Leipzigs Sieg in Bielefeld:In Gedanken nur beim FC Bayern

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Spektakuläre Glanzparaden, am liebsten gegen den Leipziger Christopher Nkunku (rechts): Bielefelds Schlussmann Stefan Ortega. (Foto: Lars Baron/Getty)

Dank eines knappen Siegs in Bielefeld bewahrt sich Leipzig die Chancen im Titelkampf. Das anstehende Duell mit Bayern könnte über die Spannung in der Liga entscheiden.

Von Ulrich Hartmann

Mit einem einzigen, winzigen Moment der Unachtsamkeit haben die Fußballer von Arminia Bielefeld der Bundesliga einen Gefallen getan. Nicht, dass sie das gewollt hätten. Nicht, dass sie sich zuständig gefühlt hätten für die Spannung an der Tabellenspitze, wo sie selbst doch am anderen Ende des Tableaus um den Klassenverbleib kämpfen. So aber ermöglichte jenes Gegentor 55 Sekunden nach dem Anpfiff der zweiten Halbzeit am Freitagabend gegen RB Leipzig, dass der deutsche Fußball sich noch mehr auf das Gipfelduell am Ostersamstag in zwei Wochen freuen kann, wenn die Leipziger den FC Bayern München empfangen. Dort könnte sich entscheiden, ob sich der Meisterschaftskampf für den Rest der Saison zuspitzt oder ob die Bayern sich endgültig absetzen. Und deshalb sagte Leipzigs Trainer Julian Nagelsmann nach dem 1:0 (0:0)-Erfolg in Bielefeld: "Dieser Sieg war wichtig fürs Spiel gegen Bayern."

Die Sache mit der Spannung dort droben ist freilich ein schwacher Trost für die Bielefelder dort drunten. Im vierten Spiel unter dem neuen Trainer Frank Kramer gab es die zweite Niederlage. Ein 0:0 gegen Union Berlin und ein überraschender 2:1-Sieg in Leverkusen bedeuten vier Punkte aus diesen vier Partien, in denen die Bielefelder drei Mal kein Tor schossen. Soll jeder selbst entscheiden, ob sich die Entlassung von Kramers Vorgänger Uwe Neuhaus bei dieser Bilanz gelohnt hat.

Gut war der Trainerwechsel in Ostwestfalen immerhin dafür, dass sich Kramer und Nagelsmann wiedergetroffen haben, nachdem sie etwa acht Jahre zuvor bei der TSG Hoffenheim für zwei Spiele ein Interimsduo gebildet hatten. Der damalige Hoffenheimer U23-Trainer Kramer war Anfang Dezember 2012 nach der Entlassung von Chefcoach Markus Babbel zum Übergangstrainer ernannt worden und wählte den damaligen Hoffenheimer U17-Trainer Nagelsmann als seinen Assistenzcoach. Die beiden verloren 0:2 beim Hamburger SV und 1:3 gegen Borussia Dortmund, woraufhin die TSG Marco Kurz als neuen Cheftrainer anstellte. Kramer und Nagelsmann hatten sich im Spiel gegen Dortmund übrigens erlaubt, den heutigen Liverpool-Stürmer Roberto Firmino auf die Bank zu setzen, aber das war nicht der Grund für ihre Rückversetzung in die U23 und U17.

Am Freitagabend hielt Kramers Arminia Nagelsmanns Leipzigern 92 Minuten lang mit tiefer Verteidigung tapfer stand, bloß in der ersten Minute nach dem Wiederanpfiff gewährte sie den Gästen eine Lücke. Dani Olmo und Christopher Nkunku spielten rechterhand am Strafraumrand einen schönen Doppelpass, den Olmo flugs ins Zentrum zum komplett freigelaufenen Marcel Sabitzer einbrachte. Sabitzer vollendete zu seinem 50. Pflichtspieltor für Leipzig. "Hauptsache gewonnen", sagte er nach dem Spiel bei DAZN und man wurde das Gefühl nicht los, trotz der bevorstehenden zweiwöchigen Länderspielpause sind die Leipziger in Gedanken bereits nur beim Spiel gegen die Bayern.

Leipzig vor Gipfeltreffen, Bielefeld vor Abstiegskracher

In Gedanken bei den Bayern ist auch Bielefelds Torwart Stefan Ortega, der in einem Interview mit dem Kicker ziemlich offen zugegeben hat, dass er bei den Münchnern ein Kandidat für die Position des Reserve-Torwarts hinter dem Stammkeeper Manuel Neuer ist. Er beschrieb frei heraus seinen Zwiespalt, einerseits gern selbst Stammtorwart mit regelmäßigen Spielen sein zu wollen und andererseits ein Angebot des großen FC Bayern irgendwie nur schlecht ablehnen zu können. Wer sah, wie der 28-Jährige, der von 2014 bis 2017 für 1860 München spielte, gegen Leipzig erst einen Schuss von Nkunku aus kürzester Distanz an die Latte lenkte (43.) und später einen weiteren Versuch Nkunkus halbhoch im Fluge parierte (79.), der fände es skandalös, wenn dieser Torwart im besten Torwart-Alter sein Gnadenbrot auf der Bayern-Bank als Schicksal auswählen würde.

Freut sich, die eine Lücke in der tapferen Bielefelder Verteidigung gefunden zu haben: Torschütze Marcel Sabitzer (re.). (Foto: Roger Petzsche/Picture Point LE / imago)

Während sich die Leipziger auf ihr Gipfeltreffen mit den Münchnern freuen, haben auch die Bielefelder in zwei Wochen ein wegweisendes Match vor der Brust, denn sie gastieren am Ostersamstag beim FSV Mainz 05 zum Abstiegskracher. Das Ergebnis dort wird weiteren Aufschluss darüber geben, wie sie in Bielefeld den kürzlichen Trainerwechsel bewerten: als glücklich oder als unglücklich.

Ganz interessant ist auch ein kurzer Rückblick auf das vormals letzte Duell zwischen Bielefeld und Leipzig in Ostwestfalen am 21. November 2015 in der zweiten Liga. Vom damaligen Spiel ist bei Bielefeld nur noch der Mittelstürmer und Kapitän Fabian Klos im Kader, während bei Leipzig damals ebenso wie am Freitag Marcel Halstenberg, Willi Orban, Lukas Klostermann, Marcel Sabitzer, Emil Forsberg und Yussuf Poulsen mitgespielt haben - und Peter Gulacsi saß schon auf der Bank.

Es wäre nicht verwunderlich gewesen, wenn die binnen weniger Jahre vom Drittligisten zum Champions-League-Halbfinalisten aufgestiegenen Leipziger einen drastischeren Personalwandel hinter sich hätten. Aber die genannten Spieler brachten für das ambitionierte wie finanzstarke Projekt das nötige Entwicklungspotenzial mit - und sie machten diesen Aufstieg treu mit. Der kommende Sommer, heißt es, könnte für den einen oder anderen von ihnen zum Moment des Abschieds werden. Im Leipziger Kader werden größere Umbaumaßnahmen erwartet.

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