FC Augsburg:Hoffnung in der Zeitmaschine

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Wechsel zu Hertha BSC: Für Florian Niederlechner lief es in Augsburg zuletzt nur noch mäßig, nun zieht es ihn in die Hauptstadt. (Foto: Christian Kolbert/Kolbert-Press/Imago)

Der FCA strebt mittelfristig einen Ausbruch nach oben an - Florian Niederlechners bevorstehender Abschied ist nur auf den ersten Blick ein Widerspruch. Ins Trainingslager reist das neu verpflichtete belgische Talent Arne Engels mit.

Von Maik Rosner

Wenn die Reisegruppe des FC Augsburg an diesem Mittwoch ins Flugzeug Richtung Spanien steigt, könnte sich manch einer darin vorkommen wie in einer Zeitmaschine. Es ist ja eine durchaus vertraute Situation, mit der sie beim FCA in ihr neuntägiges Trainingslager nach Algorfa zwischen Murcia und Alicante reisen. Wieder einmal befinden sie sich in der Bundesliga in jener Tabellenregion, in der der sportliche Überlebenskampf ausgerufen werden muss. Und wieder einmal hatten sie eigentlich andere Wünsche gehegt, als sie mit dem neuen Trainer Enrico Maaßen und mit neuer Zuversicht im August in die Saison gestartet waren. Die Augsburger Zeitmaschine hat den Nachteil, dass sie offenbar nur die Wiederholung des Vergangenen vorsieht. Jedenfalls läuft das so schon seit 2015, als die Schwaben es überraschend in die Europa League geschafft hatten, sich nach diesem Ausreißer nach oben aber stets im Abstiegskampf wiederfanden.

Beim FCA geben sie den Optimismus nicht auf, mittelfristig doch einmal wieder dem vertrauten Muster entfliehen zu können. Statt stets zurückgespult zu werden, soll künftig wieder ein Vorspulen in der Entwicklung gelingen. Diese Hoffnung fliegt auch diesmal mit in den Südosten Spaniens, wo Maaßen die Mannschaft auf den zweiten Saisonteil vorbereiten wird. Doch sie wissen beim FCA natürlich, dass es dort bis zum 12. Januar nur darum gehen kann, die Grundlagen für den Klassenverbleib zu legen. Jetzt höhere Ziele auszurufen, wäre mindestens kühn.

"Wenn du jetzt ein gutes Gefühl hast, dann hast du vielleicht etwas mit dem Kopf", sagt Torwart Gikiewicz

Das sieht auch Rafal Gikiewicz so. Dabei hatte der 35 Jahre alte Torwart, seit Juli 2020 beim FCA, gedacht, durch Maaßens selbstbewussten und konstruktiven Spielstil diesmal etwas nach oben zu rutschen in der Tabelle. "Ich hatte Hoffnung vor der Saison, dass wir zu Weihnachten nicht wieder ganz unten stehen. Aber es ist jedes Jahr die gleiche Situation, jedes Jahr Abstiegskampf", hatte Gikiewicz nach der ernüchternden 0:1-Niederlage gegen Bochum kurz vor der langen WM-Pause geklagt. Den Ertrag von 15 Punkten aus 15 Spielen nannte er einen "Witz", zumal gefühlt deutlich mehr drin gewesen wäre. "Du kannst Minimum 20 Punkte haben. Dann kannst du ein bisschen nach oben schauen", sagte Gikiewicz, "so kannst du kein gutes Gefühl haben. Wenn du jetzt ein gutes Gefühl hast, dann hast du vielleicht etwas mit dem Kopf."

Zumal die Agenda in der Bundesliga in der zweiten Saisonhälfte sofort die Herausforderungen in Dortmund, gegen Mönchengladbach, in Freiburg und gegen Leverkusen bereithält. Bei nur zwei Punkten Vorsprung in der Tabelle auf einen direkten Abstiegsplatz wirkt dieses Programm fast bedrohlich. Doch mit derartigen Situationen kennen sie sich ja bestens aus beim FCA seit ihrem Aufstieg 2011. Sie wollen sich davon nicht erschrecken lassen.

Florian Niederlechner erlebt die Augsburger Zeitschleife sogar schon seit Mitte 2019. Allerdings wird der Angreifer den Ausstieg auf jeden Fall schaffen. Sein Berater Ingo Haspel bestätigte inzwischen, dass sich Niederlechner nach seinem Vertragsende am 30. Juni Hertha BSC anschließen wird. Auf den ersten Blick widerspricht dieser Wechsel den gar nicht so heimlichen Augsburger Ambitionen, sich ähnlich wie Freiburg, Union Berlin und Mainz als gefühlter Kleiner der Liga weiter vorzutasten in der Tabelle und nicht gleich wieder abzurutschen. Andererseits lief es bei Niederlechner nach seiner starken ersten Augsburger Saison (13 Ligatore) nur noch mäßig und erst kurz vor der WM-Pause wieder besser. Zudem wird Niederlechner im Oktober 33 Jahre alt.

Niederlechner wechselt ablösefrei nach Berlin, dafür soll Ricardo Pepi zurückkehren

Im Gegenzug zu seinem ablösefreien Wechsel nach Berlin soll Ricardo Pepi, 19, zurückkehren. Beim FCA hatte sich der US-Angreifer nach seinem viel beachteten Wechsel für rund 16 Millionen Euro Ablöse vor einem Jahr nicht zurechtgefunden. Deutlich besser sieht es seit seiner Leihe Ende August zum niederländischen Erstligisten FC Groningen aus. Sechs Tore hat Pepi dort in neun Ligaspielen bereits erzielt und zudem zwei vorbereitet. Das freut auch die Augsburger. Ihr Rekordeinkauf steht ja noch bis 2026 bei ihnen unter Vertrag.

Bis 2027 wurde am Dienstag dazu das belgische Mittelfeldtalent Arne Engels gebunden. Augsburgs Manager Stefan Reuter bezeichnete den 19-Jährigen in der Vereinsmitteilung als "hochveranlagt". Engels reist direkt mit ins Trainingslager. Er kommt aus dem Reserveteam des FC Brügge, das unter dem Namen Club NXT in Belgiens zweiter Liga spielt. "We are the future", wirbt NXT für sich. Auch das soll wohl nach einer Zeitmaschine klingen, und zwar nach einer verheißungsvollen.

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