Thomas Linke hat in dieser Woche von Angst gesprochen. Der Sportdirektor des FC Ingolstadt saß entspannt in seinem Büro in der Geschäftsstelle des Klubs, durchs offene Fenster drang Trainingslärm und Sonnenlicht. Und dann erzählte er, wie wenig er von Angst wissen will, dass in diesem Sommer in Ingolstadt das Fußballstadion einstürzen, die Sonne nicht mehr scheinen oder sonst was passieren werde, weil Ralph Hasenhüttl geht. "Wenn Veränderungen anstehen, geht das immer mit Angst einher, aber wir müssen das auch als Chance begreifen", sagte er. Diese Chance heißt Markus Kauczinski.
Am Freitag hat der Klub mitgeteilt, was in den vergangenen Wochen schon jeder ahnte: Dass Trainer Hasenhüttl im Sommer zum wahrscheinlichen Aufsteiger RB Leipzig wechselt, er unterschreibt dort einen Dreijahresvertrag. Sein Nachfolger beim FCI wird Kauczinski, 46, derzeit Trainer des Zweitligisten Karlsruher SC.
Er unterschreibt für zwei Jahre. In den Gesprächen mit den Verantwortlichen des FC Ingolstadt hätten beide Seiten schnell ein Gefühl dafür entwickelt, dass eine Zusammenarbeit passen könne, sagte Kauczinski, der auch beim FC Augsburg und beim TSV 1860 München im Gespräch war, am Freitag in Karlsruhe. "Es war kein Pokerspiel mit dem FCI", betont Kauczinski. Viel mehr wollte er am Freitag nicht zu seiner Zukunft in Ingolstadt sagen: noch sei er Trainer beim KSC.
Kauczinskis Ruf: einer, der aus wenig viel macht
Der gebürtige Gelsenkirchener, im März vom DFB als Trainer des Jahres 2015 ausgezeichnet, hatte im Herbst des vergangenen Jahres seinen Abschied aus Karlsruhe angekündigt. In der Vorsaison war er mit dem KSC erst in der Relegation gegen den Hamburger SV am Aufstieg in die erste Liga gescheitert, 2013 hatte er den Klub in die zweite Liga zurückgeführt. Kauczinski habe bewiesen, sagte Linke, dass er eine klare Spielidee habe, "er passt durch seine bodenständige Art sehr gut zu uns".
Während seines Sportstudiums in Bochum jobbte Kauczinski im Callcenter seines Bruders und verkaufte Hundertwasserbibeln, er begann seine Trainerlaufbahn in der Jugend des FC Schalke 04. Er gilt als gradlinig und direkt im Umgang mit seinen Spielern. "Wenn es ein Problem gibt, versuche ich es zu lösen", sagt er. In vier Jahren in Karlsruhe erarbeitete er sich den Ruf eines Trainers, der die Grenzen einer Mannschaft nach oben erweitern, aus wenig viel machen kann - einen ähnlichen Ruf wie Hasenhüttl also.
Allerdings hatte Linke unter der Woche davon gesprochen, es würde "keinen Sinn machen, einen Klon zu finden". Hasenhüttl soll vor dem Spiel gegen den FC Bayern am Samstag (15.30 Uhr) in Ingolstadt verabschiedet werden. Dabei ist das Verhältnis zwischen Vorstand und Trainer zuletzt ziemlich abgekühlt. Den Pressingfußball der Ingolstädter Mannschaft habe nicht allein Hasenhüttl, sondern das Team "von innen heraus geprägt", sagte Linke.
Sie haben sich in Ingolstadt darüber geärgert, wie die vergangenen Wochen von der Leistung der Mannschaft abgelenkt haben und Hasenhüttl mit zahlreichen Äußerungen, in denen er seinen Wechselwillen bekräftigte, dazu beitrug. Sie haben sich auch über das offensive Verhandlungsgebaren der Leipziger geärgert. Das unterstrich der Zusatz in der offiziellen Pressemitteilung am Freitag: Man erhalte die höchste Ablöse, die bisher für einen Trainer in der Liga bezahlt wurde, hieß es. Leipzig dementierte prompt, Vorstandschef Oliver Mintzlaff sprach davon, dass ein Verhandlungspartner auf dem Mond gewesen sei, und der andere auf der Erde. Er sagte: "Wir zahlen keine Mondpreise." Die Ablösesumme liegt am Ende wohl irgendwo zwischen 1,5 und zwei Millionen Euro.
Geld, das im Sommer in die Verstärkung des Kaders fließen wird, mit dem Kauczinski erneut der Klassenverbleib gelingen soll. Linke kann nicht ausschließen, dass Hasenhüttl Ingolstädter Spieler mit nach Leipzig nimmt, der Sportdirektor betont nur stets, dies hätte ein "Geschmäckle". Der Weggang von Linksverteidiger Danny da Costa nach Leverkusen steht fest, mit dem von Verteidiger Benjamin Hübner wird immer wieder spekuliert, Gespräche über eine Vertragsverlängerung mit dem FCI laufen.
Geht das, Ingolstadt ohne Hasenhüttl?
Es soll eigentlich alles so weiterlaufen wie bisher, mit dem selben Spielstil, derselben Mentalität und demselben Plan. Alles wie gehabt, nur eben mit Kauczinski als Trainer, der seine Karlsruher Assistenztrainer Argirios Giannikis und Patrick Westermann mit nach Ingolstadt bringt. Noch 2011 arbeitete der neue Ingolstädter Coach in der Jugend des KSC, erst seit März 2012 besitzt er die nötige Profitrainerlizenz.
Die Frage bleibt: Geht das, Ingolstadt ohne Hasenhüttl, der den Verein auf dem letzten Tabellenplatz der zweiten Liga übernahm und aufstieg; ohne den Prinz, der für den märchenhaften Erstligaklassenverbleib sorgte?
Es hat etwas von Trotz, wie Linke diese Frage bejaht. Ingolstadt könne weiterhin als Sprungbrett für junge Fußballer dienen, erklärte der Sportdirektor am Freitag, er lachte, und fügte mit einem Blick zur Seite hinzu, dass dies nun auch für Trainer gelte. Hasenhüttl saß daneben und erklärte, sich auf sein Abschiedsspiel gegen den FC Bayern zu freuen. Doch er lachte dabei lieber nicht.