"Hütter raus! Hütter raus!", schallte es wütend durch den Borussia-Park. Aber es waren nicht die Fans von Borussia Mönchengladbach, die hier die Trennung vom Trainer einforderten. Es waren die ungefähr 300 mitgereisten Fans von Eintracht Frankfurt, die da so brüllten. Sie nehmen ihrem früheren Trainer seinen Wechsel nach Mönchengladbach noch immer übler als die Gladbacher Fans ihrem neuen Trainer am Mittwochabend die nunmehr vierte Niederlage nacheinander mit aufaddierten 17 Gegentoren.
Insofern erschien die Gladbacher 2:3 (1:1)-Niederlage gegen Frankfurt für Adi Hütter vielleicht sogar noch halbwegs erträglich. Nach dem Schlusspfiff plauderte er lächelnd mit seinen vormaligen Frankfurter Spielern. Nicht, dass die Niederlage nicht schmerzhaft wäre, aber der Haussegen im Borussia-Park hängt zumindest bei den Fans noch nicht vollends schief.
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Bundesliga:Gladbach rutscht immer tiefer
Die Borussia kassiert beim 2:3 gegen Frankfurt die vierte Bundesliga-Niederlage in Serie. Das Siegtor der Eintracht fällt auf kuriose Weise.
Das Publikum hat betroffen geschwiegen, als die Niederlage feststand. Natürlich ließen die Spieler die Köpfe hängen, und vermutlich machen sich am Niederrhein jetzt endgültig alle Sorgen um ihre Borussia, die dem Schlund zur zweiten Liga immer näher rückt. Wenn die Mannschaft so weiterspielt, dann droht ihr eine große Gefahr, während alle immer weiter beteuern, dieses Team sei qualitativ doch viel zu gut für ein Missgeschick namens Abstieg. Als die Spieler nach dem Schlusspfiff vor die Tribüne traten, bekamen sie von den Fans tröstenden Applaus.
"Jetzt wird es ungemütlich", sagte über die tabellarische Lage hinterher der eingewechselte Mittelfeldspieler Christoph Kramer, der erstmals seit zweieinhalb Monaten wieder mitspielte. "Jeder weiß, wie schnell es im Fußball gehen kann", sagte er, meinte dies aber nicht nur als Mahnung, sondern auch als Ausdruck der Hoffnung: "Vielleicht klopfen wir in ein paar Wochen schon wieder an die Europapokalplätze an."
"Die nackten Zahlen sprechen eine klare Sprache", gibt Trainer Hütter zu
Hütter hatte seinen Spielern aufgetragen, die erforderlichen "Tugenden" auf den Platz zu bringen, also Ausdrucksformen des Kampfes und der Leidenschaft. Aber so richtig ausdrucksstark wirkten seine erkennbar verunsicherten Spieler auch diesmal nicht. Dabei eröffnete ihnen das Schicksal früh eine Chance: Nach sechs Minuten durfte Florian Neuhaus vom Strafraumrand ungestört zur 1:0-Führung einschießen. Gladbachs Nationalspieler, zuletzt nur Stand-by-Akteur, durfte von Anfang an mitspielen, weil Lars Stindl gelbgesperrt war und Jonas Hofmann nach einer Knie-OP fehlte.
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Die Borussen versäumten im Anschluss, das zweite Tor zu schießen, was sich rächte, als Rafael Borré mit dem Halbzeitpfiff und aus heiterem Himmel zum 1:1 traf. Verdribbelt hatte sich zuvor der als Innenverteidiger spielende Denis Zakaria, der den angeschlagenen Nico Elvedi ersetzte.
Erst durch den unverhofften Treffer wurde den Frankfurtern bewusst, wie leicht es ist, gegen diese Gladbacher Tore zu schießen. Also taten sie es. Jesper Lindström in der 50. Minute und Daichi Kamada in der 55. Minute erzielten schnell den zweiten und dritten Treffer. In dem kleinen Zeitfenster dazwischen hatte Frankfurts Danny da Costa einen Elfmeter an Gladbachs Kouadio Koné verschuldet, den Ramy Bensebaini in der 54. Minute zum 2:2 einschoss. Die restlichen 35 Minuten rannten die Borussen an, ab der 70. Minute sogar mit einem Mann Überzahl, weil Frankfurts Tuta gelb-rot sah. Sie schienen dem Ausgleich nahe, der verdient gewesen wäre, doch sie schafften ihn nicht mehr. "Nach einer vernünftigen ersten Halbzeit war die zweite wieder unfassbar wild", klagte Mittelfeldmann Kramer.
Während Frankfurts Trainer Oliver Glasner nach dem fünften Sieg binnen sechs Liga-Spielen seiner Mannschaft "große Moral, großen Willen und ein großes Herz" bescheinigte, zeigte sich Hütter zwar mit der Leistung, verständlicherweise aber nicht mit dem Ergebnis zufrieden. "Die Mannschaft hat leidenschaftlich gekämpft und hintenraus alles versucht", sagte Hütter. In der ersten Halbzeit habe man ein zweites Tor versäumt und sich durch das 1:1 noch vor der Pause selbst in Bedrängnis gebracht. "Für mich ist es eine unverdiente Niederlage", klagte Hütter.
Auf ein Drohszenarium wie den Kampf gegen den Abstieg angesprochen, antwortete er, man müsse sich damit beschäftigen: "Die nackten Zahlen sprechen eine klare Sprache, und wir spielen nicht mit vollem Selbstvertrauen." Nach dem Spiel in Hoffenheim am kommenden Samstag drohen am Niederrhein ungemütliche Weihnachten.