Bundesliga: FC Bayern:Ratlos im Kühlschrank

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"Ich kann diese Chancen ja nicht selbst verwerten": Die Bayern verlieren unnötig 0:2 in Schalke. Die Deutsche Meisterschaft scheint damit noch vor der Winterpause verloren - zurück bleibt ein fassungsloser Trainer.

Philipp Kreutzer, Gelsenkirchen

Nur wenige Minuten waren noch zu spielen, als der Stadionsprecher zur Vorsicht mahnte. Sein Hinweis auf Schnee und Glatteis galt den Zuschauern für deren Heimweg. Erhöhte Rutschgefahr bestand aber längst auch auf dem Rasen: Durch das 0:2 bei Schalke 04 ist der FC Bayern in dieser Saison wohl endgültig an der Deutschen Meisterschaft vorbeigeschlittert.

FC Bayern: Einzelkritik
:Stur, unterkühlt, wirkungslos

Ein Franzose, der plötzlich auf stur schaltet. Ein Kapitän, der sich mit krachenden Fouls zurückmeldet. Und eine Mannschaft, die erst tolle Chancen vergibt, in der zweiten Halbzeit dann kollektiv abtaucht. Die Einzelkritik mit Vote.

Philipp Kreutzer, Gelsenkirchen

Wieder einmal ließen die Münchner eine Gelegenheit ungenutzt, mit einem Erfolg vielleicht doch noch etwas Druck für den weit enteilten Herbstmeister Borussia Dortmund zu erzeugen. "Wir brauchen uns jetzt um den Titel keine Gedanken mehr zu machen", ordnete Kapitän Philipp Lahm die Niederlage ein, "für uns geht es jetzt darum, um die Champions-League-Plätze zu kämpfen."

Auswärts bisher nur einmal siegreich

Vor allem auswärts versäumt es die Mannschaft in dieser Saison, ausreichend zu punkten. Sechs Zähler in bisher sieben Spielen in fremden Stadien genügen den eigenen Ansprüchen nicht, nur in Hoffenheim gelang ein Sieg.

Torchancen für drei Punkte hatten sie auch am Samstag. In der ersten Hälfte boten die Bayern im Schalker Kühlschrank eine vorzügliche, wärmende Vorstellung, sie waren klar überlegen. Doch Mario Gomez schoss vorbei und Bastian Schweinsteiger an die Latte. Toni Kroos traf erst die Hand und kurz darauf ein Bein von Schalkes Torhüter Manuel Neuer. In der Schlussphase vergab Gomez zwei weitere Gelegenheiten.

"Ich finde diese Niederlage unglaublich", befand Louis van Gaal später, "wir waren die bessere Mannschaft und müssen gewinnen." Der eigentlich so selbstgewisse Bayern-Trainer wirkte etwas ratlos angesichts des Unvermögens seiner Spieler beim Torabschluss, er stellte klar: "Ich kann diese Chancen ja nicht selbst verwerten."

Einer Überschätzung seiner Möglichkeiten käme es wohl auch gleich, sich von van Gaal Rettungstaten in der Abwehr zu erhoffen. Hilfe benötigt die Bayern-Defensive allerdings sehr wohl. Die diesmal von Anatoli Timoschtschuk und Breno gebildete Innenverteidigung versah ihren Sicherheitsdienst zunächst solide, hielt dann aber wieder nicht dicht. Obwohl auf dem Rasen von Glatteis kein Spur war, rutschte Breno vor dem 1:0 durch Jurado (58.) im Zweikampf mit Raúl aus. Bei Höwedes' Kopfballtor zum 2:0 (67.) fühlte sich gleich gar niemand zuständig.

Aufschluss über den aktuellen Zustand der Mannschaft lieferte aber vor allem das Verhalten nach dem ersten Gegentreffer, für den es keine Hinweise gegeben hatte. Ein unplanmäßiges Ereignis genügte, um bei den Bayern kollektives Entsetzen auszulösen. Selbstvertrauen und Schwung wichen plötzlicher Verunsicherung und Schwere. Die Bayern sackten in sich zusammen, Schalke spielte nun mit.

