Fußball-Bundesliga:Showdown in der Milliardenfrage

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Fans des VfB Stuttgart sprechen sich gegen den Einstieg eines Investors aus. (Foto: Alexander Neis/Eibner/Imago)

Investor oder nicht Investor? Seit Wochen streitet der deutsche Profifußball über den Einstieg eines externen Geldgebers. Am Mittwoch soll die Entscheidung fallen - dabei sind wichtige Fragen noch ungeklärt.

Von Philipp Selldorf, Frankfurt

Dass sich eine strategische Partnerschaft zwischen den Klubs der Bundesliga und einem Geldgeber aus der Finanzbranche als gutes Geschäft erweisen wird, steht trotz aller Einwendungen der Kritiker in der seit Monaten laufenden Debatte außer Zweifel. Fraglich bleibt allerdings, ob an dem Geschäft außer dem Investor aus der Private-Equity-Branche und den am Prozess beteiligten Investmentbanken und Anwaltskanzleien auf Dauer auch der deutsche Profifußball profitieren würde.

Zu diesem Thema und zur Klärung des grundsätzlichen Meinungsbilds in der Gemeinde tagen am Mittwoch in Frankfurt die Vertreter der 36 Profiklubs in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung. Die Betroffenen müssen eine Art Hamlet-Dilemma lösen: Investor oder nicht Investor - das ist die nahezu existenzielle Frage, zu der am Mittwoch ein Beschluss fallen soll.

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Beteiligte aus dem Kreis der Vereine erwarten "eine interessante Sitzung" mit nicht absehbarem Ausgang. Andere Beteiligte sind ebenfalls der Meinung, dass es gewiss nicht langweilig werde, doch sie glauben, dass die Abstimmung am Ende ein deutliches Ja zum Einstieg eines Investors bringen werde. Aus diesen unterschiedlichen Einschätzungen lassen sich nicht nur unterschiedliche Präferenzen für den Ausgang des Treffens ablesen. In ihrer Erzählung äußert sich auch der Versuch, im letzten Moment noch ein wenig Einfluss auf die Meinungsbildung zu nehmen.

Der Investor soll zwei Milliarden Euro bringen - aber diese Summe ist womöglich eher eine Wunschvorstellung

Formell ist mindestens eine Zweidrittelmehrheit für das Geschäft erforderlich. Zwei Milliarden Euro sollen für den Profifußball und dessen Wachstumsbestrebungen herausspringen, wenn die Liga den Investor 20 Jahre mit 12,5 Prozent am Erlös seiner Medienrechte beteiligt. Die besagte Summe ist womöglich eher eine Wunschvorstellung, geboten wurde jedenfalls bisher, so wird verbreitet, deutlich weniger. Klar ist hingegen, dass der Investor über den gesamten Zeitraum hinweg jenseits seiner Einlage mit mindestens einer Milliarde Euro zusätzlicher Erstattung rechnen darf - die dann in den Kassen der Vereine fehlen würde. Die Deal-Befürworter versprechen jedoch, dass die Finanzspritze zur Modernisierung der Ligavermarktung alle Beteiligten genesen ließe: Klubs, Liga, Finanzier.

Oppositionelle sagen wiederum, eine solche Annahme beruhe vor allem auf Wunschdenken und dem bewussten Ausblenden der Risiken, mithin vorsätzlicher Selbsttäuschung. Nach dem Motto: Lieber ein paar Millionen Euro jetzt in unserer Hand als die Millionen, die unsere Nachfolger in Zukunft vermissen werden.

Zwei Klubs haben sich in den vergangenen Tagen offen gegen die Absicht der Geschäftsführung des Dachunternehmens DFL gewendet, das komplexe Projekt fortzusetzen und nach der Auswahl eines Bieters - vier Unternehmen aus den USA und Europa haben sich mit einer Offerte beworben - den Deal abzuschließen. Formuliert in einem Antrag durch das DFL-Präsidium, Punkt vier der Tagesordnung.

Vor allem Köln und St. Pauli warnen davor, den Deal jetzt zu verabschieden

Den Fürsprechern in der DFL-Führung, repräsentiert durch Aufsichtsratschef Hans-Joachim Watzke (Dortmund) sowie die kommissarischen Geschäftsführer Axel Hellmann (Frankfurt) und Oliver Leki (Freiburg), trat der 1. FC Köln jetzt in einer Erklärung des Präsidiums mit umfassender Kritik entgegen. Ohne intensive Prüfung anderer Mittel der Kapitalbeschaffung dürfe "eine Maßnahme, die den deutschen Profifußball in den kommenden 20 Jahren prägen würde, keinesfalls umgesetzt werden", hieß es in einem offenen Brief.

