, dass ihnen sein uneitler, im Alter gelassen vorgelebter Pragmatismus guttut. Sie suchten fachliche Substanz, das schon, die hat Heynckes, vor allem aber suchten sie jetzt etwas Verlässliches, Harmonisches - kein weiteres Experiment mit einem Trainer, der alles umgestaltet, keine hausgemachten Probleme mehr. Zeit, um über Jahre hinweg eine völlig neue Spielidee zu etablieren - mit Aufs und Abs, wie Jürgen Klopp in der Nische Dortmund -, die gibt einem dieser ständig unter Erfolgszwang stehende FCB eh nicht.

Van Gaals Ideal war Barcelonas Kurzpasszauber, seiner Kopie fehlte jedoch kreative Brillanz im Zentrum - und vor allem ein Sicherheitskonzept. Heynckes orientiert sich am FC-Bayern-Original: souverän spielen, geduldig, zielbewusst, kühl, ökonomisch, immer eine Antwort auf den Gegner findend, mit dem alten Killerinstinkt. Dazu passt sein Wunsch für Sonntag: "Gewinnen - und wenn es ein 1:0 ist!"

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Carsten Eberts und Jürgen Schmieder

Für das Vorwärtsspiel schwebt ihm vor: "Ballsicherheit, aber nicht nur Ballgeschiebe, auch schnell hinten rauskommen!" Die Bayern, zuletzt berechenbar, sollen Angriffe wieder variantenreicher anlegen, auch Schnörkelloses ist erlaubt, etwa Konter nach mächtigen Abwürfen von Torwart Neuer. Die neuen Flügelpaare - Lahm/Ribéry und Rafinha/Robben - hält Heynckes dazu an, "das Feld riesengroß zu machen", das Spiel nicht zu früh in der Mitte zu verklumpen, wie teilweise in den Tests.

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Die Abwehr wurde teuer aufgemöbelt, Sportchef Christian Nerlinger sieht "keine Schwachstelle mehr im Kader". Innenverteidiger Jerome Boateng deutete sein Repertoire bereits an: Präsenz im Strafraum, gutes Stellungsspiel, schnelle Schritte, gewagte Rettungsmanöver. Er könnte zum Kommandeur der Kette werden und mit Badstuber eine junge deutsche Abwehrmitte bilden. Rechtsverteidiger Rafinha? Zeigte in den Tests, wie die meisten, Licht und Schatten. Neuer? Gilt als Königstransfer fürs Stabilisierungsprogramm.

In der Vorsaison wirkte Bayerns Spiel unausgewogen, jederzeit anfällig, sogar bei klaren Führungen. Heynckes wichtigster Slogan lautet daher: "Balance zwischen Abwehr und Angriff!" In diesem Punkt hält er Barcelona und Dortmunds Jungspunde für nachahmenswert: demütig den Ball erkämpfen, laufbereit und zupackend im Zweikampf - zu elft! "Jeder muss nach hinten mitmachen, sonst sieht die Abwehr alt aus", ruft Heynckes vor allem seinen Künstlern auf den Flanken zu, Franck Ribéry und Arjen Robben, die nach ihren Fußverletzungen gegen Gladbach in den Kader zurückkehren.

Heynckes möchte seine zwei Ausnahmekönner mit Zuspruch, aber ohne taktische Sonderrechte führen: "Jupp bespaßt die Truppe ja nicht nur, er verlangt auch Disziplin", betont Nerlinger, nachdem im Pressespiegel bislang die neue Wohlfühl-Atmosphäre im Vordergrund stand.

Sollte klappen, was Heynckes vorhat, könnten die Bayern im Idealfall eine Brücke schlagen: zwischen Safety-first-Fußball - und Spektakel. Dafür, glaubt der Trainer, bürgen Offensivspieler wie Robben, Ribéry, Gomez, Müller automatisch, vielleicht auch deren neue junge Vertreter, Petersen und Usami. "Unsere Abwehr muss stehen wie eine Eins", fasst Heynckes zusammen, "denn vorne geschieht bei diesem Kader ja immer etwas Wunderbares."

© SZ vom 06.08.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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