Borussia Mönchengladbach:"Sie sehen alles viel zu rosarot!"

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Die Mannschaft war komplett anwesend bei der Mitgliederversammlung. (Foto: Norbert Jansen/fohlenfoto/IMAGO)

Mit der sportlichen Lage sind in Gladbach viele Menschen unzufrieden - sie machen dafür aber weniger die Mannschaft verantwortlich. Der Sportchef Virkus muss sich auf der Mitgliederversammlung im Borussia-Park allerdings was anhören.

Von Ulrich Hartmann, Mönchengladbach

Am Montagabend um 20.07 Uhr ist beim Fußball-Bundesligisten Borussia Mönchengladbach die komplette Mannschaft entlassen worden. Kurz zuvor hatte der Sportvorstand Roland Virkus mitgeteilt: "Wir sind nicht zufrieden mit der aktuellen sportlichen Situation."

Nun war es freilich mitnichten so, dass der Verein statt einer Trainer-Entlassung hier ausnahmsweise mal die Mannschaft in die Verantwortung gezogen hätte - nein, auf der Mitgliederversammlung im Borussia-Park ist, um das klar zu sagen, niemand gefeuert worden. Es war vielmehr so, dass Gladbachs kompletter Bundesliga-Kader zwei Stunden lang zusammen mit 2330 Vereinsmitgliedern auf der Südtribüne im kalten Stadion ausgeharrt hatte und der Versammlungsleiter, Ehrenratsmitglied Andreas Heinen, dann der Meinung war, dass man die Spieler "nun wohl entlassen" dürfe. Daraufhin verließ eine Kolonne verfrorener Fußballer in Trainingsanzügen den Innenraum.

Es hatte zwei Stunden zuvor, als die Mannschaft ins Stadion eingezogen war, seltsamerweise weder Applaus noch Pfiffe für die sportliche Belegschaft gegeben. Fußballfans sind ja eigentlich stets extrovertiert, positiv oder negativ, aber in Gladbach sind dieser Tage viele Menschen unzufrieden, ohne vorrangig die Mannschaft dafür verantwortlich zu machen. Der Sportchef Virkus und der Trainer Gerardo Seoane hingegen mussten sich schon was anhören. Ein Fan sagte am Mikrofon brüsk: "Ich frage mich seit drei Jahren: Warum hat die Mannschaft eigentlich keinen Bock?" Virkus antwortete: "Ich versichere Ihnen, dass die Jungs alles geben."

"Unser Weg zum Erfolg ist vielleicht nicht der kürzeste", sagt Virkus, "aber auf Strecke der richtige"

Sollten diese Jungs wirklich schon alles gegeben haben, dann wäre die nunmehr dreijährige Gladbacher Talfahrt allerdings noch bitterer als es die Ergebnisse und Platzierungen ohnehin anzeigen: Achter unter dem Trainer Marco Rose, zweimal Zehnter erst unter Adi Hütter und dann unter Daniel Farke und jetzt, vier Spieltage vor Saisonschluss, gar bloß Zwölfter unter Seoane. Seit drei Jahren sprechen sie in Gladbach von Umbruch und Neubeginn, aber umgebrochen und neu begonnen ist und hat bis jetzt gar nichts. "Unser Weg zum Erfolg ist vielleicht nicht der kürzeste", gestand Virkus, "aber auf Strecke der richtige". Das Problem: Mit ihren ständigen Vertröstungen allein können Virkus und Seoane bislang niemanden davon überzeugen, dass der sich hinziehende Umbruch wirklich irgendwann in Erfolg mündet. "Wir sind dabei, eine neue Borussia aufzubauen!", verkündete Virkus. "Sie sehen alles viel zu rosarot!", hielt ihm ein Fan entgegen.

