Bundesliga:FC Bayern siegt viel zu niedrig

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Schossen je ein Tor: Thiago (links) und Franck Ribéry. (Foto: Andreas Gebert/dpa)

Es sollte ein Spitzenspiel werden - es wurde nicht mal ein Duell: Der FC Bayern verteidigt lässig seine Tabellenführung. Beim 3:0 verwundert die demütige Haltung von Gegner Hertha BSC.

Aus dem Stadion von Christof Kneer, München

Wer auf den Rasen der heiligen Arena gelangen möchte, muss normalerweise erst mal durch den Spielertunnel und von dort ein paar sehr steile Treppen emporsteigen. Alternativ gibt es an allen vier Stadionecken schmale Durchgänge zwischen den Werbebanden, aber ein Bus kommt da genauso wenig durch, wie er die Stadiontreppen hochkommt. Diese architektonische Besonderheit hatten die Verantwortlichen von Hertha BSC offenbar übersehen, als sie ihre Taktik fürs Spiel beim FC Bayern ausknobelten.

Den Mannschaftsbus wolle man vors eigene Tor fahren, hatte Hertha-Trainer Pal Dardai gesagt, und die Berliner müssen es mit der Angst zu tun bekommen haben, als sie merkten, dass dieser Plan nicht funktioniert. Oder warum sonst starteten sie in diese Partie, als wären sie nicht der Zweite der Tabelle, sondern der Zweiundzwanzigste? Wobei, vielleicht hatten die Berliner ihre Taktik auch kurzfristig umgestellt: Über weite Strecken sah Herthas Spiel so aus, als hätten sie den Bus vor der Arena geparkt und die Körper der Spieler gleich in ihrem Gefährt gelassen.

Denn so körperlos dürfte selten ein sogenannten Spitzenteam in einem sogenannten Spitzenspiel verteidigt haben. Wer Bayerns leicht herausgespielte Torchancen alleine in den ersten paar Minuten sah, musste sich am Ende über das gnädige 3:0 (1:0) wundern. Im Reporterdeutsch könnte man sagen, dass das Ergebnis um zwei bis fünf Tore zu niedrig ausfiel. "Das 0:3 muss man akzeptieren und runterschlucken", sagte dann auch Hertha-Trainer Pal Dardai.

Müller und Lahm kehren zurück

Die demütige Haltung der Hertha verwunderte umso mehr, weil es gerade mal drei Tage her war, dass ein frecher FC Ingolstadt die Münchner am Rande eines Punktverlustes hatte. Dieses Spiel hatte der Bundesliga gezeigt (oder hätte ihr zeigen sollen), dass die Münchner in dieser frühen Saisonphase durchaus noch zu nerven sind, aber die Berliner hatten dieses Spiel womöglich verpasst, vielleicht gab es technische Probleme bei der Videoanalyse.

So ermöglichten die Gäste den gerade genesenen Magen-Darm-Patienten Thomas Müller und Philipp Lahm jedenfalls einen schonenden Wiedereinstieg ins Berufsleben, auch Jérôme Boateng musste bei seinem Startelf-Comeback nur selten sprinten. Er wurde von Herthas sogenannten Angreifern zunächst in etwa so gefordert wie sein frisch von einer Erkältung auferstandener Verteidiger-Kollege Mats Hummels, der allerdings auf der Ersatzbank saß.

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Aus dem Stadion von Thomas Hummel

Nach zwei Minuten scheiterte Robert Lewandowski - völlig frei - an Torwart Rune Jarstein, nach drei Minuten haxelte Thomas Müller den Ball - völlig frei - am Tor vorbei: So ging dieses schon Spielchen los, und damit war die Dramaturgie vorgegeben. Herthas Plan bestand allem Anschein nach darin, vor dem eigenen Strafraum einen Stehkonvent zu veranstalten und einen zufällig erhaltenen Ball weit nach vorne in Richtung des Mittelstürmers Vedad Ibisevic zu schlagen, der ihn wahrscheinlich behaupten und weiterleiten sollte. Weil aber kein Spielkamerad nachrückte, hatten die Münchner beim Verteidigen leichtes Spiel.

Nachweislich vorhanden waren Herthas Abwehrspieler allenfalls auf der eigenen Torlinie, etwa in Person von Marvin Plattenhardt, der in der 15. Minute einen Kopfball von Javi Martinez von der Linie schlug. Aber eine Minute später machte Berlin schon wieder Platz: Franck Ribéry durfte nach Herzenslust Haken schlagen, von rechts nach links und wieder nach rechts und den Ball danach zum 1:0 ins Tor schießen. Sein Gegenspieler Petar Pekarik war mit seinen Gedanken vermutlich knapp außerhalb der Arena, im schönen, warmen Mannschaftsbus.

Es war kurios, wie lange es in der Arena nur 1:0 stand, ein Ergebnis, das theoretisch immer alles möglich erscheinen lässt. Und es wäre noch kurioser und sogar eine Sensation gewesen, wenn dem Herthaner Valentin Stocker in der 61. Minute der Ausgleich gelungen wäre. Sein Schuss zwang Manuel Neuer immerhin auf den Boden; dass Boateng sich danach auswechseln ließ, hatte aber eher nichts mit der Hertha zu tun. Er hatte zuvor schon auf seinen Oberschenkel gedeutet, der noch der Schonung bedarf.

Als Herthas Allan mit einem sehenswerten Ballverlust dem Bayern Thiago kurz darauf aber das 2:0 schenkte (68.), war dieses Duell, das nie eines war, endgültig entschieden, und die Bayern konnten sich der Traditionspflege widmen. Arjen Robben wurde nach langer Verletzungspause herzlich begrüßt bei seiner Einwechslung und zeigte gleich das komplette Robben-Repertoire: ein paar hektische Dribblings, ein Fall im Strafraum und ein klassisches Robben-Tor zum 3:0. "Das ist der schönste Moment, dafür habe ich hart gearbeitet. Ich bin super-glücklich", sagte Robben hernach im TV-Sender Sky. Übrigens: Die Hertha leistete kaum Gegenwehr.

© SZ vom 22.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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