1. FC Köln:Hiob kommt mit dem Umzugswagen

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Davie Selke (links) ist nicht der einzige Kölner, der wochenlang ausföllt. (Foto: Christof Koepsel/Getty Images)

Die erste Halbzeit unter dem neuen Trainer macht dem 1. FC Köln Mut - das medizinische Bulletin vom Sonntag eher nicht. Jetzt wird es noch schwerer in Sachen Klassenerhalt.

Von Philipp Selldorf

Davie Selke setzte ein ernstes Gesicht auf und die Zuhörer unter Spannung. "Ich sage ganz ehrlich", sprach er, die Nervosität der Gesprächspartner steigernd, "wir haben in der ersten Halbzeit ein gutes Spiel gemacht."

Abgesehen davon, dass seine aufregend eingeleitete Enthüllung im Publikum Spuren von Enttäuschung hervorrief, hatte Selke durchaus die Wahrheit gesagt. Der 1. FC Köln hatte in der ersten Halbzeit des ersten Spiels seines neuen Cheftrainers Timo Schultz einen mindestens passablen Auftritt hingelegt, einzelne Spieler - vorweg der Kapitän Florian Kainz - ließen eine merkliche Leistungssteigerung erkennen, verdientermaßen lagen die Hausherren gegen den 1. FC Heidenheim 1:0 vorn. Doch nach der ersten Halbzeit kam ein zweiter Durchgang, in dem Heidenheim den Kölnern ein enttäuschendes 1:1 aufzwang, und damit nicht genug für den FC: Dem sportlichen Teil am Samstag sollte ein medizinisches Nachspiel am Sonntag folgen.

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Dies besagte, dass der bereits am Vortag verletzt abgemeldete Luca Waldschmidt wegen eines angebrochenen Wadenbeins wochenlang fehlen wird, was umso schwerer wiegt, da der Spielmacher-Kollege Mark Uth ebenfalls frühestens im späten Februar zurückkehren wird. Und damit nicht genug - Hiob kam mit dem Umzugswagen ans Geißbockheim: Auch Davie Selke fällt laut MRT-Diagnose eine unbestimmte Weile aus, ausgerechnet der einzige, beinahe verlässliche Torjäger und Schütze des 1:0 am Samstag - eines kuriosen Tores, das entfernt Momente von Gerd Müller (komplette Körperwende auf der Stelle) und Zlatan Ibrahimovic (artistischer Ballstopp) enthielt. "Da habe ich alle Beweglichkeit rausgeholt, die in mir steckt", lobte er sich selbst.

Immerhin: Der neue Kölner Kabinenchef Schultz bleibt nordisch gelassen

Dass die Lage beim FC ernst ist, das braucht man dem neuen Coach nicht zu erzählen. Das kann er nicht nur am Tabellenstand ablesen. Er hat es am Samstagnachmittig auch auf dem Spielfeld gesehen: Nach siebzig Minuten dirigierte er ein Team, das fast noch an einer Junioren-Meisterschaft teilnehmen könnte. Justin Diehl, als Rechtsaußen in die Partie gekommen, ist 19 Jahre alt. Faride Alidou, als Linksaußen eingewechselt, ist 22. Jan Thielmann, 21, löste den angeschlagen ausgetauschten Routinier Kainz im offensiven Mittelfeld ab. Max Finkgräfe, 19, verteidigte auf der linken Seite. Eric Martel, 21, und Denis Huseinbasic, 22, bildeten die Doppel-Sechs.

Für die Kölner Fans gab es angesichts der vielen Grünschnäbel Grund genug, um das kümmerliche Remis zu fürchten, zumal gegen ein Heidenheimer Team, das nach dem Befund seines Torhüters Kevin Müller immer besser in der Liga zurechtkommt und einen neuen Standard von Abgeklärtheit erreicht hat. Torjäger Tim Kleindienst hätte nach einem dieser Standards, die der FCH zur Wunderwaffe entwickelt hat, das 2:1 erzielen können, doch auf Dauer bildeten die jungen Kölner das Team mit dem größeren Angriffsdrang. Besonders Thielmann und das Duo Martel/Huseinbasic machten einen guten Job. "Wir wissen, was die jungen Spieler können, auf die Jungs dürfen wir uns freuen", sagte später der Abwehrchef Jeff Chabot. Aber was sollte er auch sonst sagen? Der Mangel diktiert beim FC die Personalpolitik, außer dem grassierenden Verletzungspech beschränkt ihn auch die Transfersperre der Fifa.

Man kann es als Vertrauensleistung und angewandte Jugendförderung betrachten, dass der 19-jährige Diehl nach seiner Einwechslung sämtliche Ecken und Freistöße schießen durfte. Doch es ist eher die Not, die Schultz´ Entscheidungen lenkt. Sein Vorgänger Steffen Baumgart hatte Diehl wegen des fehlenden Bekenntnisses zum Klub konsequent ignoriert, nun ist der Nachfolger froh über eine Alternative, auch wenn er selbst sagt, dass Diehl, bisher in der Regionalliga West aktiv, die Physis für die Bundesliga fehlt. "Die Jungen heranzuführen ist die nächste Aufgabe", sagte Stürmer Selke am Samstag, noch nicht ahnend, dass durch die weiteren personellen Ausfälle keine Zeit mehr fürs Anlernen bleibt.

Der neue Kabinenchef Schultz blieb nordisch gelassen nach seinem Einstand in Köln. "Ein schönes erstes Bundesligaspiel", bilanzierte der Trainer, der bisher in Deutschland lediglich Zweitliga-Erfahrung gesammelt hat. Die jungen Spieler zu entwickeln, "das wird unser Weg sein in den nächsten Monaten", sagte er. Ganz ehrlich: Seine Aufgabe ist an diesem Wochenende nicht einfacher geworden.

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