Muss viel erklären und auch manches aushalten: Galdbachs Sportchef Roland Virkus. (Foto: Norbert Jansen/fohlenfoto/IMAGO)

Das viertletzte Saisonspiel nächsten Sonntag gegen Union Berlin ist von wegweisender Bedeutung. Mit einem Sieg könnten die Borussen zumindest den Klassenerhalt so gut wie sichern, bei einer Niederlage könnte es hingegen brenzlig werden. An positiven Impulsen mangelt es der Mannschaft. Vor sechs Wochen ist sie im Viertelfinale beim Drittligisten Saarbrücken aus dem Pokal ausgeschieden und gab die große Chance auf eine euphorisierende Endspielteilnahme leichtfertig her. In der Bundesliga hat Gladbach seit zwei Jahren keine zwei Spiele nacheinander gewonnen. In dieser Saison hat man 27 Punkte nach Führungen noch hergegeben, hat in 30 Spielen 60 Gegentore zugelassen und nur fünf der bislang 15 Heimspiele gewonnen.

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"Wir gehen unseren Weg", sagt der Trainer Seoane nach jeder neuen Enttäuschung. "Wir sind davon überzeugt, dass wir auf dem richtigen Weg sind", sagt immer wieder der Sportchef Virkus. Beide beschwören mit nahezu trumpscher Unerschütterlichkeit eine Wende, die aber auf sich warten lässt. Bereits nach der Pokal-Blamage hatte der Fanklub-Dachverband beklagt, von den Verantwortlichen höre man nur "die immer gleichen Phrasen".

Auf einer trotzdem weitgehend ruhigen Mitgliederversammlung kam es zu gewissen Turbulenzen erst bei den Ergänzungswahlen zum Aufsichtsrat der Fußball-GmbH. Im Vorfeld hatte der für die Kandidatenauswahl zuständige Ehrenrat unter anderem den Fan-Vertreter Philip Hülsen zunächst nicht für eine Wahl zugelassen. Daraufhin verweigerte die Versammlung drei zur Wahl stehenden Aufsichtsratskandidaten die erforderliche Mehrheit, sodass die Versammlung unterbrochen werden musste. Hülsen wurde kurzerhand doch zur Wahl zugelassen und mit einem 96-Prozent-Votum der Mitglieder auch in den Aufsichtsrat gewählt.

Neue Vizepräsidentin ist Hannelore Kraft, die frühere Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen

Viel zu Einheit und Stabilität im Verein trägt seit 25 Jahren der Finanzchef Stephan Schippers bei, der für die Fußball-GmbH erstmals seit der Pandemie wieder ein positives Ergebnis vermelden konnte. Nach coronabedingten Verlusten von insgesamt 56 Millionen Euro über drei Jahre hinweg und einem Abschmelzen des Eigenkapitals von 103 auf 47 Millionen Euro gab es im Kalenderjahr 2023 wieder einen kleinen Gewinn von 4,3 Millionen Euro. "Wir haben den Turnaround geschafft", verkündete Schatzmeister Schippers und sprach damit einen Satz aus, wie ihn der Sportvorstand Virkus auch so gerne sagen würde.

Dass die Borussia diesen Sommer im vierten Jahr nacheinander den Trainer wechselt, ist gleichwohl nicht zu erwarten. Virkus und die vom Vize zum Präsidenten aufgestiegene Klublegende Rainer Bonhof stärken Seoane, wo sie nur können. Virkus sagte am Montag: "Gerardo Seoane ist ein sehr guter Entwickler und Kommunikator und bringt alles mit, um mit der Mannschaft die Ziele zu erreichen."

Mit niederrheinischer Lakonie reflektierte derweil Bonhof die durchaus angespannte Lage im Borussia-Park. Die Mannschaft begrüßte er mit den ironischen Worten: "Dass sie sich in diesen Zeiten hierher traut, ringt mir Respekt ab" - dabei soll der komplette Kader doch auf seinen ausdrücklichen Wunsch hin erschienen sein. Die neue Vizepräsidentin Hannelore Kraft, frühere Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, begrüßte Bonhof flapsig als "Borussen-Braut", was Kraft lachend quittierte sowie mit der Erklärung: "Ich bin seit über 40 Jahren Fan, für mich geht hier ein Lebenstraum in Erfüllung." Wenn im Borussia-Park zumindest noch individuelle Träume in Erfüllung gehen, kann die Lage so dramatisch nicht sein.

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