Bundesliga:Schalke profitiert von der Niveaulosigkeit der Liga

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Leon Goretzka (l) und Amine Harit von Schalke bejubeln das 1:0 gegen Mainz. (Foto: dpa)

Die Bundesliga tendiert im Herbst 2017 zur spielerischen Monotonie. Das bietet soliden Teams wie Schalke 04 die Gelegenheit, ohne große Klasse erfolgreich zu sein.

Kommentar von Philipp Selldorf

Auf die "Blitztabelle" solle man schauen, empfahl der Stadionsprecher nach dem 2:0-Sieg gegen Mainz, dort sei Schalke "Nullvierter". Übersetzt bedeutete das: In der Nacht von Freitag auf Samstag stand Schalke 04 auf einem jener begehrten Tabellenplätze, die man in den vergangenen drei Jahren verpasst hatte. Bis dahin war die Champions League das natürliche Revier der Königsblauen, sie fühlten sich den Top 20 der Welt zugehörig (was ihnen laut Umsatzbilanzen auch zustand), doch dann ging der Anschluss an die besten Plätze nach und nach verloren, nach zwei Jahren in der Europa League verfolgt man in dieser Saison den Europapokal im Fernsehen. Und jetzt ist Schalke wieder da? Klare Antwort: vielleicht ja, womöglich aber auch nicht.

Dass der Revierverein wieder in der Spitzengruppe auftaucht, das ist allerdings kein Zufall, sondern die Konsequenz einer Entwicklung. Sie hat interne und externe Ursachen. Was die äußeren Einflüsse angeht, genügte am Freitagabend der Blick auf den Gegner: Mainz 05 spielte einen konturlosen, richtungslosen Fußball und brachte keine besonderen Ambitionen zum Ausdruck. Die Mainzer gaben sich somit als typische Repräsentanten der Bundesliga zu erkennen, die sich durch eine gefährliche Homogenität auszeichnet. Der 1. FC Köln auf Platz 18 sei nicht schlechter als zehn, elf andere Teams der Liga, findet der TV-Experte Didi Hamann. Keine steile These in Anbetracht des zur spielerischen Monotonie tendierenden Ligabetriebs. Man kann den Gleichstand der Kräfte positiv als Leistungsdichte beschreiben, was nach dem ansehnlichen 2:2 zwischen Eintracht Frankfurt und Tabellenführer Borussia Dortmund am Samstag auch durchaus seine Berechtigung hat. Negativ lässt sich der Kräftegleichstand allerdings als Anpassung an den kleinsten gemeinsamen Nenner auffassen. Dass es Anlass zu Zweifeln am Niveau gibt, das zeigen die Ergebnisse im Europapokal.

Ist Domenico Tedesco vielleicht wirklich genau der Trainer, den Schalke braucht?

Mainz 05 sah sich am Freitagabend - wie Hertha BSC eine Woche zuvor - einer Schalker Mannschaft gegenüber, die genau wusste, was sie zu tun hatte, und in der Lage war, sich daran zu halten. Dass Leon Goretzka den Auftritt später durch Begriffe wie "Seriosität" und "Souveränität" kennzeichnete, ist vielsagend. Brillanz und Spontanität sind nicht die typischen Merkmale dieser Schalker Mannschaft, die nicht mehr die herausragenden Individualisten aufweist wie ihre Vorgängermodelle. Spieler wie Farfán, Raúl, Draxler, Huntelaar oder Sané sind Geschichte. Mancher ständige Beobachter meint, in diesem Jahrhundert habe noch kein Schalker Spielerkader weniger gefunkelt als der aktuelle.

Andererseits hat Schalke vielleicht noch keinen besser geeigneten Trainer gehabt als Domenico Tedesco. Vergleiche verbieten sich zwar von selbst, naturgemäß darf man Tedesco nicht gegen Ralf Rangnick oder Huub Stevens aufwiegen, aber in der gegenwärtigen Lage ist er womöglich genau der Mann, den Schalke braucht. Auf seine ruhige und immer zielbewusste Art hat er einen Prozess in Gang gebracht, der keinem Betrachter entgeht. Jeder Zuschauer kann sehen, dass Schalkes Ordnung und Spielweise auf einem einstudierten Programm beruhen, und das gilt nicht nur für die stabile Deckung, sondern auch für das Spiel nach vorn. Bloß dass es in der Offensive an Tempo, Kreativität und Klasse mangelt. Auch ein Grund, warum der Mittelfeldspieler Goretzka - Schalkes letzter große Star - die meisten Tore geschossen hat. Dass Mittelstürmer Guido Burgstaller zum Publikumsliebling aufgestiegen ist, verrät ebenfalls etwas über die aktuellen Verhältnisse.

Für Schalke 04 ist es eine Saison von richtungweisender Bedeutung. Der Verein braucht den Europapokal, um sich seine Ambitionen und die über Jahre gewachsenen Standards leisten zu können. Insofern ist die Parität in der Liga eine Chance für Schalke 04: Wenn Tedescos Team es weiterhin schafft, sich von Widersachern der Güteklasse Mainz oder Hertha abzugrenzen, dann ist ein Platz im vorderen Drittel die logische Folge.

© SZ vom 22.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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