Die Kölner halten das Finanzierungsmodell für nachteilig, warnen vor dem unter Umständen strittigen Einfluss des möglichen Private-Equity-Partners und vor den schädlichen Folgen für den sportlichen Wettbewerb innerhalb der ersten und zweiten Liga: "Bestehende Ungleichheiten würden nicht nur verstärkt, sondern sogar zementiert." Zudem sehen sie die DFL als ausführendes Organ aktuell nicht in der Lage, den Ansprüchen des Partners aus dem Finanzgewerbe ebenbürtig standzuhalten.

Dass die Geschäftsführer Hellmann und Leki demnächst zu ihren Klubs zurückkehren, ein Nachfolger noch nicht bestimmt ist und die DFL allenfalls beschränkt handlungsfähig sei, das ist auch eines der Argumente, mit denen der besonders engagierte Zweitligist FC St. Pauli seinen eigenen Antrag zur Tagesordnung begründet, Punkt fünf der Agenda: Die Grundsatzentscheidung möge bis zur nächsten ordentlichen Mitgliederversammlung im August vertagt werden, wünschen die Hamburger.

Viele Klubs hätten "die Komplexität des Themas nicht verstanden", sagt der Vertreter eines Erstligaklubs

Bis dahin sollten die Klubs Zeit erhalten, ihre unvollkommenen Kenntnisse zu den Folgen des Handels zu erweitern. Viele Klubs hätten "die Komplexität des Themas nicht verstanden", stimmt der Vertreter eines Erstligaklubs den Argumenten zu, auch in puncto DFL: Das viele Geld des Investors würde, gemessen am jetzigen Zustand, "in eine dysfunktionale Organisation gekippt".

In den Fankurven mit ihrer instinktiven Abneigung gegen neuzeitliche Finanzakteure dürften Kölner und Paulianer Beifall finden. Aber die Skeptiker in den beiden Klubs sehen sich keineswegs als Kulturkämpfer. Die Kölner haben, weil sie nicht bloß Nein sagen wollen, alternativ den Verkauf der Namensrechte am Unternehmen Bundesliga vorgeschlagen. Eine Bundesliga, die dann BMW-Bundesliga hieße (fiktives Beispiel!), sei zwar ein weiterer Schritt Richtung Kommerzialisierung, erwirtschafte aber mit einem auf zehn Jahre datierten Vertrag 300 bis 400 Millionen Euro für das Allgemeinwohl der Liga.

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Wie solche Vorschläge den Trend der Debatte beeinflussen, ist offen. Bei den Informationsrunden der DFL für die 36 Klubs hätten Hellmann und Leki "den einen oder anderen Zweifler eingefangen", heißt es. Dazu kommt, dass namhafte Klubs, geschädigt durch die Corona-Krise, in den versprochenen Sofortzahlungen die Chance für kurzfristige finanzielle Entlastung erkennen. Vereine wie der VfB Stuttgart, Schalke 04 und Borussia Mönchengladbach zeigen sich zugänglich für die Zustimmung.

Ein großer Streitpunkt ist die Frage, wie das Geld verteilt wird

Schalkes Vorstandsvorsitzender Bernd Schröder begrüßte in der FAZ sogar ausdrücklich die Private-Equity-Komponente: Damit würde der DFL zu einer dynamischeren Arbeitsweise verholfen. Wenn es um die Verteilung jenes Anteils am Milliardenvergnügen geht, der den Klubs zur freien Verfügung gestellt werden soll, bedürfe es aber "noch großer Anstrengungen bei der Ausarbeitung der Details". Sprich: Schröder will mehr Geld für Schalke.

Wäre wie vorgesehen der aktuelle TV-Geld-Schlüssel der Maßstab, dann würde S04 als Auf- und möglicher Absteiger auf einem hinteren Rang der Empfänger landen. Klubs mit großem Publikum trügen mehr zum TV-Geld-Erlös bei und müssten daher größere Anteile vom Investorengeld bekommen, fordert Schröder und droht mit Ablehnung.

Es wird also viel zu bereden geben auf der Mitgliederversammlung, die um 11.30 Uhr beginnt. Überlänge ist programmiert.

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