Bundesliga: Hamburger SV:Märchenhafter Handel

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Es klingt geradezu märchenhaft: Ein Unternehmer gibt dem HSV Geld, damit der Verein seine guten Spieler behalten kann. Mehr denn je braucht die HSV-Spitze nun sportlichen Erfolg, am besten sofort.

Ralf Wiegand

Über Moral müssen wir nicht reden, denn redeten wir über Moral, dann würden wir depressiv und müssten weinen. Moralisch fällt die Bewertung des neuen HSV-Geschäftsmodells Anstoß3 in der allgemeinen Unmoral des Profifußballs, in dem die Sportler Werte darstellen und damit handelbare Ware sind, wirklich nicht mehr ins Gewicht. Es gibt Gegenden in Südamerika, da müssen Vereine, die einen Spieler erwerben wollen, erst einmal ein Heer von Anwälten beschäftigen. Das recherchiert dann wochenlang, welche Personen, Institutionen und Organisationen Anteile an diesem Spieler besitzen.

Auf der Anzeigetafel in der Hamburger Arena werden die wirtschaftlichen Ergebnisse des Vereins angezeigt. (Foto: getty)

Auf die Moral ist also gepfiffen, wenn der HSV jetzt Investoren damit anlockt, an möglichen Spielertransfers in der Zukunft zu partizipieren, wenn sie dafür heute schon Millionen locker machen.

Es klingt geradezu märchenhaft: Ein Unternehmer gibt dem HSV Geld, damit der Verein seine guten Spieler endlich mal behalten kann - würde aber selbst nur Geld mit diesem Investment verdienen, wenn der Klub Spieler sehr teuer verkaufen würde. Man könnte nun am Verstand dieses Investors zweifeln, der ja bei minimalen Gewinnaussichten maximale Risiken des Totalverlusts eingeht, etwa, wenn die ihm verpfändeten Spieler für alle Zeiten beim HSV bleiben oder dereinst ablösefrei wechseln.

Oder man könnte den HSV-Vorstand Bernd Hoffmann loben und preisen, weil er einen Milliardär gefunden hat, der bereitwillig als Investment bezeichnet, was eher wie ein Leihgeschäft, eine Schenkung (unter Umgehung der Schenkungssteuer) oder ein Kredit ohne Rückzahlungsgarantie ist.

Ein Großteil der Mitglieder des HSV, die besonders traditionsbewussten, haben sich weder für das eine noch für das andere entschieden, sondern für den Mittelweg der grundsätzlichen Skepsis. Niemand, der nicht über ein paar Milliarden Vermögen verfügt, kann sich vorstellen, eine Investition zu tätigen, die keine Rendite verspricht, sondern diese sogar beinahe ausschließt.

Was also kann so ein "Investor" anderes wollen als am großen Rad des Profifußballs ein bisschen mitzudrehen, sich im Verein einen Platz näher an der Kabine zu erkaufen, womöglich sogar in den Herzen der Fans? Und warum sollte der Verein sich für ein einmaliges Geschäft so viel Ärger aufhalsen, wenn er nicht weitere Investoren in den Klub holen will?

Zweifel, die nahe liegen. Mehr denn je braucht die HSV-Spitze nun sportlichen Erfolg, am besten sofort. Denn im Erfolg glauben auch die kritischsten Mitglieder jedes Märchen.

© SZ vom 15.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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