FC Bayern: Einzelkritik
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Philipp Kreutzer, Gelsenkirchen

Daran vermochte selbst Mark van Bommel nichts zu ändern. Der Kapitän pflegt knifflige Situationen wie diese mit beherzten Grätschen oder zünftigen Adressen an Umstehende aufzulockern. Doch diesmal war der Chef, der nach überstandener Verletzung erstmals wieder in der Startelf stand, viel zu müde. Er wurde ausgewechselt und bekannte später: "Die Reaktion nach dem 0:1 war nicht ausreichend."

Haben die Meisterschale abgehakt: die Spieler des FC Bayern München um Stürmer Mario Gomez. (Foto: dpa)

Eine Reaktion zeigten dagegen die Schalker. Mit der 0:5-Pleite in Kaiserslautern und der anschließenden Strafversetzung dreier Spieler in die Rerserve habe man sich in der Woche intensiv auseinandergesetzt, berichtete Christoph Metzelder: "Aus der Mannschaft heraus ist eine Reaktion gekommen, das konnte man schon im Training sehen. Vielleicht waren die Bayern überfordert damit, auf einen sehr aggressiven gegner zu treffen."

Felix Magath: "Manuel Neuer war weltklasse"

Zu überzeugen wusste Schalke tatsächlich aber erst nach dem unerwarteten Führungstreffer. "Am Anfang waren wir zu zögerlich, da hat das Ergebnis aus Kaiserslautern noch nachgeklungen", analysierte Felix Magath. "Nach dem 1:0 waren wir dann in einer ganz anderen Verfassung." Dass es dazu überhaupt kommen konnte, verdankte Schalke seinem Torhüter. Magath würdigte die Leistung Manuel Neuers als "weltklasse".

Nicht nur aufgrund seiner Paraden, sondern auch wegen der Vorbereitung des 1:0, als er Raúl mit einem präzisen langen Abschlag einsetzte. Die Münchner Spieler erlebten hautnah, weshalb einige Verantwortliche ihres Vereins Deutschlands Nummer eins gern verpflichten würden. Neuer äußerte sich dazu nicht, lieber stellte er potenziellen künftigen Arbeitgebern ganz generell in Aussicht: "Ich bin noch nicht auf dem Top-Level angekommen."

Den Erfolg ermöglichten auch Magaths Umstellungen. Jefferson Farfan agierte zurückgezogener als der wegen einer Blessur an der Lippe ausgewechselte Raúl, Verteidiger Kyriakos Papadopoulos ersetzte den offensiven Edu. Was wie ein Vorwurf van Gaals an die Adresse Magaths klang, verriet in Wahrheit höchste Anerkennung: "Er hat das Spiel totgemacht, das war sehr schlau." So ergab sich auch noch die Gelegenheit, dem lange verletzten Christian Pander nach 17-monatiger Abstinenz ein Comeback zu ermöglichen.

Flammender Appell von Rudi Gutendorf

Überzeugt vom zuletzt in Frage gestellten Schalker Coach, Manager und Vorstandsmitglied ist übrigens auch Rudi Gutendorf. Der inzwischen 84-jährige Fußball-Weltenbummler, der den Spieler Magath einst beim Hamburger SV trainierte, nutzte die Pressekonferenz nach der Partie unaufgefordert zu einer Spielanalyse, die mit dem flammenden Appell schloss: "Ihr Schalker müsst Geduld haben! Ich bin sicher, dass der Felix hier eine Klassemannschaft hinkriegt."

Immerhin haben die Gelsenkirchener nun schon mal ein wenig mehr Distanz zwischen sich und die Abstiegszone gebracht. Gebannt ist die Gefahr aber noch nicht. Glaubt man Christoph Metzelder, drohen durch die Qualifikation für das Achtelfinale der Champions League erneute Rückschläge. "Wir haben die schlechtesten Leistungen nach den internationalen Spielen gebracht", erläuterte er, "das ist eben ein Rhythmus, mit dem in Deutschland nur die Bayern zurechtkommen."

Für die laufende Saison trifft das nicht zu. Dafür rutschen die Münchner vor allem auswärts einfach zu häufig aus.

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