Bundesliga:So hat Thomas Tuchel den BVB umgekrempelt

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Julian Weigl: Gut in Form in Dortmund (Foto: imago/Thomas Bielefeld)
  • Der junge Julian Weigl im Zentrum ist ein Beispiel dafür, wie sich Dortmund in dieser Saison neu erfunden hat.
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Von Freddie Röckenhaus, Dortmund

Der 20 Jahre alte Julian Weigl verriet nicht gerade Geheimnisse über die Gegenspieler des FC Bayern. Die seien "unheimlich ballsicher und sehr selbstbewusst" und hätten "das unheimlich gut gemacht". Der Erkenntniswert dieser Analyse mag gering gewesen sein, aber im Subtext hatte der schlaksige junge Mann mit dem Babyface auch über sich etwas gesagt. In etwa: Und ich habe diesen Orkan von einem Fußballspiel nicht nur überstanden, sondern habe mittendrin mitgespielt, 90 Minuten lang, ohne je vom Wind verweht zu werden.

Dass der Gegner der beste von allen war, hat man Julian Weigl dabei schon angemerkt. Vor ein paar Monaten hat er gegen Frankfurt mal 182 Pässe gespielt, von denen 95,6 Prozent ankamen. Diesmal, beim intensivsten Match seines noch kurzen Profilebens, konnte er lediglich 44 Pässe spielen, davon nur einen einzigen langen. Weigl hat ein paar Federn gelassen und Zweikämpfe gegen Krieger wie Arturo Vidal verloren (aber auch welche gewonnen), doch er hat nie den Kopf verloren in diesem Dschungel aus taktischem Hin und Her auf einem Niveau, das in ganz Europa selten zu sehen ist.

Dass bei den Bayern Joshua Kimmich, ein anderer aus seiner Generation, noch mehr Aufmerksamkeit bekam, schmälerte Weigls Standhaftigkeit im zentralen Mittelfeld dieses Gipfels nicht. Dort ist man ja als Jungspund der Dynamik solch einer Schlacht nicht nur pausenlos ausgeliefert, man soll sie auch noch mitgestalten: "Gegen Costa hat uns Roman Bürki einmal im Spiel gehalten, aber sonst war das Spiel immer offen," sagte Weigl stolz, "wir haben darauf setzen können, zwischendurch Konter zu fahren, die Bayern haben gehofft, mit Ballzirkulation eine Lücke zu finden."

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Die Guardiola-Bayern fanden die Lücke nicht, und selten hat man gesehen, dass sie einen solchen Respekt vor der spielerisch-taktischen Qualität und dem Draufgängertum eines Gegners hatten. Dass Bundestrainer Löw vom "besten Spiel der Saison" schwärmte, galt auch für Weigl und den BVB. Der hat sich in dieser Saison neu erfinden müssen, sich durch abgelegene Regionen der Europa-League gequält. Seit Samstag wissen nun Fußballgucker aus 208 Ländern, wozu dieser neue BVB in der Lage ist - und auch dieser Julian Weigl.

In München kannten ihn Bayern-Fans kaum, beim Zweitligisten 1860 war er nicht mal Stammspieler. Dann kam Tuchel mit der Ahnung, dass diese Präzisionsmaschine Weigl etwas Besonderes darstellen könnte. Und so ähnlich zieht es sich durch diesen Dortmunder Kader: Torjäger Pierre-Emerick Aubameyang etwa, der zwar im Stürmer-Duell mit Robert Lewandowski diesmal leer ausging, aber unter Tuchel richtig durchstartet. Oder Erik Durm, der diesmal eine komplexe Außenverteidiger-Rolle spielte, als wäre er Philipp Lahm. Oder Henrikh Mkhitaryan, der von den Münchnern mit großer Anstrengung zwar eingedämmt wurde, im Gegenzug aber auf der rechten Dortmunder Seite die Münchner zu umklammern half.

Tuchel mochte ihn schon, ehe er ihn persönlich kannte.

Den Verlust von Lewandowski und Götze an die Bayern hat Dortmund durch Aubameyang und Mkhitaryan unaufgeregt kompensiert. Dass das ausgerechnet im vergleichsweise beschaulichen Dortmund gelingt und nicht in reichen Metropolen, von Hamburg über Frankfurt bis Stuttgart, ist kaum hoch genug zu bewerten.

Nur Zentimeter entfernt von all dem Schlachtengetümmel, am Zaun der Nordtribüne, machte sich Mario Götze mit den anderen Bayern-Reservisten mal wieder lange warm. Auch Götze, der von seinem neunten Lebensjahr an beim BVB spielte, ist erst 23. Als er 2013 nach München wechselte, hat er sich das alles sicher anders vorgestellt. Nicht wenige behaupten inzwischen, dass Götze, der unter Guardiola nie zum Stammspieler wurde, das Verlassen des ganz besonderen Dortmunder Fluidums nie verwunden hat. Und dass er sein Projekt Weltkarriere am besten mit einer Rückkehr dorthin wieder in Schwung bekommen würde.

BVB-Boss Hans-Joachim Watzke wehrt Fragen danach längst nicht mehr so strikt ab, wie er das bis vor ein paar Wochen getan hat. Unmöglich erscheint ein Rückhol-Coup nicht mehr - obwohl man sich fragen darf, welche Rolle Götze bei diesem neuen BVB überhaupt spielen sollte.

© SZ vom 07.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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