Huub Stevens auf Schalke:Der Krisendoktor, dem die Königsblauen vertrauen

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In höchster Not springt Huub Stevens beim Herzensklub Schalke 04 als Trainer ein. Mit bewährten Methoden will er den Erfolg zurückbringen.

Von Philipp Selldorf, Gelsenkirchen

Wie es sich für ihn gehört, trat Huub Stevens zur Feier des Tages im Anzug vor das Publikum - im Trainingsanzug selbstverständlich. Zwar sollte er die Arbeit auf dem Trainingsplatz erst anderthalb Stunden später aufnehmen, aber als der 67 Jahre alte Niederländer um 14 Uhr vor den per Video zugeschalteten Reportern erschien, signalisierte er in seiner blau-weißen Dienstuniform, dass er sich längst mitten in seiner nächsten Mission als Krisendoktor befindet. Am Abend zuvor hatte Stevens eingewilligt, die Aufgabe als Aufsichtsrat niederzulegen und zum vierten Mal als Trainer beim FC Schalke 04 einzusteigen, vorerst übergangsweise für das Punktspiel gegen den Kellernachbarn Arminia Bielefeld am Samstag und das Pokalspiel gegen Ulm am Dienstag. "Wenn der Verein in der Bredouille ist, dann kann man wieder nicht Nein sagen", erklärte sich Stevens selbst für unverbesserlich: "Das blau-weiße Herz schlägt noch immer."

Angeblich hatten die Beratungen in Gelsenkirchen den ganzen Tag gedauert, bis Vorstand und Aufsichtsrat am Donnerstagabend den Beschluss fassten, Manuel Baum das Mandat als Chefcoach zu entziehen und die Aufsicht über die Mannschaft zum vierten Mal an Stevens zu übertragen. Sportvorstand Jochen Schneider, der Baum vor zweieinhalb Monaten als Nachfolger von David Wagner präsentiert hatte, verabschiedete seinen Kandidaten mit einer ausführlichen Laudatio und mit Dankesadressen an einen "hervorragenden Trainer" und "wunderbaren Menschen". Komplett war das Zeugnis aber erst durch das Eingeständnis, dass einige wesentliche Kriterien hervorragender Trainerarbeit "leider" nicht erfüllt worden seien: "Fakt ist", so Schneider: "Nach zehn Spielen mit ihm sind vier Punkte auf dem Haben-Konto - das ist eindeutig zu wenig."

Die erschütternd schlechte Leistung der Mannschaft am Mittwoch beim 0:2 gegen Freiburg bestätigte die Zweifel, die bei den Mitgliedern des Aufsichtsrates und auch beim Sportvorstand längst bestanden hatten: "Ein Prozess, der sich über Wochen und Monate gezogen hat" (Schneider), endete nun in der Trennung. Der Tabellenletzte sah sich genötigt, schon jetzt die letzte Karte zu ziehen. Baum sei "angefasst" gewesen, berichtete Stevens aus einem Zwiegespräch mit seinem Vorgänger - im nächsten Moment war die Ära des 41 Jahre alten Niederbayern schon Geschichte.

Huub Stevens bei Schalke
:"Ich konnte nicht nein sagen"

Huub Stevens kehrt als Trainer zu Schalke 04 zurück - und wird bei seiner Vorstellung sentimental. Wie lange er bleibt, lässt der Niederländer offen.

Die Ära Stevens hingegen scheint auf Schalke niemals ein Ende nehmen zu wollen. Bereits vor anderthalb Jahren hatte ihn der Verein aus der Pension zurück auf die Trainerbank gerufen, weil Domenico Tedescos Team immer tiefer in die Abstiegszone rutschte. "Ich tue es aus Liebe", lautete damals seine Erklärung, ein großer Satz für alle Schalker, aber auch ein Satz, den seine Ehefrau Toos nicht lustig fand. Die geplante Mallorca-Reise musste storniert werden. Zwei Monate später, die Rettung war geschafft, versicherte Stevens, dass nun aber endgültig Schluss sei. Im Vereinsfernsehen gelobte er: "Ich hoffe, dass mich mein Sohn, meine Tochter, meine Frau zurückhalten, wenn wieder was passiert." Der Mann von Schalke-TV wollte ihm das nicht abnehmen: "Aber Huub, du bist doch fußballverrückt."

Nie ging es Schalke in diesem Jahrhundert schlechter - aber Huub Stevens ging es gut

Als er nun also wieder im Sportdress dasaß und über das nächste Bundesligaspiel sprach, war diese unvergängliche Form von Obsession wieder spürbar. Nie ging es Schalke in diesem Jahrhundert schlechter, aber Stevens hatte gute Laune und machte seine Witzchen aus guten alten Zeiten. Und sie funktionieren immer noch. Ob er überhaupt motiviert sei, fragte einer. "Ich brenne!", erwiderte der Coach schelmisch lächelnd. Man braucht nicht zu glauben, dass das bloß ein Scherz war.

Wie bei seinem letzten Einsatz wird auch diesmal Mike Büskens als Adjutant fungieren. Seinen früheren Schüler hatte Stevens bereits im September als Co-Trainer für Baum empfohlen, doch die Anregung wurde nicht realisiert. Baum musste mit dem Gute-Laune-Beauftragten Naldo und dem aushilfsweise hinzugeholten U-17-Trainer Onur Cinel auskommen. Beide bleiben im Dienst, und sie können sich darauf einstellen, dass schlagartig manches anders sein wird. "Köpfe freimachen und Mannschaft hinkriegen", so lautet Stevens kurzfristige Planung, "da haben wir unsere Methoden." Es dürfte sich dabei um die altbewährte Mischung handeln: Disziplin und Härte auf der einen Seite, ein bisschen Klamauk auf der anderen. Typischer Originalton Stevens: "Spaß und Freude, das ist das allerbeste Medizin."

Jochen Schneider, 50, kann sich glücklich schätzen, dass der arg marode Verein immer noch solche Reserven bietet. Sein Job als führender Funktionär ist wahrlich kein leichter, aber er hat ihn durch falsche Entscheidungen in elementaren Fragen selbst beschwert: An Wagner zu lang festgehalten; mit Baum den falschen Mann gewählt; und beim Versuch, die Autorität des bereits geschwächten Trainers zu stützen, das Elend verschlimmert, indem er den offenbar etwas aufsässigen Angreifer Vedad Ibisevic nach Hause schickte. Seit Wochen wird Ibisevic nun dringend vermisst. Von Rücktritt will Schneider aber nichts wissen ("ich bin nicht so gestrickt, in so einer Situation davonzurennen"), und der Aufsichtsrat unter der Führung des Rechtsanwalts Jens Buchta hält an ihm fest. Eine offene Debatte ist nicht erwünscht, weil Geschlossenheit zum obersten Gebot erklärt wurde, aber einig ist sich das Gremium schon längst nicht mehr.

Nun muss Schneider den nächsten Trainer für den Rest der Saison suchen. Oder bleibt der alte Huub womöglich doch länger als verabredet? "Lasst Euch überraschen", erwiderte Stevens und hatte sein Vergnügen daran, Verwirrung gestiftet zu haben.

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