Bundesliga-Kellerduell:Nicht im Fußumdrehen

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"Die Wahrscheinlichkeit, dass er einen macht, wenn er topfit ist, ist höher, als wenn er ein paar Monate nicht gespielt hat": VfB-Rückkehrer Sasa Kalajdzic vergab in Fürth noch seine Chancen. (Foto: Robin Rudel/Sportfoto Rudel/Imago)

Beim 0:0 in Fürth kehrt Sasa Kalajdzic nach gut viermonatiger Pause zurück und prägt sofort das Spiel des VfB Stuttgart. Die 90 Minuten zeigen aber auch: Selbstverständlichkeiten gehen mit dem Comeback des Torjägers noch nicht einher.

Von Sebastian Leisgang, Fürth

Die Beweislage war ziemlich eindeutig. Eigentlich konnte es nur Sasa Kalajdzic sein, der da über den Rasen des Fürther Stadions lief. Der Mittelstürmer mit der Nummer neun sah jedenfalls genauso aus, er war genauso groß und er bewegte sich auch so, wie sich Kalajdzic bewegt. Im Grunde konnte es also keinen Zweifel geben. Aber irgendwas war anders.

Was auch immer er versuchte: Der Mann mit der Nummer neun traf einfach nicht. Mal schoss er in die Arme des Fürther Torwarts, mal warf sich ein Abwehrspieler dazwischen, mal lenkte er den Ball selbst mit dem Kopf am Tor vorbei, als Borna Sosa von links geflankt hatte, mal schoss er drüber, in Rücklage, freistehend. So etwas kannte man von Kalajdzic bislang nicht, und es gab da noch etwas, das nicht ins Bild passte, als sich der VfB Stuttgart mit einem 0:0 von der SpVgg Greuther Fürth trennte: In was für einer Mannschaft spielte dieser Mittelstürmer überhaupt?

Als Kalajdzic, 24, zuletzt auf einem Fußballplatz gestanden hatte, da galt die Mannschaft, in der er spielte, als ziemlich aufregend. Ihr war eine Menge zuzutrauen, schließlich hatte sie eine ganze Reihe an hochtalentierten Spielern zu bieten, der eine schneller und hinreißender als der andere. Doch dann verletzte sich dieser Kalajdzic Ende August an der Schulter und fiel mehr als vier Monate aus. Auf einmal geriet die Mannschaft in derart große Not, dass sie als Vorvorletzter ins neue Jahr gehen musste.

Es war also nicht nur Sasa Kalajdzic, dieser zwei Meter große Mittelstürmer mit der Nummer neun, der da am Samstagnachmittag auf den Rasen zurückkehrte - es war auch die Stuttgarter Hoffnung, die vermutlich so groß war, dass sie sich in Metern gar nicht bemessen ließ.

Hinterher, als der VfB die ersten 90 Minuten der Rückrunde hinter sich gebracht hatte, sagte Trainer Pellegrino Matarazzo: "Wir sind natürlich nicht ganz zufrieden mit unserer Leistung und dem Ergebnis. Wir haben uns viel mehr vorgenommen." Zu Saisonbeginn hatte seine Mannschaft die Fürther noch in ihre Einzelteile zerlegt und beim 5:1 einen derart rasanten Hochgeschwindigkeitsfußball gespielt, dass sie in Stuttgart noch davon ausgehen durften, dass sich diese eine Ahnung vielleicht doch nicht bewahrheiten würde: dass es im zweiten Bundesliga-Jahr bestimmt schwerer wird als noch im ersten.

Schon klar, ist nur eine Floskel, aber oft ist's halt doch so. Die anderen wissen dann ja schon, dass der, der links draußen spielt, ganz gut flanken kann, und dass in der Mitte meistens der mit der Nummer neun wartet, der den Ball dann eben nicht in die Arme des Torwarts schießt oder mit dem Kopf am Tor vorbeilenkt. In Stuttgart haben sie sich also schon im Sommer darauf eingestellt, dass es ein kompliziertes Jahr werden könnte. Als die Mannschaft dann einen Rückschlag nach dem anderen hinnehmen musste, da sagten sie sich: Wird schon wieder, wenn die Verletzten zurück sind. Dann spielt der VfB wieder so, wie der VfB spielen kann.

Verletzte zurück, das heißt: Erfolg zurück? Dass diese Gleichung nicht im Fußumdrehen aufgeht, zeigte sich in Fürth, als die Stuttgarter wieder auf den Spieler zurückgreifen konnten, den sie am meisten vermisst hatten, auf Kalajdzic, Nummer neun auf dem Rücken, 16 Tore auf dem Konto der Vorsaison.

Andererseits: Es hätte sich auch alles fügen können, denn Sosa hat in den gut vier Monaten ohne Kalajdzic offenbar nicht vergessen, wie er den Mittelstürmer in Szene setzen muss. In Fürth bediente er ihn nach knapp einer halben Stunde zum ersten Mal - und zwischen der 68. und 77. Minute wurde es gleich vier Mal gefährlich, als Sosa Kalajdzic fand. Weil Stuttgarts Torjäger wenig später aber auch seine sechste und beste Torchance des Nachmittags vergab, sagte Matarazzo später: "Die Wahrscheinlichkeit, dass er einen macht, wenn er topfit ist, ist höher, als wenn er ein paar Monate nicht gespielt hat." Dennoch, meinte Stuttgarts Trainer, habe Kalajdzic "unserer Offensive wieder gut getan".

Matarazzo wusste ja, dass sein Mittelstürmer auf Anhieb wieder derjenige gewesen war, von dem am meisten Gefahr ausging. Und dass die Fürther nicht mehr die Fürther aus dem August des vergangenen Jahres sind, diese Erfahrung haben Union Berlin und Augsburg schon vor der Winterpause gemacht. Auch bei diesen beiden Heimspielen war der Tabellenletzte ohne Gegentor davongekommen. Fürth habe "sehr leidenschaftlich" dagegengehalten, sagte VfB-Trainer Matarazzo später.

Am Sonntag kam dann noch die Nachricht, dass Stuttgarts Rechtsaußen Silas Katompa Mvumpa seine coronabedingte Quarantäne wieder verlassen habe. Für Silas, der zuvor acht Monate wegen eines Kreuzbandrisses gefehlt hatte, gilt, was auch für Kalajdzic gilt: Er ist endlich wieder da, der VfB hat sein Erfolgsduo wieder. Aber es könnte schon noch ein Weilchen dauern, bis Silas und Kalajdzic nicht nur aussehen wie Silas und Kalajdzic, sondern auch wieder so spielen.

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