Bundesliga:"Es war einfach der HSV: Deshalb hab ich's gern gemacht"

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Heribert Bruchhagen hat nicht lange gezögert, als er das Angebot vom Hamburger SV bekam, Vorstandschef zu werden. (Foto: dpa)

Vorstandschef Heribert Bruchhagen spricht im SZ-Interview über das Image des HSV als Chaos-Klub, die Chancen der 50+1-Regel und seine veränderte Sicht auf Investoren.

Von Jörg Marwedel, Hamburg

Heribert Bruchhagen, 68, bisher ein vehementer Verfechter der sogenannten 50-plus-eins-Regel, nach der die Profivereine immer die Mehrheit gegenüber den Investoren haben sollen, sieht diese Leitlinie im deutschen Fußball in Gefahr. Im Interview mit der Süddeutschen Zeitung sagte der neue Vorstandsvorsitzende des Hamburger SV: "Dass die Bundesliga heute so ein großartiges Produkt ist und so viel Anerkennung genießt, verdankt sie sicher auch einer großartigen Entscheidung von Wilfried Straub und Wolfgang Holzhäuser, den Ur-Vätern von 50 plus 1. Das heißt aber nicht, dass eine großartige Entscheidung auch dauerhaft Bestand haben muss." Er spüre, dass Bewegung in die Sache komme und dass die Branche einer Aufweichung dieser Regel offener gegenüber steht als noch vor einer Weile. Sollte es so kommen, "wünsche ich jedem Klub Investoren wie Martin Kind, der aus Hannover kommt und dessen Motivation auch Hannover ist. Das hielte ich für eine Grundvoraussetzung: dass die Fans sich mit dem Investor identifizieren können".

Bruchhagen, der zuvor 13 Jahre Vorstandschef von Eintracht Frankfurt war, hatte sich auch immer sehr kritisch zu seinem neuen Verein HSV mit seinem Investor Klaus-Michael Kühne geäußert, dessen finanzielle Einmischung er als "Katastrophe für den Wettbewerb" bezeichnet hatte. Jetzt fügte er an, er habe diese Sätze aber immer eingeleitet mit dem Satz: "Für den HSV ist Herr Kühne ein Glücksfall." Dieser Satz sei in der Wiedergabe gerne unterschlagen worden. Aus seiner Verpflichtung könne man aber sehr gut erkennen, "dass Herr Kühne tatsächlich ein großer HSV-Freund ist und dass er eben nicht ins operative Geschäft eingreift. Denn wenn das so wäre, dann hätte er die Installierung des Kritikers Bruchhagen ja verhindern können".

Bruchhagen fordert Sorgfältigkeit bei Skizzierung des Gegners in der Öffentlichkeit

Auch die Trennung von Traditionsklubs wie dem HSV (samt Investor Kühne) und Kommerzklubs wie dem Aufsteiger RB Leipzig, der vom Brause-Hersteller Dietrich Mateschitz gegründet wurde, hält Bruchhagen "in der Polarisierung für viel zu scharf". Er glaube, "dass wir da gerade alle ein bisschen umdenken müssen. Anfangs haben die meisten von uns dieses Engagement von Mateschitz sicher vor allem für eine gigantische Marketing-Maßnahme gehalten, aber inzwischen darf man schon anerkennen, was da für eine sportliche Systematik und Nachhaltigkeit dahinter steckt." Man könne ja auch in Bezug auf den FC Bayern behaupten, "dass erst die öffentlichen Investitionen ins Münchner Olympiastadion dazu geführt haben, dass Beckenbauer, Maier, Müller, Hoeneß und Breitner dort spielen und eine Ära prägen konnten - zu einer Zeit, als sich die Klubs fast ausschließlich aus Zuschauer- und Mitgliedereinnahmen finanziert haben". Auf jeden Fall müsse man - wie die Ausschreitungen der sogenannten Dortmunder "Ultras" beim Spiel gegen RB Leipzig am vergangenen Wochenende zeigten, "künftig vor Bundesliga-Spielen in der Wortwahl bei der Skizzierung des Gegners sehr sorgfältig sein".

Als er im Winter das Angebot aus Hamburg bekam, habe er "kurz überlegt: HSV - kann ich das überhaupt? Ich konnte ja nicht wissen, wie sich die Zusammenarbeit mit Herrn Kühne gestaltet, ich kannte kaum Aufsichtsräte, keine finanziellen Details. Aber es war einfach der HSV: Deshalb hab ich's gern gemacht." Das Klischee des HSV als "Chaos-Klub" könne er nicht bestätigen. Er empfinde "Aufbau und Struktur dieses Vereins absolut in Ordnung". Die Einschätzung "Chaos" komme sicher daher, "dass der HSV seit Jahren die sportlichen Erwartungen nicht erfüllt. Aber es ist schlichtweg falsch".

Bruchhagen, der seit langem die These vertritt, es gebe in der Bundesliga eine "zementierte Tabelle", die sich nach den Lizenzspieletats richtet, musste aber eingestehen, dass diese Theorie derzeit nicht komplett stimmig ist: Besonders zwei Klubs hätten "die Architektur durcheinander gebracht: die Leipziger, die viel weiter oben stehen als erwartet - und leider wir, der HSV. Wir stehen viel tiefer, als es unser Lizenzspieleretat hergeben würde".

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