Eintracht Frankfurt:Augen zu und durchgerannt

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Ekstase und Erleichterung: Siegtorschütze Robin Koch (Mitte) feiert mit Jessic Ngankam (links), Omar Marmousch und den Eintracht-Fans den gelungenen Jahresabschluss. (Foto: Joaquim Ferreira/HMB-Media/Imago)

Mit zwei Treffern in der Nachspielzeit verhindert Eintracht Frankfurt gegen Mönchengladbach die siebte Niederlage in den vergangenen acht Pflichtspielen. Ein europäischer Startplatz bleibt das Ziel. Dafür sind aber Verstärkungen nötig.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Wann haben die Fußballer von Eintracht Frankfurt zuletzt so lange getanzt und so laut gesungen? Erst mit den Fans draußen, dann in der Kabine drinnen. Die Partymusik dröhnte noch zu fast mitternächtlicher Stunde durchs Erdgeschoss der Arena, und wären vor der Pressekonferenz nicht die schweren Stahltüren geschlossen worden, hätte Trainer Dino Toppmöller mit seinen Worten schwer Gehör gefunden. "Das Gefühl kannst du für kein Geld der Welt bezahlen", flötete der 43-Jährige, der nach einer irren Aufholjagd mit zwei Treffern in der Nachspielzeit gegen Borussia Mönchengladbach (2:1) mit erhobenen Fäusten auf den Rasen gesprungen war. Danach setzte sich der frühere Eintracht-Spieler mit einem knallroten Pullover aufs Podium und wünschte jedem Anwesenden persönlich frohe Weihnachten - für ihn selbst hatte es ja bereits die vorgezogene Bescherung an Ort und Stelle gegeben.

Nach dem Platzverweis für Torschütze Wöber in der 88. Minute verliert die Borussia jede Stabilität

Natürlich wusste der Sohn des vor drei Jahrzehnten mal sehr vorlauten Eintracht-Trainers Klaus Toppmöller ("Bye-bye Bayern"), dass es in den Analysegesprächen im Falle einer 0:1-Niederlage vermutlich auch um die Stagnation seiner Arbeit gegangen wäre. Doch nun war die Drohkulisse von sieben Niederlagen in den jüngsten acht Pflichtspielen abgewendet. "Mit Tabellenplatz sechs freust du dich noch mehr, dass es am 2. Januar wieder losgeht", sagte Toppmöller Junior. Sein Gladbacher Gegenüber Gerardo Seoane hatte kräftig Hilfestellung geleistet: Nachdem sich Verteidiger Maximilian Wöber, Torschütze zur Gästeführung (27.), eine gelb-rote Karte einhandelte (88.), wechselte der später tief frustrierte Schweizer ("das trifft uns hart") in Marvin Friedrich und Fabio Chiarodia zwei Innenverteidiger ein - woraufhin sich kurioserweise erst recht jegliche Stabilität in Gladbachs Abwehrzentrum verflüchtigte. Der eingewechselte Aurelio Buta (90.+2) und der aufgerückte Robin Koch (90.+7) verwandelten die Frankfurter Arena in ein Tollhaus - beide Male hatte ein weiterer Eingewechselter, Niels Nkounkou, die Vorlage geliefert.

Der auf dem Zettel von Bundestrainer Julian Nagelsmann stehende Verteidiger Koch erzählte später, er sei beim letzten Angriff "einfach durchgerannt", habe "alles reingeschmissen" und dann "nichts mehr gesehen". Als der Abwehrchef wieder die Augen aufmachte, lag der Ball hinter der Linie. Der Rest war Ekstase. "Es gibt kein besseres Stadion, um solch einen Siegtreffer zu erzielen", sagte der 27 Jahre alte Torschütze noch. Eine gefühlte Ewigkeit reckten die Frankfurter Anhänger im Stadtwald ihre Schals in die Höhe, trällerten ihr "Eintracht vom Main" und wollten sich an diesem nasskalten Dezemberabend gar nicht mehr auf den Heimweg machen.

Ausgeliehen von Manchester United: Mittelfeldspieler Donny van de Beek schließt sich der Eintracht an. Sportvorstand Markus Krösche findet, dass er "perfekt zu unserer Spielidee passt". (Foto: Martin Rickett/dpa)

Sportchef Markus Krösche freute sich derweil eher innerlich. Aber auch ihn durchströmten Glücksgefühle, als er von einem "turbulenten Jahr mit Höhen und Tiefen" sprach. Die Herausforderungen des vergangenen Halbjahres seien gewesen: "neuer Ansatz, Fußball zu spielen, viele Leistungsträger verloren, drei Wettbewerbe vor der Brust". Letztlich sei noch eine "ordentliche Punktzahl" herausgekommen, die Mannschaft habe sich "mit Wille und Geduld" diesen wegweisenden Dreier verdient, der die Perspektive verbessert, weil parallel der SC Freiburg noch verlor. Eine erneute Europapokalteilnahme ist das erklärte Ziel der Hessen, die sich in der Conference League Zwischenrunden-Spiele gegen Union Saint-Gilloise eingebrockt haben. Ärgerlicher empfand der smarte Macher Krösche das Ausscheiden im DFB-Pokal beim 1. FC Saarbrücken.

Der 43-Jährige hat in den nächsten Wochen viel zu tun. Bekanntlich will der Klub einen Teil der 95 Millionen Euro Ablöse für den am letzten Tag der Transferperiode veräußerten Torjäger Randal Kolo Muani im Winter investieren, nachdem im Sommer keine Zeit mehr geblieben war. Gesucht werden eher zwei statt ein Stürmer, weil der einzige bundesligataugliche Angreifer, Omar Marmoush, mit Ägypten den Afrika-Cup spielt. Krösche bestätigte am Mittwochabend die Einigung mit Mittelfeldspieler Donny van de Beek (Manchester United) - der niederländische Nationalspieler kommt zunächst auf Leihbasis. Auch Sheraldo Becker (Union Berlin) ist ein Thema, ohne dass sich der Sportchef dazu äußerte. Grundsätzlich gelte, "dass die Transferstrategie nicht an einem Sieg festgemacht wird." Aber ein solch erlösender Akt kann die Stimmungslage ändern. Und das bekommen auch Berufsfußballer mit.

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