Herthas 3:3 in Düsseldorf:"Ich dachte, ich bin im falschen Film"

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Machte in der ersten Halbzeit nicht die glücklichste Figur: Hertha-Torwart Thomas Kraft. (Foto: Lukas Schulze/Bongarts/Getty Images)
  • Nach dem 0:5 gegen Köln liegt Hertha BSC auch in Düsseldorf 0:3 zurück, schafft aber in einer wundersamen zweiten Halbzeit noch das Unentschieden.
  • Nach dem 3:3 erklingen beim Krisenklub sogar optimistische Töne.
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Von Ulrich Hartmann, Düsseldorf

In einer persönlichen Krise in die Heimatstadt zurückzukehren, ist ein beliebtes Motiv in Film und Literatur. Dort, wo alles begann, lässt sich bisweilen besser über Vergangenheit und Zukunft sinnieren, aber als der Berliner Fußballmanager Michael Preetz am Freitagabend in seiner Heimatstadt Düsseldorf war, da purzelten binnen 40 Minuten in kürzester Zeit alle Gedanken und Emotionen durcheinander.

"Ich dachte, ich bin im falschen Film", sagte Preetz hinterher über jenen Moment, als sein Klub Hertha BSC im Gastspiel bei Fortuna Düsseldorf zur Pause mit 0:3 zurücklag - sechs Tage nach einem 0:5-Heimdebakel gegen den 1. FC Köln und zweieinhalb Wochen nach dem spektakulären Rücktritt des Trainers Jürgen Klinsmann, der die Hertha und ihren Sportdirektor Preetz in eine schwere Krise gestürzt hatte.

Ausgerechnet in Düsseldorf, wo Preetz 1967 geboren wurde, kulminierte um 21.15 Uhr die Berliner Situation, und wenn dieses neuerliche Debakel in der zweiten Halbzeit weitergegangen wäre, dann wären die Herthaner in akute Abstiegsnot geraten, dann hätte nicht nur der Interimstrainer Alexander Nouri um seine Zukunft bei der Hertha bangen müssen, sondern womöglich auch Preetz selbst.

Ein Slapstick-Eigentor bringt Hertha zurück ins Spiel

In dessen elfjähriger Amtszeit als 'Geschäftsführer Sport' war der Hauptstadtklub bereits zweimal abgestiegen und Preetz selbst war jüngst explizit zur Zielscheibe des nachtretenden Klinsmann geworden. Doch das kurioseste Eigentor der Saison durch den Düsseldorfer Erik Thommy ebnete Preetz und der Hertha um 21.52 Uhr das unverhoffte Comeback.

Bis zu dieser 64. Minute hatte rein gar nichts darauf hingedeutet, dass sich die seelenlose Mannschaft aus ihrer misslichen Situation selbst würde befreien können. Dann schlug der Berliner Vladimir Darida einen hohen Ball in den Düsseldorfer Strafraum, den Thommy routiniert von dannen dreschen wollte - er schlug allerdings über den Ball, und die auftitschende Kugel sprang ihm gegen die Hand und von dort ins Tor. Dieses Slapstick-Eigentor brachte die Hertha zurück ins Spiel, zurück ins Leben. Matheus Cunha erzielte drei Minuten später das 2:3, Krzysztof Piatek verwandelte in der 75. Minute einen Foulelfmeter zum 3:3 und in der 90. Minute hätte Cunha beinahe sogar den 4:3-Siegtreffer erzielt, doch sein Schuss knallte gegen den Pfosten.

Das Unentschieden aber genügte den Berlinern als Zeichen der Moral und um sechs Punkte Vorsprung zu wahren vor jenen Düsseldorfern, die auf dem drittletzten Platz der Tabelle stehen, wo es richtig gefährlich ist. "Die erste Halbzeit war desolat", sagte Preetz nach dem Spiel, "und es war auch nicht unbedingt so, dass man so ein Comeback erwarten durfte nach den vergangenen turbulenten Wochen." So stand der 52-Jährige am späten Freitagabend in den Katakomben des Fußballstadions seiner Heimatstadt Düsseldorf und wirkte, als sei er gerade wie durch ein Wunder unverletzt einem Unfallwagen entstiegen. Er wusste nicht so richtig, wie ihm soeben geschehen war.

Auf sieben Positionen hatte der Trainer Nouri die Berliner Mannschaft verändert, sogar den Torwart Rune Jarstein hatte er durch Thomas Kraft ersetzt. In der ersten Halbzeit machte der 31 Jahre alte Kraft, bis 2011 sieben Jahre beim FC Bayern München, nicht die beste Figur, aber in der Kabine in der Pause war er laut Trainer Nouri einer der Wortführer und appellierte intensiv an die Moral seiner Kollegen.

"In der Kabine war es zur Pause extrem laut", berichtete der Manager Preetz erleichtert, denn in der ersten Halbzeit hatte man ausgeprägte Zweifel bekommen können daran, dass in dieser Mannschaft noch irgendein Herz schlägt, noch irgendein Puls geht oder irgendein Wille geschieht. "Aber wie wir in der zweiten Halbzeit gekämpft haben - das zeigt etwas", sagte später Mittelfeldmann Per Skjelbred und klang wie ein Weltraumforscher, der in den unendlichen Weiten des eiskalten Alls Leben vermutet.

Der nach der Pause eingewechselte Maximilian Mittelstädt nahm die zweite Halbzeit als Gegenbeweis dafür, "dass wir eine Mannschaft sind, wo doch allenthalben behauptet wurde, dass wir keine mehr sind". Sein Trainer Nouri wirkte in der Pressekonferenz leicht paralysiert, ungläubig, dass die Spieler einer drohenden Katastrophe im letzten Moment noch entronnen waren. "Nach einem 0:5 gegen Köln und einem 0:3 zur Pause so zurückzukommen, ist Wahnsinn", sagte Nouri. Dabei hätte man auch als Wahnsinn bezeichnen können, wie leblos und schlimm die Berliner zuvor diese drei Halbzeiten gegen Köln und Düsseldorf gespielt hatten.

Mit einem Sieg gegen Werder Bremen am kommenden Samstag könnten die gebeutelten Berliner den Klassenerhalt nun weiter absichern, allerdings haben sie seit fünf Heimspielen nicht mehr gewonnen und daraus maximal zwei Unentschieden geholt. "Wir müssen die Energie aus der zweiten Halbzeit jetzt ins Spiel gegen Bremen mitnehmen", sagt Mittelstädt. "Wir nehmen auf jeden Fall die Moral mit", sagt Nouri. Und der Manager Preetz nimmt aus seiner Heimatstadt das Gefühl mit nach Berlin, dass nach dem vermeintlichen Zusammenbruch in der ersten Halbzeit ein Hoffnungsschimmer aufgeleuchtet ist. So hatte sich die Rückkehr in die Heimat zum Zwecke einer Lösungsfindung für ihn doch noch gelohnt.

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