Bundesliga: FC Schalke:Max & Moritz

Lesezeit: 3 min

Mit Lukas Schmitz und Christoph Moritz gegen Arjen Robben und Luca Toni: Trainer Felix Magath verblüfft bei Schalke 04 mit Begabtenförderung und setzt auf Profis, die keiner kennt.

Philipp Selldorf

Nicht wenige Leute hielten es für einen Marketingtrick, als Felix Magath bei Schalkes erstem Punktspiel im August in Nürnberg einen Spieler ins Mittelfeld stellte, den wirklich niemand kannte. Christoph Moritz, 19, war in der Welt des Profifußballs so unbekannt, dass keine Bilder und Daten von ihm vorlagen, die dem Publikum Anhaltspunkte hätten geben können. Selbst in Schalke war er ein Fremder ohne Namen.

Christoph Moritz (links) gehört zu den Überraschungen in Magaths Schalker Mannschaft. (Foto: Foto: dpa)

Im Sommer hatte ihn der Klub für die zweite Mannschaft verpflichtet, die in der vierten Liga zuhause ist. Zuvor hatte er unauffällig in Alemannia Aachens B-Team mitgespielt, ebenfalls Oberliga. Er war in der Hoffnung nach Gelsenkirchen gekommen, sich irgendwann einen Stammplatz zu erkämpfen, außerdem wollte er ein Sportstudium beginnen. Aber daran sei "jetzt nicht mehr zu denken", sagt er. Als Profifußballer fehlt ihm die Zeit.

Trainer machen das schon mal, wenn sie neu sind im Klub: Sie befördern einen Spieler aus der Jugend oder dem Reserveteam mitten auf den Platz und verblüffen die ganze Gemeinde. Das Risiko ist gering. Wenn der Spieler nicht krass versagt, wird der Trainer für seinen Kennerblick gerühmt; versagt er doch, dann war es eben nur ein mutiges Experiment.

Aber Christoph Moritz war auch im zweiten, dritten, vierten Punktspiel dabei, mittlerweile gehörte er in zehn Bundesligapartien von Anfang an dazu, und er wird am Samstag auch zu der Elf zählen, die bei Bayern München antritt. Und inzwischen spielt an seiner Seite ein weiterer Spieler, den vorher keiner kannte. Den 21-jährigen Lukas Schmitz hat Magath ebenfalls aus der Regionalliga-Vertretung befördert. "Er hat 14 Tage bei uns mittrainiert und sich einen Einsatz verdient", begründete der Trainer den Premiereeinsatz des Neuen einleuchtend. Seitdem gehört Schmitz, vor zwei Jahren noch beim westfälischen Fünftligisten TSG Sprockhövel heimisch, zu Schalkes erster Formation. Die Revolution ist Gewohnheit geworden.

Schmitz & Moritz ist in Schalke inzwischen ein untrennbares Begriffspaar wie Max & Moritz im Rest des Landes. Dabei fallen sie nicht unbedingt durch überwältigendes Talent auf. Sie erfüllen zuverlässig ihre Aufgaben im hinteren Mittelfeld, sie machen kaum Fehler und haben sich funktionstüchtig eingereiht. Schmitz zeichnet sich durch Dynamik, Moritz durch strategisches Bewusstsein aus.

Ob es zur großen Laufbahn reicht, weiß man noch nicht, aber so viel weiß man bereits: Diese preisgünstigen Personalmanöver waren kein eitler Marketingtrick des Trainers und keine Folklore für die Anhänger; Magaths Assistent Bernd Hollerbach hatte sich nicht geirrt, als er die beiden seinem Chef empfahl. Schmitz hat bereits einen Profivertrag unterschrieben, Moritz soll ihm damit bald folgen, und DFB-Trainer Rainer Adrion will, wie es heißt, die beiden demnächst mal in sein U 21-Team berufen; im aktuellen Aufgebot stehen sie noch nicht.

"Da ist man am Zittern"

Solche Märchenkarrieren sind also immer noch möglich in der Welt des Fußballs, trotz der Überwachung durch die Nachrichtendienste und Datenbänke der Profiklubs. Christoph Moritz hat vor drei Jahren noch in der Kreisliga gespielt, bei Viktoria Arnoldsweiler in Düren, halbe Strecke zwischen Köln und Aachen.

Als er Anfang August zu den Profis beordert wurde und sich im Büro von Generaldirektor Magath vorstellen sollte, hat ihn die Ehrfurcht sprachlos gemacht: "Da ist man am Zittern", hat er später bekannt, "und sagt erst mal gar nichts." Auch Schmitz ist von seinem Chef beeindruckt. Er hält "die Rhetorik und klare Sprache" für eines der Erfolgsgeheimnisse des Trainers - in München, wo Magath für seine karge Kommunikation bekannt war, wird man es mit Staunen hören.

Begabtenförderung hat Magath in Schalke jedoch nicht nur bei Schmitz und Moritz betrieben. Auch der Georgier Levan Kenia, 19, hat durch ihn in die Liga gefunden, und dem Fußballerleben von Carlos Zambrano hat er ebenfalls einen neuen Sinn gegeben. Der 20-jährige Verteidiger, seit drei Jahren in Schalke, unterhielt zwar einen Stammplatz in der Nationalelf Perus, aber zu Punktspielen in der Bundesliga wurde er nicht eingeladen - bis der neue Trainer kam.

So erscheint Felix Magaths Personalreform mit dem billigen Nachwuchs wie eine ironische Antwort auf die Finanzkrise des Vereins, die durch teure Transfers und aberwitzige Löhne für etablierte Profis verursacht wurde. Aber Zeiten der Pleite können eben auch nützlich sein: Man besinnt sich auf das, was man zuhause noch hat.

© SZ vom 07.11.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Der Fußballcomic
:Küsse von van Gaal

Der FC Bayern ist total verunsichert - doch am Ende einer neuen Trainingseinheit fühlt sich Philipp Lahm noh schlimmer. Die Fußballgötter

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: